Sieben DLV-Athletinnen und Athleten haben sich bei der Hallen-DM erstmals in die Siegerliste eingetragen. Unter ihnen neue Gesichter sowie Athletinnen und Athleten, die schon mehrere Medaillen auf nationaler Ebene zu Hause haben und in Leipzig endlich ganz oben standen. Wir stellen sie vor, heute Dreispringerin Jessie Maduka (TV Wattenscheid 01).
Jessie Maduka
TV Wattenscheid 01
Bestleistung:
Dreisprung: 13,95 m (2018), Halle: 14,00 m (2022)
Erfolge:
Achte U23-EM 2017
Vierte U20-EM 2015 (Weitsprung)
Siebte U18-WM 2013 (100 Meter)
Silber U20-WM 2012 (4x100 Meter)
Deutsche Hallenmeisterin 2022
Mit ihren 25 Jahren hat Jessie Maduka sportlich aber auch persönlich schon vieles erlebt. In ihrer Jugend kam der Erfolg auf der Laufbahn wie von selbst, bis hin zu Edelmetall bei der U20-WM. Knieschmerzen, verursacht durchs Wachstum, verdeutlichten aber früh auch die Tücken der Sprungdisziplinen. Schon mit 18 Jahren verließ sie ihre Heimat und studierte in den USA. Ihre Leistungen kurz nach ihrer Rückkehr nach Deutschland und zum Dreisprung versprachen den unmittelbar bevorstehenden Durchbruch in die internationale Spitze. Der wurde aber durch eine Fußverletzung verhindert.
Bei der Dreispringerin selbst kamen Fragen auf, ob sie immer die besten Entscheidungen getroffen habe und auf dem richtigen Weg sei. Und auch von außen gab es Ratschläge, alles ganz anders zu machen.
Den Zweifeln ein Ende machte die Hallen-DM in Leipzig. Ihr erster 14-Meter-Sprung führte zum ersten DM-Titel in der Frauenklasse. Nachdem in ihrer Karriere vieles früh kam oder ihr einfach zufiel, zahlten sich jetzt Geduld und langfristiges Vertrauen aus. „Für mich ist dieser Titel etwas ganz Besonderes“, erklärt die Athletin des TV Wattenscheid 01. Und die technische Auswertung ihres Siegesprungs zeigt Schwarz auf Weiß: Das ihr zugesprochene Potenzial für Flüge deutlich über die 14 Meter konnte sie endlich in die Tat umsetzen.
Turbostart in die Karriere
Die Geschichte von Jessie Maduka und der Leichtathletik begann bei einer Sichtungsaktion für Drittklässlerinnen und Drittklässler in ihrer Heimatstadt Düsseldorf. Dort fiel die damals Neunjährige dem erfahrenen Trainer Wolfgang Vander auf, der das Talent zum Training zuerst beim Düsseldorfer Sport-Club 1899 und dann zum ART Düsseldorf brachte. Von Anfang an war das Leistungsniveau hoch. Ob im Sprint, Weitsprung oder auch Dreisprung: Spielerisch positionierte sich die junge Athletin in ihrer Altersklasse vorne in Deutschland. „Ich habe nicht darüber nachgedacht, sondern einfach nur gemacht.“ Obwohl der dazugehörige Speerwurf so gar nicht ihr Ding war, klappte es zum Beispiel 2010 mit dem Titel der Deutschen Schülermeisterin im Blockmehrkampf Sprint/Sprung in der W14.
In ihrem ersten U18-Jahr sprintete die Nachwuchshoffnung die 100 Meter im Jahr 2012 in 11,76 Sekunden. Das brachte sie in die DLV-Staffel der U20-WM in Barcelona (Spanien), bei der die erst 16-Jährige das Staffelholz als Schlussläuferin zu Silber (44,24 sec) trug. Obwohl mit 5,95 Metern im Weitsprung und 12,21 Metern im Dreisprung starke Sprungleistungen standen, konzentrierte sie sich erst einmal auf den Sprint, da ihr das Springen im Zusammenhang mit ihrem Wachstum Knieschmerzen bereitete. Erfolge blieben auch ohne den Satz in die Grube: Auf nationaler Ebene erreichte die Schülerin in der U18 zwei deutsche Jugendmeistertitel über 100 Meter, auf internationaler Ebene Platz sieben bei der U18-WM in Donetsk (Ukraine).
