Die Olympiasieger Karsten Warholm, Valarie Allman und Malaika Mihambo haben am Sonntag für einige der internationalen Highlights beim ISTAF 2022 in Berlin gesorgt. Mihambo glückte dabei neben Julian Weber und Luna Thiel einer von drei deutschen Siegen, gleich bei mehreren DLV-Assen purzelten sogar zum Saison-Ende die Bestleistungen. Emotional wurde es beim Abschied von Diskuswerferin Nadine Müller.
Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) ist wieder zurück – auf Platz eins! Die Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Weitsprung, die sich bei der EM noch von einer Corona-Erkrankung geschwächt mit Platz zwei zufriedengeben musste, flog am Sonntag bei der 82. Ausgabe des ISTAF wieder der gesamten Konkurrenz davon. Gleich im ersten Versuch gelang ihr dabei mit 6,92 Metern der Siegessprung, anschließend riskierte sie dann viel für einen Satz jenseits der Sieben-Meter-Marke. Zu viel, denn diese Sprünge waren ungültig. Platz zwei ging wie schon bei der WM an die Nigerianerin Ese Brume (6,78 m).
"Mir geht es deutlich besser, aber ich merke doch, dass ich erst vor Kurzem Corona hatte, daher habe ich hier nicht jeden Sprung gemacht. Es war eigentlich ein ganz guter Wettkampf, auch wenn die besten Sprünge leider ungültig waren", erklärte sie am ARD-Mikrofon im Gespräch mit Claus Lufen und blickte zurück auf eine lange Saison, in der sie sich nach einer guten Vorbereitung über die Wettkämpfe in Top-Form für die WM gebracht hatte, bevor die Corona-Erkrankung sie auf dem Weg zur EM-Titelverteidigung ausbremste.
Erneut flogen auch die Speere von Julian Weber (USC Mainz) weiter als die der Konkurrenz. In seiner Heimatstadt, aber dieses Mal nicht gecoacht von seinem Potsdamer Trainer Burkhard Looks, sondern von seinem Entdecker in Mainz Stephan Kallenberg, genoss der Europameister seinen Auftritt im Olympiastadion sichtlich. Und schenkte den Fans mit 84,90 Metern auch den Heimsieg. An seiner Seite: Vereinskollege und Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul, der im Kreise der Zehnkämpfer zu den Ausnahme-Könnern mit dem Speer zählt. Auch am Sonntag gelang ihm mit 71,34 Metern wieder eine starke Weite.
Karsten Warholm wieder in Top-Form
Weltrekordler und Olympiasieger Karsten Warholm hatte seinen Start über 400 Meter Hürden bei seinem Lieblings-Meeting mit einem Anruf bei den Veranstaltern selbst klargemacht. Und bedankte sich am Sonntag für die Zusage auf seine ganz eigene Art und Weise: Mit einem phänomenalen Start-Ziel-Sieg, dem wieder einmal niemand folgen konnte. In 47,24 Sekunden sorgte der Norweger für eines der internationalen Highlights einer insgesamt hochklassigen Veranstaltung – bei seinem EM-Sieg war er nur zwölf Hundertstel schneller.
"Ich bin sehr glücklich und sehr zufrieden", bilanzierte Karsten Warholm am ARD-Mikrofon, "ich war am Anfang der Saison verletzt und wollte zeigen, dass ich wieder zurück bin." In seinem Sog steigerte sich auch die Konkurrenz mit dem EM-Vierten Ludvy Vaillant (Frankreich; 48,26 sec) und dem EM-Fünften Joshua Abuaku (Eintracht Frankfurt; 48,55 sec), die beide so schnell waren wie nie zuvor. Auf Platz vier bestätigte Constantin Preis (VfL Sindelfingen) in 48,85 Sekunden, dass er die Verletzungssorgen zu Saison-Beginn hinter sich gelassen hat.
"Ich wusste, dass ich noch gut drauf bin. Aber das hätte ich nicht erwartet", erklärte Joshua Abuaku. "Ich habe mich auf den Franzosen vor mir konzentriert und wusste, dass ich mich an ihm orientieren kann. Ich bin einfach mitgelaufen und dachte an der neunten Hürde, dass ich ihn vielleicht sogar kriege. Hat nicht ganz geklappt, aber ich bin dennoch sehr zufrieden. Die Atmosphäre war mega geil. Ich hätte nicht gedacht, dass es so voll wird. Das unterstreicht, dass die Leute Bock auf Leichtathletik haben. Das bleibt hoffentlich noch lange so."
