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Samantha Borutta – Familienangelegenheit Hammerwurf

Einige junge Aufsteigerinnen und Aufsteiger, ein Außenseiter, aber auch Athletinnen und Athleten, die schon seit Jahren zur DLV-Spitze zählen, haben bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig im zurückliegenden Sommer ihren ersten Titel auf nationaler Ebene gewonnen. Wir stellen sie vor, heute Hammerwerferin Samantha Borutta (TSV Bayer 04 Leverkusen).
Jan-Henner Reitze

Samantha Borutta
TSV Bayer 04 Leverkusen

Bestleistung:

Hammerwurf: 71,08 m (2021)

Erfolge:

U23-Europameisterin 2021
Silber U20-EM 2019
Deutsche Meisterin 2021

„Als kleines Kind bin ich schon mit der Deutschlandfahne durchs Wohnzimmer gerannt und habe davon geträumt, bei Olympia teilzunehmen“, erzählt Samantha Borutta. „Noch keine Ahnung hatte ich damals, in welcher Sportart.“ Schon im Alter von 21 Jahren hat sie sich diesen Traum erfüllt und ist auch für die kommenden Jahre die Hoffnungsträgerin des DLV, um im Hammerwurf der Frauen international vorne mitzumischen. Unterstrichen hat die Athletin des TSV Bayer 04 Leverkusen dies in den vergangenen Monaten auch mit ihrem Sieg bei der U23-EM, dem ersten DM-Titel bei den Frauen und den ersten 70-Meter-Würfen der Karriere.

Mit einer Steigerung der Bestleistung um mehr als fünf auf 69,00 Meter hatte der Aufstieg schon 2020 Fahrt aufgenommen. In diesem Sommer packte die Sportsoldatin nicht nur gut zwei weitere Meter drauf, sondern überzeugte auch mit konstanten Leistungen in der anspruchsvollen Disziplin.

„Einerseits habe ich im Training in allen Bereichen eine Schippe draufgelegt. In der Saisonvorbereitung war ich zwischenzeitlich nicht sicher, ob ich je wieder eine Treppe hochkomme“, erklärt die Olympiateilnehmerin ihre Entwicklung. „Andererseits habe ich durch meine Verbesserungen des Jahres 2020 Selbstvertrauen gewonnen, das ich in diesem Jahr mit in den Wettkampfring nehmen konnte.“

Eltern wachsen in Trainertätigkeit im Hammerwurf hinein

Sportbegeisterung liegt bei den Boruttas in der Familie und seitdem sie laufen konnte, ging Samantha Borutta in ihrer Heimat in Rheinland-Pfalz zum Leichtathletik-Training der TSG Mutterstadt. Dort war auch Mutter Anette als Trainerin aktiv. Ihre Tochter probierte sich zuerst in allen Disziplinen, zeigte aber vor allem Wurftalent. „Als ich so elf, zwölf Jahre alt war, hat mich deshalb Klaus Scheible angesprochen, der zum damaligen Zeitpunkt bei der TSG eine Hammerwerferin betreute. Ich habe es dann ausprobiert“, berichtet die heutige Leistungssportlerin.

Nicht nur sie entdeckte ihre Leidenschaft für den Hammerwurf, sondern auch ihre Eltern, die das Training übernahmen. Mutter Anette und Vater Peter lasen Fachliteratur, schauten unzählige Videos und tauschten sich mit anderen Hammerwurf-Trainern aus. So gelang eine behutsame Entwicklung von Trainergespann und Athletin, die zuerst in die nationale Nachwuchs-Spitze führte, zum Beispiel zum U18-Titel bei der Jugend-DM 2017 in Ulm mit dem Drei-Kilo-Hammer (63,72 m).

Alles auf den Hammerwurf ausgerichtet

Ohne größere Schwierigkeiten klappte auch der Übergang in die U20 und damit zum Vier-Kilo-Gerät. Gleich nach dem Aufstieg in die nächst höhere Altersklasse bedeutete der Winterwurf-Titel im Rahmen der Jugend-Hallen-DM 2018 (57,80 m) auch die Qualifikation für den U20-Länderkampf im französischen Nantes. „Als ich dort das erste Mal im Nationaltrikot starten durfte, hatte ich Tränen in den Augen“, erinnert sich die Hammerwerferin.

Der olympische Kindheitstraum hatte schon deutliche Formen angenommen und auch der Weg zur endgültigen Erfüllung begann, sich abzuzeichnen. Das war ein Motivationsschub, der immer weiter gestärkt wurde: Es folgten drei weitere Titel bei der Jugend-DM, die Teilnahme an der U20-WM 2018 in Tampere (Finnland) und Silber bei der U20-EM 2019 in Boras (Schweden). Damit war für die heute 21-Jährige endgültig klar: Ich setze voll auf den Hammerwurf und ordne dem Sport nach dem Schulabschluss alles unter.

