Der große Favorit hat sich zum zweiten Mal in Folge die Marathon-Krone aufgesetzt: Weltrekordler Eliud Kipchoge rannte am Sonntag in Sapporo ungefährdet zum zweiten Olympiasieg. Richard Ringer und Amanal Petros liefen in die Top 30.
Olympische Spiele 2021
Wie heißt es so schön: Bei Kilometer 30 fängt der Marathon erst richtig an. Und das traf am Sonntag auch auf den olympischen Wettbewerb in Sapporo zu. Bis Kilometer 28 war eine große Gruppe an der Spitze beisammen, aus der sich aus dem Kreise der Favoriten unerwartet früh die Äthiopier Shura Kitata und Sisay Lemma verabschiedet hatten. Etwa 30 Athleten hatten im Pulk die Halbmarathon-Marke überquert, unter ihnen auch der Deutsche Rekordhalter Amanal Petros (TV Wattenscheid 01). Rund fünf Kilometer darauf begann die entscheidende Rennphase.
Wieder einmal war es Weltrekordler Eliud Kipchoge, der dem Rennen seinen Stempel aufdrückte. Auf der ersten Hälfte scheinbar mühelos immer in der ersten Reihe unterwegs, stets aufmerksam, aber noch zu Scherzen mit den Konkurrenten aufgelegt, erhöhte der Kenianer ab Kilometer 28 das Tempo, und die große Gruppe fiel Meter um Meter auseinander. Bei Kilometer 35 hatte Kipchoge bereits fast 30 Sekunden Vorsprung, fünf Kilometer darauf waren es 1:17 Minuten – und der Olympiasieg war vergeben. Seine Zeit im Ziel: 2:08:38 Stunden.
Silber und Bronze für Europa
Spannend wurde es im Kampf um Silber und Bronze. Mit dem Antritt von Kipchoge formierte sich hinter ihm eine Vierergruppe, in der sich dessen Landsmann Lawrence Cherono sowie Ayad Lamdassem (Spanien), Bashir Abdi (Belgien) und Abdi Nageeye (Niederlande) belauerten. Dahinter versuchte der Japaner Suguru Osako, angefeuert von zahlreichen Zuschauern an der Strecke, den Anschluss zur Gruppe wieder herzustellen.
Die Entscheidung fiel erst auf den letzten 100 Metern, auf denen Abdi Nageeye (2:09:58 h) den besten Sprint hatte. Mit heftigem Winken lotste er auch Bashir Abdi (2:10:00 h) noch an dem lange in der Gruppe für Tempo sorgenden Lawrence Cherono (2:10:02 h) vorbei, der sichtlich enttäuscht ohne Medaille ausging. Sowohl Nageeye als auch Abdi wurden in Mogadishu in Somalia geboren, für ihre neue Heimat holten sie die ersten olympischen Marathon-Medaillen seit 1980 (Niederlande) und 1976 (Belgien).
Amanal Petros lange vorne mit dabei
Ein mutiges Rennen machte aus deutscher Sicht Amanal Petros (TV Wattenscheid 01). Lange hielt er sich in der Spitzengruppe auf, ging aufmerksam dem größten Trubel aus dem Weg und präsentierte sich vorne im Feld. Ab Kilometer 26 jedoch musste er abreißen lassen, und in der Folge machte sich dann auch der vierwöchige Trainingsausfall in der Vorbereitung bemerkbar, den er nach einem Sturz im Training einlegen musste. Auf Platz 30 kam er schließlich nach 2:16:33 Stunden ins Ziel.
Besser hatte sich Richard Ringer (LC Rehlingen) in seinem erst dritten Marathon überhaupt das Rennen eingeteilt. Zwar verabschiedete er sich bereits vor der 10-Kilometer-Marke aus dem Pulk der großen ersten Gruppe und musste anschließend erst einmal einige Kilometer alleine weiterlaufen. Dann aber fand er eine Gruppe und konnte später noch das Feld mit vielen Ausfällen von hinten aufrollen. In 2:16:08 Stunden sorgte er auf Platz 26 für das beste deutsche Ergebnis.
Hendrik Pfeiffer (TV Wattenscheid 01) ging das Rennen am defensivsten an und feierte schon mit dem Erreichen des Ziels in einem für alle Teilnehmer großen Kraftakt einen Achtungserfolg. 2016 hatte er den Olympia-Start von Rio verletzungsbedingt absagen müssen, auch die Vorbereitung auf 2021 war nach erfüllter Norm im Februar 2020 von einigen Rückschlägen geprägt. In 2:20:43 Stunden belohnte er sich für das Durchhalten mit dem Finishen des olympischen Marathons auf Platz 50 von etwa 100 Teilnehmern.