Emotionaler Abschied von Nadine Müller
Für eine ebenso hochklassige Eröffnung des ISTAF hatten am früheren Nachmittag die Diskuswerferinnen gesorgt: Olympiasiegerin Valarie Allman (USA; 70,06 m) sicherte sich als i-Tüpfelchen einer Weltklasse-Serie fast schon standesgemäß in Runde sechs mit einem 70-Meter-Wurf den Sieg vor der Olympia- und EM-Zweiten Kristin Pudenz (SC Potsdam), die die Ein-Kilo-Scheibe auf 65,20 Meter segeln ließ. Dritte wurde Shanice Craft (MTG Mannheim; 64,36 m).
Der letzte Wurf der Konkurrenz aber gehörte Nadine Müller (SV Halle) – es war zugleich der letzte ihrer Karriere. Die einstige Vize-Weltmeisterin, die sich 2009 bei der WM in Berlin mit Platz sechs erstmals in der Weltspitze zu Wort gemeldet hatte, verabschiedete sich beim ISTAF mit Platz acht (55,73 m) aus dem Leichtathletik-Zirkus. Die Fans bereiteten ihr einen stimmungsvollen Abschied, hautnah im Innenraum mit dabei waren nicht nur ihre langjährigen Konkurrentinnen und Wegbegleiterinnen, sondern auch der Olympiasieger von 2012 Robert Harting, der sich einst ebenfalls das ISTAF für seinen letzten Wettkampf ausgesucht hatte.
"Es war ein sehr schöner Abschied", sagte Nadine Müller. "Danke an die Organisatoren des ISTAF, dass sie mir das ermöglicht haben. Es hat mega viel Spaß gemacht, auch wenn es tränenreich war. Beim letzten Wurf standen auch noch Robert und Julia Harting neben dem Ring, die Mädels haben danach Spalier gestanden. Super schön! Besser kann man sich so ein Abschied nicht wünschen."
Luna Thiel mit starker Bestzeit
Über 400 Meter konnte Luna Thiel (Vfl Eintracht Hannover) am Ende einer Saison, die für sie nach langer Durststrecke wieder die Rückkehr in die deutsche Spitze bedeutet hatte, endlich ihr großes Vermögen auf die Bahn bringen: Einen deutlichen Sieg krönte sie mit einer Steigerung ihrer vier Wochen alten Bestzeit um fast eine Sekunde auf 51,28 Sekunden. Als Drittplatzierte rannte auch Alica Schmidt (SCC Berlin; 52,33 sec) noch einmal nahe an ihre Bestmarke heran.
„Ich wusste, dass ich schnell laufen kann. Aber das hätte ich nicht gedacht. Jetzt am Ende der Saison meine Bestzeit um fast eine Sekunde zu verbessern, ist unfassbar“, sagte Luna Thiel anschließend. „Ich war lange krank und hatte gesundheitliche Probleme. Dieses Jahr bin ich zurückgekommen. Das zeigt, dass es sich lohnt, für seine Ziele zu kämpfen.“
Das Rennen der Männer wurde zur Familienangelegenheit für die Borlées: Dylan (45,96 sec), Jonathan (46,02 sec) und Kévin (46,04 sec), die gemeinsam schon so manche internationale Staffel-Medaille für Belgien geholt hatten, ließen die überwiegend deutsche Konkurrenz um Lokalmatador Marc Koch (LG Nord Berlin; 46,32 sec) hinter sich.
Sam Parsons auch über 1.500 Meter in starker Form
Die erhoffte deutsche Jahresbestzeit gab's über 1.500 Meter der Männer für Sam Parsons (Eintracht Frankfurt) zwar nicht. Aber trotzdem eine neue Bestleistung von 3:36,22 Minuten, die ihm Platz drei bescherte. Der EM-Sechste über 5.000 Meter musste nur dem Kenianer Reynold Kipkorir Cheruiyot (3:35,04 min) und dem Briten George Mills (3:35,30 min) den Vortritt lassen. Auf Platz zehn rannte auch Hindernis-Spezialist Karl Bebendorf (Dresdner SC 1898; 3:37,97 min) zu einer neuen Bestmarke.