Sie  bekam einen Platz in der Sportfördergruppe der Bundeswehr und nahm ein Fernstudium in Wirtschaftspsychologie auf. „Für den Bachelor habe ich bis zu sieben Jahre Zeit. Den möchte ich auf jeden Fall machen. Der Sport steht aber an erster Stelle“, sagt Samantha Borutta, die weiterhin von ihren Eltern trainiert wird. Unterstützung aus der Familie kommt übrigens auch von ihrem Bruder, der ihre Homepage erstellt hat.

2021 Saison der Superlative

Was das Training angeht, ist der Austausch mit Bundestrainer Helge Zöllkau immer enger geworden. Regelmäßig stehen auch Lehrgänge oder Leistungsdiagnostiken in Leverkusen auf dem Programm. Und auch was den Verein angeht, erfolgte nach vielen Erfolgen im Trikot der TSG Mutterstadt zu Jahresbeginn der Wechsel zum TSV Bayer 04 Leverkusen. Und gleich eine ganze Reihe weiterer Meilensteine in Richtung internationaler Karriere wurden erreicht.

Ob nun die Bestleistung früh in der Saison bei ihrer ersten Team-EM in Chorzów (Polen; 69,35 m), der erste DM-Titel bei den Frauen inklusive erstem 70-Meter-Wurf (70,56 m) in Braunschweig, die erfolgreich genutzte Chance sich beim Meeting in Luzern (Schweiz; 69,38 m) über das World-Ranking die eigentlich außer Reichweite erscheinende Olympia-Quali zu sichern, Gold bei der U23-EM in Tallinn (Estland; 68,80 m) oder die Olympia-Quali in Tokio (Japan; 67,38 m): Das Jahr 2021 hielt weit mehr bereit als erhofft.

„Es ging Schlag auf Schlag und mir blieb wenig Zeit zum Genießen oder auch nur zum Realisieren“, erzählt Samantha Borutta. „Im Nachhinein muss ich sagen: Das war schon stark.“

Nächstes Ziel Heim-EM in München

Damit Erwartungsdruck oder Nervosität möglichst keinen negativen Einfluss auf die sensible Technik haben, versucht die U23-Europameisterin die Konkurrenz im Wettkampf auszublenden und sich nur auf sich selbst zu konzentrieren. „Nach der Olympia-Quali habe ich mir den Wettkampf noch einmal angeschaut, um zu sehen, was die anderen gemacht haben. Mir war klar, dass mich die Situation dort erdrücken wird. Ich wollte vor allem locker werfen.“

Der ursprüngliche Kindheitstraum der Olympia-Teilnahme ist also schon erfüllt. Es gibt aber längst neue Ziele und die erfolgreiche Entwicklung der vergangenen Jahre hat nicht nur Lust auf mehr gemacht, sondern auch gezeigt, dass auch das Potenzial für weitere Steigerungen vorhanden ist.

Die kontinuierliche und bewährte Trainingsarbeit soll weitergehen, mit der Heim-EM in München ist das nächste Ziel schon angepeilt. Ob es vorher auch für die erste WM in Eugene (USA) reicht, will die Durchstarterin auf sich zukommen lassen, sie würde aber natürlich gern weitere internationale Erfahrung sammeln und ihren Kindheitstraum weiter leben. „Jedes Mal, wenn ich im Nationaltrikot starten darf, erfüllt mich das mit Stolz.“

Video-Interview: Samantha Borutta: "Ich möchte meinen eigenen Namen bekannt machen"

Das sagt Bundestrainer Helge Zöllkau:

„Samantha hat sich über Jahre kontinuierlich und verletztungsfrei weiterentwickelt. Vor allem technisch hat sie sich in den vergangenen beiden Jahren wesentlich verbessert. Neben der Weiterentwicklung der Leistungsfähigkeit, kommt es natürlich auch darauf an, diese im Wettkampf auf den Punkt zu bringen. Das ist ihr vor allem bei den Deutschen Meisterschaften gelungen, als sie im sechsten Durchgang noch erstmals die 70 Meter übertroffen hat, obwohl sie schon als Siegerin feststand. Bei der U23-EM war die Nervosität etwas größer, die Quali war etwas wackelig. Im Finale war auch noch etwas mehr drin.

Technisch versuchen wir den Eingang zu verändern. Die letzte Drehung und den Abwurf macht Samantha schon sehr gut. Wichtig ist, dass sie etwas ruhiger beginnt und den Radius verlängert. Wenn sie unter Stress ist, macht sie das etwas kurz und zu steil.

Samantha ist sehr fokussiert und hundertprozentig auf die Hammerwurfleistung aus. Das wichtigste ist und bleibt, gesund durchzukommen. Wenn es weiter funktioniert wie bisher, dann ist jedes Jahr eine Steigerung um anderthalb bis zwei Meter möglich. Das geht natürlich nicht unendlich weiter. Aber bis 2024 könnte sie eine Weite um 75, 76 Meter werfen. Alle Komponenten sind ausbaufähig. Die Kunst ist, keine einzelne zu überziehen. Eine gleichmäßige Entwicklung ist wichtig. Zu große Sprünge in der Maximalkraft machen beispielsweise die Koordination kaputt.“

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