Dort teilte sich die schnelle Sprinterin ein Zimmer mit der Elfplatzierten des Dreisprung-Wettbewerbs, Isabella Marten, die plante, nach ihrem Schulabschluss in den USA zu studieren. Auch Jessie Maduka gefiel diese Möglichkeit. Und ein Stipendium eröffnete nicht nur die Möglichkeit, einen weit entfernten Teil der Welt kennenzulernen und die Weichen für die berufliche Zukunft zu stellen, sondern auch den Sport weiter zu betreiben. So nahm die gerade einmal 18-Jährige im Herbst 2014 an der University of California in Los Angeles ein Psychologie-Studium auf. Geplant war der Aufenthalt zuerst nur für ein Jahr, es wurden dreieinhalb bis hin zum Bachelor-Abschluss.
Rückkehr zum Springen und dann auch nach Deutschland
Die Farben ihres College-Teams vertrat Jessie Maduka nicht nur im Sprint und der Staffel. Da sie inzwischen keine Knieschmerzen mehr hatte, ging die immer noch in der U20 startberechtigte Athletin wieder im Weitsprung an den Start. Und auch mit dem Flugzeug ging es häufig in die Luft. Denn neben den Wettkämpfen in den USA trat die Studentin etwa im Sommer 2015 auch bei der U20-EM in Eskilstuna (Schweden) an, wo sie mit 6,31 Metern den vierten Platz im Weitsprung belegte. Bei der Jugend-DM in Jena gewann sie anschließend mit 6,27 Metern den U20-Titel.
Auch an den Dreisprung wagte sich die geborene Düsseldorferin nach und nach zurück. „Dieses Gefühl vom Fliegen macht schon beim Weitsprung Spaß, und beim Dreisprung dauert es noch länger. Dazu macht mir das Sprungtraining einfach Spaß, und es ist eine Disziplin, die mich fordert.“ 2017 wurde der Dreisprung so zur Hauptdisziplin, wieder mit Einsätzen in der Wahlheimat USA und Europa. Mit Bestleistung von 13,61 Metern holte sich Jessie Maduka den deutschen U23-Meistertitel in Leverkusen und belegte anschließend den achten Platz (13,43 m) bei der U23-EM in Bydgoszcz (Polen).
Im Frühjahr 2018 kehrte die Bachelor-Absolventin dann in ihre Heimat Düsseldorf zurück. Die Möglichkeit, ihr Psychologie-Studium und ihre sportlichen Ambitionen weiter zu verfolgen, boten das Masterstudium an der Deutschen Sporthochschule Köln und die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit dem Deutschen Dreisprungrekordler Ralf Jaros als Trainer, der sie schon in ihrem Schüleralter in dieser Disziplin betreut hatte.
Vielversprechendem Neustart folgt komplizierte Verletzung
Gleich beim ersten Start in ihrer gefundenen Spezialdisziplin sprang mit Bestleistung von 13,81 Metern Silber bei der Hallen-DM der Frauen heraus. Nach ihrer endgültigen Rückkehr nach Deutschland folgte im Sommer 2018 die Steigerung auf 13,95 Meter und die Qualifikation für die Heim-EM in Berlin, wo mit 13,94 Metern nur elf Zentimeter fürs Finale fehlten. Es sah so aus, als sei der endgültige Vorstoß in die internationale Klasse nur eine Frage der Zeit, als wären die 14 Meter in greifbarer Nähe.
Doch es kam ganz anders. Jessie Maduka brach sich den Fuß – und das gleich an mehreren Stellen. Eine Verletzung, die niemand gebrauchen kann, eine Dreispringerin am allerwenigsten, denn der Fuß ist in dieser Disziplin großen Belastungen ausgesetzt. „Nicht nur der Heilungsprozess hat lange gedauert, ich habe mich auch später nicht mehr getraut, richtig auf den Fuß draufzuspringen. Bei Wettkämpfen haben mich immer wiederkehrende Schmerzen begleitet.“ Statt über die 14 Meter hinaus, ging das Leistungsniveau zurück. 2019 gelangen nur 13,32 Meter, 2020 13,57 Meter und 2021 immerhin wieder 13,85 Meter. Für die Zugehörigkeit zum Bundeskader reichte das jedoch nicht mehr.