STIMMEN ZUM WETTBEWERB
Amanal Petros (TV Wattenscheid 01):
Es war anfangs ein sehr gutes Rennen, ich habe mich sehr gut gefühlt, so ungefähr bis Kilometer 32, 33. Danach ist mein Oberschenkel fest geworden, sodass ich nicht mehr so gut laufen konnte und mein Schritt jeden Kilometer kürzer geworden ist. Es gab viele Kurven, wir mussten viel Wasser trinken und über uns kippen, da ist man dann auch viel gerutscht. Es war nicht leicht und die Hitze war brutal hart. Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die an mich geglaubt haben. Ich hoffe, ich habe euch nicht enttäuscht! Ich habe viele Erfahrungen gesammelt und kann mich noch viel verbessern. Es war nicht mein letzter Wettkampf, ich nehme die Erfahrung mit und gebe bei der nächsten Gelegenheit wieder alles für eine Bestzeit.
Richard Ringer (LC Rehlingen):
Das Rennen verlief, wie ich es erwartet habe, und ich habe meine Ziele auch gut erreicht – ich wollte in die Top 30 laufen und es ist der 26. Platz geworden. Was die Kühlung betrifft, bin ich den Gehern sehr dankbar, dass sie mich etwas aufgeklärt haben. Das hat extrem viel ausgemacht. Es ist sehr viel passiert auf der Strecke, mal eine Flasche nicht gekriegt, mal fast gestürzt, mein Hemd wurde fast zerrissen, als ich beim Sturz mit runtergezogen wurde. Es hat sich angefühlt wie sieben Katzenleben – ich habe immer wieder eine neue Luft bekommen. Von hinten kamen weniger, als mir von vorne entgegenkamen. Das war trotzdem ein positives Gefühl. Am Anfang war es mir etwas zu schnell, da habe ich mich nicht ganz so locker gefühlt, aber der Wind kam mir entgegen, daher war es heute von der Temperatur her okay. Wenn es allerdings noch heißer gewesen wäre, wären die vorne vielleicht nicht so schnell gelaufen und ich hätte länger mithalten können.
Hendrik Pfeiffer (TV Wattenscheid 01):
Ich bin super stolz, hier so angekommen zu sein. Im Vergleich zur Vorleistung habe ich noch mal 25 Plätze gutgemacht und absolut mein Ziel erreicht. Es war ein riesen Erfolg, überhaupt hierhin gekommen zu sein und die Rückschlagsserie verarbeitet zu haben. Es ging ja schon los 2016 mit EM, Olympia, 2018 EM, 2020 EM – immer qualifiziert, immer ist irgendwas dazwischengekommen, Verletzung oder Corona. Jetzt hat sich dieser Kreis endlich geschlossen, da bin ich sehr, sehr stolz drauf. Ich freue mich auch über das super Team-Ergebnis, ich denke, alle drei Deutschen haben sich super verkauft. Wir haben hier viele Erfahrungen mit der Hitze gesammelt, wie man da durchkommt und damit arbeitet, das hat auch gut funktioniert. Gerade bei den Bedingungen kann man auf die Zeiten nicht gucken, da war es wirklich ein Kampf um jeden Platz. Gerade hintenraus, den einen oder anderen noch eingesammelt zu haben. Ich habe einige hinter mir gelassen, die von den Vorleistungen noch deutlich schneller einzuschätzen waren. Jeden, den ich da einfangen konnte, das war ein kleiner Sieg, und darüber freue ich mich sehr.
Tono Kirschbaum (Bundestrainer Langstrecke Frauen, Heimtrainer Petros & Pfeiffer):
Insgesamt war das unter schwierigen Bedingungen eine ganz große kämpferische Leistung von allen Dreien. Die beiden Ersten sind im ersten Drittel und Hendrik in der ersten Hälfte ins Ziel gelaufen. Unsere Ansprüche sind durchaus noch etwas höher, aber im Marathon ist man auch immer abhängig von Bedingungen und vom Training im Vorfeld. Das war ja leider ein bisschen eingeschränkt, bei Aman durch den Sturz, bei Hendrik durch Corona. Ich finde es gut, dass Aman etwas riskiert hat und versucht hat, sich da vorne in der ersten Gruppe festzusetzen. Es wäre sonst sicherlich auch schwierig gewesen bei dem Wind, wenn er alleine gelaufen wäre. Ich bin mir sicher, dass er mit dieser Taktik und diesem Mut auch noch mal ein ganz großes Ding reißen wird. Das Rennen war ein wichtiger Schritt in Richtung München, um da ganz weit vorne mitrennen zu können. Die EM nächstes Jahr findet auch im Sommer statt, dort werden wir mit Sicherheit die Erfahrung, die wir hier gesammelt haben, auch umsetzen können. Ich hoffe, dass die Jungs gesund bleiben und dementsprechend auch ein gutes Ding abliefern können.
Olympische Spiele 2021