Die 5.000 Meter der Frauen mit Beatrice Chebet (Kenia; 14:44,25 min) an der Spitze waren fest in der Hand der Läuferinnen aus dem Ausland, nachdem Europameisterin Konstanze Klosterhalfen (TSV Bayer 04 Leverkusen) krankheitsbedingt nicht an den Start gehen konnte. Doch dahinter machten auch zwei DLV-Athletinnen ein gutes Rennen: Hindernis-Ass Elena Burkard (LG farbtex Nordschwarzwald; 15:36,89 min) lief als Siebte zu einer neuen Saison-Bestzeit, Langstrecklerin Eva Dieterich (Laufteam Kassel; 15:40,16 min) konnte sich dahinter über eine mächtige Steigerung ihres Hausrekords freuen.
Oleg Zernikel verzichtet
Im Hochsprung reichten Edgar Rivera (Mexiko) bereits 2,23 Meter zum Sieg, Mateusz Przybylko (TSV Bayer 04 Leverkusen; 2,19 m) kämpfte an der Stätte seines bisher größten Triumphs, des EM-Siegs 2018, mit Schmerzen: „Ich habe die ganze Woche muskuläre Probleme mit dem Rücken“, erklärte er. „Beim Einspringen habe ich gemerkt, dass es wieder zwickt. Ich wollte kämpfen, weil ich so gerne in Berlin bin und gerne zeigen wollte, was ich drauf habe.“
Schon vor dem ersten Wettkampf-Sprung packte der WM-Fünfte im Stabhochsprung Oleg Zernikel (ASV Landau) seine Stäbe wieder ein – in seinem bereits 15. Wettkampf einer langen Saison fühlte er sich nicht im Vollbesitz seiner Kräfte und verzichtete auf einen Start. So gehörte die Aufmerksamkeit zum Beispiel Ernest John Obiena (Philippinen; 5,81 m), der jüngst in Brüssel (Belgien) Weltrekordler Armand Duplantis (Schweden) bezwungen hatte. Er musste sich allerdings dieses Mal dem Niederländer Menno Vloon geschlagen geben, der mit 5,88 Metern zu einem neuen Landesrekord flog.
Grund zum Jubeln hatte auch Hürdensprinterin Isabel Mayer (LG Telis Finanz Regensburg): Die 29-Jährige, die sich lange dem Mehrkampf verschrieben hatte, freute sich über eine neue Bestzeit von 13,24 Sekunden, wenngleich sie damit Weltrekordlerin Tobi Amusan (Nigeria; 12,45 sec) natürlich nicht gefährlich werden konnte. Auch im Männer-Rennen gab’s einen Favoritensieg von Hallen-Weltrekordler Grant Holloway (USA; 13,05 sec), dem Landsmann Freddie Crittenden (13,07 sec) allerdings am Ende noch einmal sehr nahe kam.
Noah Lyles kommt spät ins Rollen
Die 100-Meter-Wettbewerbe setzten schließlich den Schlusspunkt unter ein mitreißendes Internationales Stadionfest, das wieder einmal keine Wünsche offen ließ. Dabei tat es der Stimmung auch keinen Abbruch, dass die DLV-Sprinterinnen und -Sprinter am Ende einer nervenaufreibenden Saison nicht in den Kampf um die Siege eingreifen konnten. Bei den Frauen setzte sich in 11,00 Sekunden die Britin Daryll Neita durch. Bei den Männern wurde 200-Meter-Weltmeister Noah Lyles (USA; 9,95 sec) seiner Favoritenrolle gerecht und zeigte besonders mit einer starken zweiten Rennhälfte, warum er über 200 Meter der Beste der Welt ist.
Schon im Vorprogramm waren die Para-Kugelstoßer in den Ring gestiegen und hatten mit bemerkenswerten Leistungen den Grundstein für ein stimmungsvolles Meeting gelegt: Niko Kappel (VfL Sindelfingen), der sich im Mai mit 14,99 Metern den Weltrekord seiner Wettkampf-Klasse geschnappt hatte, konnte erneut die 14-Meter-Marke überbieten. Mit 14,27 Metern hielt er den ebenfalls glänzend aufgelegten US-Amerikaner Hagan Landry (14,07 m) in Schach.
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