Eine Stütze in dieser Zeit waren Starts im Sprint, die bewiesen, dass die Schnelligkeit nicht verlorengegangen war. „Klar habe ich mir Gedanken gemacht, ob Dreisprung das Richtige für so einen fragilen Fuß ist. Aber ich bin drangeblieben“, erzählt die Deutsche Hallenmeisterin. Zu Gute kam ihr auch, dass es nicht ausschließlich das Streben nach Erfolg und Bestleistungen ist, was sie mit der Leichtathletik und dem Training verbindet. „Es ist einfach auch eine schöne Beschäftigung, bei der ich mit Freunden und jahrelangen Begleitern zusammenkomme und etwas tue, was mir gut tut.“
Fußaufsatz leicht verändert
In geduldiger und behutsamer Zusammenarbeit mit Ralf Jaros ist es Jessie Maduka im Aufbau der zurückliegenden Wintersaison gelungen, den anspruchsvollen Bewegungsablauf auf den lädierten Fuß abzustimmen. „Ich setze den Fuß etwas anders auf, damit er nicht mehr so belastet wird. Dadurch habe ich keine Schmerzen mehr und die Blockade gelöst. Der Kopf ist vor dem Springen nicht mehr im Panikmodus, in dem er Schmerzen erwartet.“
Die Auswirkungen zeigt die Auswertung des Siegesprungs von Leipzig auf 14,00 Meter, erzielt ohne dass der Absprungfuß das Brett erreicht hatte. „Ich konnte meine Geschwindigkeit in den Sprung mitnehmen und auch innerhalb der Sprünge hoch halten.“ Der Schlüssel zum Erfolg im Dreisprung. „Dass ich am Brett 20 Zentimeter verschenkt habe, ist ärgerlich, aber erst einmal Nebensache. Nachdem ich 2018 die Aufmerksamkeit auf mich gezogen habe, diese dann abgeflacht ist, konnte ich jetzt zeigen, dass ich was draufhabe.“
Mit dieser Bestätigung für das Trainingskonzept im Rücken läuft die Vorbereitung auf die Sommersaison. Mit München (15. bis 21. August) ist die nächste Heim-EM das erklärte Ziel. Und auch die WM in Eugene (USA; 15. bis 24. Juli) ist im Hinterkopf. Die Normen von 14,25 Metern und 14,33 Metern liegen nicht weiter auseinander. Der Schritt in die internationale Spitze würde zum nächsten beruflichen Schritt passen, den die seit diesem Jahr für den TV Wattenscheid 01 startende Athletin geht. Im Mai tritt sie nach ihrem Masterabschluss ihre erste Teilzeitstelle als Psychologin an.
Video: Erster 14-Meter-Satz von Jessie Maduka ist Gold wert
Video-Interview: Jessie Maduka: "Hat gedauert, bis ich im Dreisprung angekommen bin"
Das sagt Bundestrainer Charles Friedek: |
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Jede Weiterentwicklung ist natürlich erfreulich. Eigentlich waren die 14 Meter längst überfällig, denn schon bei der Hallen-DM 2018 erreichte Jessie 13,81 Meter. In der Freiluftsaison waren es dann schon 13,95 Meter als beste Weite, und in der Qualifikation der Heim-EM konnte Jessie mit 13,94 Metern glänzen, ohne dabei den Balken getroffen zu haben. Bereits 2019 hätte man also die 14 vor dem Komma erwarten können, allerdings machte eine schwere Fußverletzung eine weitere Entwicklung zunichte. Die Folgen dieser Verletzung konnte man Jessie fast zwei Jahre lang anmerken, da das Springen und besonders das Anlaufen gehemmt wirkten.
Jessie ist groß, sehr schnell und auch sprunggewaltig. Körperlich hat sie die idealen Voraussetzungen für eine Dreispringerin. Ursprünglich vom Sprint kommend, traut sie sich nun, immer mehr Anlaufgeschwindigkeit in den Sprung zu transportieren. Ausgehend von ihrem Sprintpotenzial hat sie alleine hier noch Reserven, um sich weiter zu steigern. Technisch gefällt mir das Springen immer besser, klar gibt es da immer Kleinigkeiten zu verbessern, so spielt sie beispielsweise bei der Landung noch nicht ihre Beinlänge für eine effektive Landeweite aus.
Die Weite von 14,00 Metern bei der Hallen-DM wurde ohne Balken gesprungen, sodass bereits hier von einer effektiven Weite von 14,20 Metern gesprochen werden kann. Für die EM in München sind 14,25 Meter gefordert und für die WM in Eugene mit 14,32 Metern „lediglich“ sieben Zentimeter mehr. Kurzfristig gesehen, sollten also das Erreichen der Qualifikationsnormen für beide Großereignisse möglich sein. Langfristig würde ich Jessie Weiten deutlich über 14,50 Meter zutrauen.