| Interview

Malaika Mihambo: „Es erstaunt mich, dass ich für Menschen etwas ganz Besonderes sein kann"

Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) hat die Saisonpause dafür genutzt, nach einem anstrengenden Jahr nicht nur den Körper, sondern auch die Seele zu pflegen. Geholfen haben dabei eine intensive Kur – und Begegnungen mit den Menschen, die sie mit ihren Leistungen, ihrer Haltung und ihrer Persönlichkeit inspiriert. „Es erstaunt mich und es macht mich glücklich zu wissen, dass ich für Menschen etwas ganz Besonderes sein kann“, sagt sie. Dazu zählen auch die Kinder, denen sie mit ihrer Stiftung „Malaikas Herzsprung“ den Vereinssport ermöglicht. Wir haben mit ihr über die zurückliegenden Monate gesprochen und darüber, was sie weiter antreibt.
Silke Bernhart

Malaika Mihambo – Olympiasiegerin. Wie hört sich das heute ein paar Monate nach dem Gold für Sie an, haben Sie sich schon an diesen Titel gewöhnt?

Malaika Mihambo:

Ja, ich werde auch von vielen darauf angesprochen. Der Olympiasieg ändert aber gleichzeitig nichts an meinem Selbstverständnis, der Art und Weise, wie ich mich identifiziere. Daher messe ich selbst dem Titel gar nicht so viel Bedeutung bei. Es verändert sich auch gar nicht so viel.

Sie erkennen aber schon an meiner ersten Frage: In der sportinteressierten Öffentlichkeit hat ein Olympiasieg einen ganz besonderen Stellenwert. Merken auch Sie selbst da Unterschiede zum Beispiel im Vergleich zu Ihrem Weltmeistertitel? Gab es noch einmal mehr Reaktionen und Anfragen?

Malaika Mihambo:

Mich kennen jetzt noch mehr Leute, weil der Olympiasieg doch anders wahrgenommen wird in der Gesellschaft. Aber sonst ist es eigentlich die falsche Frage an mich – das kann Ihnen meine PR-Agentur ALBUS besser beantworten. Sie organisieren und koordinieren das alles und halten mir den Rücken frei. Ich war nach dem Saisonende auch erst im Urlaub, habe dann eine Woche Kur gemacht und war im Anschluss daran auch direkt im Trainingslager in Belek und habe mich viel der Uni gewidmet. Daher war gar nicht so viel Zeit Termine wahrzunehmen. Und das war auch genau richtig so für mich.

Sie haben kein Geheimnis daraus gemacht, dass die Saison und der Weg zum Olympiasieg viel Kraft gekostet haben. Wie hat sich das nach Tokio bemerkbar gemacht?

Malaika Mihambo:

Ich fand dieses Jahr unheimlich anstrengend. Das habe ich schon direkt nach Tokio gemerkt. Ich war sehr müde – und vermutlich würde ich nächstes Mal an so einem Punkt die Saison abbrechen. Dieses Mal habe ich mich durchgepeitscht. Aber die Vorbereitung auf die letzten Wettkämpfe war schwierig. Ich hatte schon in Tokio eine Fersenprellung, die ich ausheilen lassen musste und daher keinen Weitsprung mehr trainieren konnte. Was dazu führt, dass man in den Wettkämpfen den Körper motorisch nicht mehr so ansteuern kann, wie man es braucht, um weit zu springen. Auch Anlaufprobleme kamen wieder dazu. Der Hauptpunkt war aber, dass ich mental einfach zu k.o. war, um noch mehr aus den Wettkämpfen rauszuholen. Wenn man nicht 100 Prozent hat, kann man auch nicht 100 Prozent geben. Daher habe ich mich sehr auf meine Saisonpause gefreut.

Wie haben Sie diese Wochen genutzt, um wieder Kraft zu tanken?

Malaika Mihambo:

Ich war zweieinhalb Wochen im Urlaub, dieses Mal nicht in der Ferne, sondern in Europa. Ich genieße immer die Zeit, in der es mal nicht um Sport geht. Dann bewege ich mich zwar gerne, aber ich mache viele Dinge, die ich sonst nicht mache. Ich habe zum Beispiel das Windsurfen ausprobiert, das hat mir Spaß gemacht. Und dann war ich eine Woche in Österreich auf Kur, die sehr intensiv war. Ich konnte dort sehr viel lernen über eine gesunde Essenskultur – selbst wenn man denkt, man ernährt sich gesund, gibt es immer noch ein paar weitere Tricks und Kniffe. Zwar nimmt man auf so einer Kur auch ab, aber ich habe mich danach trotzdem sehr gut gefühlt und tue das auch immer noch. Das merke ich auch im Training. Ich glaube, ich konnte die Vorbereitung nach einer Saisonpause noch nie auf so einem hohen Niveau anfangen wie jetzt. Ich genieße es, mich gesund und fit zu fühlen und auch im Training die ersten Erfolge zu sehen.

Gab es Momente, die Ihnen in den vergangenen Monaten seit dem Gewinn der Goldmedaille besonders in Erinnerung geblieben sind? Jemanden, den Sie besonders glücklich oder stolz gemacht haben damit?

