| Interview der Woche

Vanessa Grimm: „Ich möchte bei WM und EM noch einen draufpacken“

Auf Ratingen musste sie nach einem positiven Corona-Test schweren Herzens verzichten. In Götzis kam Vanessa Grimm durch – und wie! Mit einer neuen Bestleistung von 6.323 Punkten schaffte die Siebenkämpferin vom Königsteiner LV sogar den Sprung aufs Podium, hakte die EM-Norm ab und wahrte sich eine kleine Chance auf das Ticket zur WM. Wir haben mit ihr über Siebenkampf beim Brunch, viel Freude und ein wenig Ärger und über die Hoffnung auf eine Saison mit zwei Höhepunkten gesprochen.
Silke Bernhart

Vanessa Grimm, wenn Ihnen jemand vor etwa vier Wochen gesagt hätte, dass Sie hier mit Bestleistung Dritte werden – was hätten Sie dem gesagt?

Vanessa Grimm:
Ich hätte mich auf jeden Fall mega gefreut (lacht). Das hätte mir im Vorfeld so einige Unsicherheiten erspart. Denn ich wusste ja nicht, wie es nach der Corona-Infektion weitergeht, vor allem über 800 Meter. Und was die Gesamtbelastung mit mir macht. Dass das jetzt geklappt hat, ist der Wahnsinn und total schön.

Lagen Sie denn komplett flach?

Vanessa Grimm:
Ich hatte wirklich Glück. Ich hatte nur ganz wenige Symptome und schon nach zwei Tagen wieder so viel Energie, dass ich gar nicht wusste, wohin damit. Aber ich musste trotzdem zehn Tage die Füße stillhalten, bevor ich wieder auf der Bahn trainieren konnte.

Wie schwer war es für Sie, Anfang Mai beim Mehrkampf-Meeting in Ratingen – auf das Sie sich wie viele andere gezielt vorbereitet hatten – zuschauen zu müssen, wo Sophie Weißenberg mit 6.273 Punkten vorgelegt hat?

Vanessa Grimm:
Das war im ersten Moment echt hart zu akzeptieren. Mein positiver Test war genau eine Woche vorher. Ich war dann während des Meetings schon wieder raus aus der Quarantäne und habe mir mit meiner Trainingskollegin beim Brunch den Livestream angeschaut. Es hat ziemlich gebrannt, da mitzumachen. Aber von Disziplin zu Disziplin habe ich immer mehr Lust bekommen, wieder selbst dort zu stehen.

Mit welchen Disziplinen konnten Sie sich denn hier in Götzis am Wochenende am meisten überraschen?

Vanessa Grimm:
Ich habe mich auf jeden Fall mega darüber gefreut, dass ich hier im Weitsprung im dritten Versuch noch eine Bestleistung ausgepackt habe. Die war wirklich extrem wichtig, vorher hatte ich keine sechs Meter stehen. Der Hochsprung hat mich auch sehr gefreut, endlich 1,80 Meter! Und im Kugelstoßen an die 15 Meter heran, das hatte ich auch lange nicht mehr. In den Sprints habe ich gemerkt, dass es noch ein bisschen besser werden muss. Am meisten geärgert hat mich der Speerwurf, da habe ich im Training gesehen, dass es mittlerweile schon auf die 50 Meter zugehen kann, das habe ich heute leider nicht hingekriegt, dafür brauche ich wahrscheinlich noch ein paar Wettkämpfe.

Sie haben gesagt, dass Sie nach der Corona-Infektion über 800 Meter nicht wussten, wo Sie stehen. Das sah dann gar nicht danach aus – nach 400 Metern haben Sie noch mal richtig Gas gegeben. Ein Zeichen dafür, dass Sie sich sehr gut gefühlt haben?

Vanessa Grimm:
Ich habe einfach versucht, da unvoreingenommen reinzugehen. Ich wusste, an wem ich dranbleiben muss und wen ich in Schach halten muss, damit ich den dritten Platz sichern kann. Nach einer Runde habe ich mich wirklich gut gefühlt und mir gedacht: Okay, renn einfach. Das hat ja auch ganz gut geklappt – bis 100 Meter vor dem Ziel (lacht).

Wie war es für Sie, in diesem Jahr wieder nach Götzis zurückzukommen? 2021 konnten Sie ohne Druck und Erwartungen mit Platz fünf überraschen. In diesem Jahr sah die Ausgangslage ganz anders aus...

Vanessa Grimm:
Ich war schon eine Woche vorher super nervös, das war nicht wirklich normal, das war ziemlich hart. Aber sobald es losging, kam das Feeling wieder zurück und ich habe mich drauf gefreut. Dieses Mal war es ja noch eine Nummer größer, wieder mit vielen Zuschauern. Natürlich ist es etwas Anderes, wenn man hier als jemand reingeht, der schon 6.300 Punkte gemacht hat, und mit dem Ziel, sich für eine Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Da war mehr Druck dabei, aber es hat ja gut funktioniert und ich bin happy, dass ich eine neue Bestleistung aufstellen konnte.

Das gesamte vergangene Jahr hat für Sie den Schritt auf ein neues Leistungsniveau markiert, auf Götzis folgte die Olympia-Premiere in Tokio. Was hat sich verändert, was hat das mit Ihnen gemacht?

Vanessa Grimm:
Grundsätzlich würde ich sagen, es hat sich nichts groß verändert. Ich bin immer noch Vanessa (lacht). Klar habe ich jetzt andere Ziele, wenn ich in einen Wettkampf gehe. Vorher war ich mir unsicher, ob ich mich qualifizieren kann. Wenn man dann einmal Olympischen Spiele miterlebt hat, dann will man auch weiter dabei sein und ist nicht zufrieden, wenn es nicht klappt. Wir haben uns am Ende der Saison ein bisschen Zeit genommen, haben die Hallensaison ausgelassen, haben versucht, alle Baustellen zu beseitigen, die ich hatte – das hat auch gut geklappt, ich bin komplett verletzungsfrei und habe überhaupt keine Probleme. Mir fehlt aktuell noch ein bisschen die Wettkampf-Praxis, aber ich denke, die kommt jetzt im Verlaufe der Saison.

Wie der genau aussehen wird, weiß man ja leider noch gar nicht – die EM-Norm haben Sie abgehakt, die WM-Norm nicht, ob es für einen WM-Startplatz über das World Ranking reicht, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Worauf hoffen Sie?

Vanessa Grimm:
Ich hoffe, dass es über das World Ranking für die WM reicht, das müsste es eigentlich. Wenn dem so ist, dann werde ich auch die Weltmeisterschaft und die Europameisterschaft machen. Das war von Anfang an das Ziel für diese Saison. Wenn das klappt, wäre das der Wahnsinn! Dann möchte ich auch bei beiden Events abliefern und die paar Probleme, die es hier im Wettkampf gab, abstellen und noch mal einen draufpacken.

Mehr:

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