Malaika Mihambo:

Natürlich gab es viele positive Reaktionen. Aber meine Familie und Freunde kennen mich ja schon lange, hauptsächlich abseits der Sportlerrolle. Für sie macht das gar nicht so viel aus. Das Besondere für mich ist dann eher das Feedback von mir unbekannten Personen, die sich positiv begeistern lassen. Die Tränen in den Augen hatten, die mit mir im Wettkampf durch Höhen und Tiefen gehen. Die mir sagen: Ich habe ein Interview von dir gelesen, das hat mich sehr berührt. Manche hatten den Mut für Veränderungen, weil etwas, was ich gesagt habe, sie inspiriert hat. Das ist schön. Oder auch zu merken, dass ich für manche Menschen eine sehr intensive Bedeutung habe. Ich habe in diesem Jahr auch einen Menschen am Sterbebett besucht, und ich habe gesehen, dass das für diese Person sehr, sehr wichtig war. Es erstaunt mich und es macht mich glücklich zu wissen, dass ich für Menschen etwas ganz Besonderes sein kann. Und es gibt mir noch mehr Mut, den Weg so zu gehen, wie ich ihn gehe.

Nach der Saison beginnt die Zeit der Ehrungen. Sie wurden in diesem Jahr als „Sportlerin mit Herz“ ausgezeichnet – eine Würdigung für Ihr Engagement mit Ihrer Stiftung „Herzsprung“. Hat diese für Sie einen anderen Stellenwert als zum Beispiel die Auszeichnungen für Ihre sportlichen Leistungen?

Malaika Mihambo:

Ich denke, die Persönlichkeit spielt bei allen Auszeichnungen eine Rolle – gerade bei einer Publikumswahl oder auch einer Journalistenwahl. Da muss man auch menschlich überzeugen, nicht nur durch Leistung. Die Auszeichnung „Sportlerin mit Herz“ ist für mich eine sehr schöne, ich habe mich sehr darüber gefreut. Aber das wirklich Wichtige sind ja die Kinder, die man mit dem Projekt erreichen kann.

Mit dem Projekt „Malaikas Herzsprung“ ermöglichen Sie Kindern und Jugendlichen die Mitgliedschaft in einem Sportverein. Warum finden Sie das wichtig – welche Erfahrungen auch aus Ihrem eigenen Leben möchten Sie den Kindern mit auf den Weg geben?

Malaika Mihambo:

Man kann so viel lernen im Vereinssport! Durch soziale Interaktion, ein neues Umfeld, einen Ausgleich zur Schule… In der Schule haben einige Kinder ein Umfeld, das festgefahren ist, oder eine Rolle, in der sie sich nicht so wohl fühlen. Der Verein schafft andere soziale Kontexte, in denen man sich vielleicht wohler fühlt als in der Schule. Und man kann sich dort weiterentwickeln. Für mich persönlich war es immer schön, mich mit anderen zu messen, aber im Grunde ging es mir darum, mich selbst zu verbessern. Man kann lernen, wie man sich Ziele steckt. Wie man Durchhaltevermögen und Willensstärke aufbaut. Für mich geht es gar nicht so sehr um diesen Leistungsgedanken, sondern um die Persönlichkeitsentwicklung.

Sie selbst haben im Sport nun alle Freiluft-Titel gewonnen, die es zu holen gibt: den Europameistertitel, WM-Gold und den Olympiasieg. Stellt sich da auch bei einer Sportlerin mal das Gefühl der Zufriedenheit ein?

Malaika Mihambo:

Ich habe sehr viele Momente der Zufriedenheit, weil ich schon lange nicht mehr die Bestätigung im Äußeren suche, in Form von Titeln. Das habe ich schon sehr früh abgelegt. Für mich war es als Kind schon immer ein Ziel, mal eine Medaille zu gewinnen und an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Dann kam 2016 und ich habe beides erreicht und war erst 22. Daher geht es mir schon länger um anderes.

Was treibt Sie an?

Malaika Mihambo:

Die innere Meisterschaft steht bei mir im Vordergrund. Sich selbst, den Körper und den Geist, zu meistern. Ich bin super neugierig zu erfahren, wie weit ich springen kann, wo meine Grenzen sind. Was genau ich im Training machen kann, um noch weiter zu springen, auch im mentalen Trainingsbereich. Das sind die Sachen, die mich motivieren. Da ist die Neugier ungebrochen, unabhängig von dem, was ich bisher erreicht habe. Auch wenn ich schon jetzt mit Dankbarkeit auf meine bisherige Karriere zurückblicken kann.

Lassen Sie uns zum Schluss einen Blick voraus werfen –  trotz der zurzeit wieder besorgniserregenden Lage in der Corona-Pandemie, in der auch der Sport wieder Einschränkungen hinnehmen muss. Worauf freuen Sie sich im neuen Jahr 2022, sportlich und privat?

Malaika Mihambo:

Sportlich freue ich mich erstmal darauf, den Schwerpunkt in der ersten Jahreshälfte einfach auf das Training setzen zu können. Auf die Schnelligkeit. Und die Hallensaison nicht wieder in den gewohnten Strukturen auf Höchstleistungen getrimmt zu absolvieren. Dass ich mir jetzt einfach Zeit nehmen kann, mich mental weiter auszugleichen und gleichzeitig an meinen Schwächen zu arbeiten. Den Sprint zu stabilisieren, damit ich wieder ein stabiles Anlaufmuster habe. Und dann freue ich mich auch darauf zu testen, wie weit ich im Sommer damit komme. Für mich persönlich und abseits des Sportplatzes hoffe ich einfach, dass ich gesund bleibe und viele neue Dinge lerne – dann wäre ich eigentlich schon glücklich.

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