| Olympische Spiele 2021

Tokio Tag 9 | Ingebrigtsen-Jubel, amerikanische Staffel-Dominanz und deutsches Speerwurf-Pech

Am letzten Tag der olympischen Leichtathletikwettkämpfe in Tokio (Japan) hatte vor allem Johannes Vetter noch einmal auf deutsches Edelmetall gehofft. Doch der Weltjahresbeste musste sich bereits nach drei Versuchen aus dem Wettkampf verabschieden, auch Teamkollege Julian Weber blieb nur Rang vier. Jubeln durfte hingegen Jakob Ingebrigtsen: Der Norweger holte sich Gold über 1.500 Meter. Sifan Hassan rannte über 10.000 Meter zum zweiten Gold, Konstanze Klosterhalfen belegte einen starken achten Platz. Die elfte olympische Plakette sackte Allyson Felix als Teil der überlegenen US-Staffel über 4x400 Meter ein.
Svenja Sapper mit dpa

Olympische Spiele 2021 kompakt

Der Weltjahresbeste im Speerwurf erlebte am Samstag im Olympiastadion von Tokio einen rabenschwarzen Tag: Nach 82,52 Metern im ersten Versuch hatte Johannes Vetter (LG Offenburg) in den darauffolgenden Durchgängen sichtlich Probleme und rutschte beim Abwurf immer wieder weg. Zwei ungültige Würfe waren die Folge. Machtlos musste der zweitbeste Speerwerfer der Geschichte mitansehen, wie ihn der Belarusse Aliaksei Katkavets aus den Top Acht verdrängte. Es blieb somit bei Rang neun für den Weltmeister von 2017. "Die Leute haben probiert, die Anlage mit Eis herunterzukühlen. Die Anlage kann man nach dem Wettkampf in die Tonne kloppen. Es ist gefährlich, es ist nicht gesund", kritisierte der Weltmeister von 2017 im ZDF. "Manche kommen auf allen Belägen klar, andere rutschen weg. Das ist bitter, aber was soll ich jetzt machen?"

Pech hatte auch der zweite deutsche Starter Julian Weber. Bis zum fünften Versuch hatte er hinter Neeraj Chopra (Indien) und Vitezslav Vesely (Tschechien) auf dem dritten Rang gelegen und bereits im ersten Versuch seine Saisonbestleistung um 35 Zentimeter auf 85,30 Meter gesteigert. Dann jedoch packte Veselys Landsmann Jakub Vadljech 86,67 Meter aus und setzte sich auf Rang zwei. So blieb es bis zum Ende des Wettkampfes. "Das ist komplett verrückt. Ich bin happy, ich habe Saisonbestleistung geworfen, ich habe gezeigt, was ich draufhabe", zeigte sich Weber trotz der knapp verpassten Medaille zufrieden.

Olympiasieger wurde Chopra, der bereits in der Qualifikation den besten Wurf gezeigt hatte, mit 87,58 Metern und blieb dabei nur einen guten halben Meter unter seiner im März aufgestellten Bestleistung. Auch sein zweitbester Versuch auf 87,03 Meter hätte zum Titel gereicht. Chopra krönte sich mit seinem Sieg zu Indiens erstem Leichtathletik-Olympiasieger überhaupt. Die weiteren Medaillen gingen an Vadljech und Vesely, der mit 38 Jahren zum zweiten Mal nach 2012 eine olympische Bronzemedaille mit nach Hause nehmen durfte. Mit 85,44 Metern erzielte der Tscheche im olympischen Finale seine beste Weite seit sechs Jahren.

Jakob Ingebrigtsen in Rekordlaune

Seit Fermin Cacho, der 1992 im heimischen Barcelona (Spanien) triumphiert hatte, konnte kein Europäer mehr bei Olympischen Spielen über 1.500 Meter das oberste Podest erklimmen. Ein 20-jähriger Norweger trat in Tokio an, um das zu ändern: Jakob Ingebrigtsen. Der Europameister sorgte von Beginn an für das Tempo und setzte sich schließlich gemeinsam mit seinem schärfsten Konkurrenten aus Kenia Timothy Cheruiyot und dem Australier Stewart McSweyn ab. Während der Australier zurückfiel und am Ende Platz sieben belegte, attackierte Ingebrigtsen und war für Cheruiyot nicht mehr zu halten. Im 13. Duell der beiden Weltklasseläufer triumphierte erstmals der Norweger. Mit einer starken Renneinteilung schob sich Josh Kerr (Großbritannien) auf Rang drei vor und hätte beinahe auch Cheruiyot noch überholt.

Ingebrigtsen verbesserte seinen eigenen, im vergangenen Jahr in Monaco aufgestellten Europarekord um 36 Hundertstel auf 3:28,32 Minuten und pulverisierte dabei auch den olympischen Rekord (3:31,65 min), den der Kenianer Abel Kipsang erst im Halbfinale aufgestellt hatte. Gleich sechs Athleten unterboten diese Marke. Erstmals seit dem Doppelsieg der beiden Briten Sebastian Coe, heute World Athletics-Präsident, und Steve Cram 1984 standen über 1.500 Meter zwei Europäer auf dem 1.500-Meter-Podium.

Konstanze Klosterhalfen Achte in Weltklassefeld

Sie lief ihr eigenes Rennen und ließ sich von der starken Konkurrenz nicht beeindrucken: In 31:01,97 Minuten ist Konstanze Klosterhalfen (TSV Bayer 04 Leverkusen) in ihrem erst zweiten 10.000-Meter-Rennen auf Rang acht gelaufen. Dabei verfehlte sie den deutschen Rekord nur um 26 Hundertstelsekunden. Vorne ging die Post ab: Nach dem 5.000-Meter-Sieg und Bronze über 1.500 Meter holte sich die Niederländerin Sifan Hassan in 29:55,32 Minuten ihre dritte Medaille ab. Silber ging an Kalkidan Gezahegne aus Bahrain (29:56,18 min) vor Weltrekordlerin Letesenbet Gidey (Äthiopien; 30:01,72 min), die das Feld früh auseinandergezogen und lange das Tempo bestimmt hatte, aber Hassans starkem Antritt letztlich nicht folgen konnte.

Mit ihrem Auftritt war Konstanze Klosterhalfen nach dem Rennen im Reinen. Wegen eines Belastungssyndroms im Becken hatte die 24-Jährige in diesem Jahr länger aussetzen müssen. "Wir haben gedacht, Top Acht wäre echt krass. Ich bin aber superglücklich, dass ich das so geschafft habe. Für acht Wochen Training motiviert mich das nur noch mehr", strahlte die Deutsche Rekordlerin. Nach Hassan war die 24-Jährige zweitbeste Europäerin und erzielte die beste Platzierung einer Deutschen über 10.000 Meter, seit Uta Pippig 1992 auf Rang sieben gelaufen war. Für das beste deutsche Marathon-Ergebnis seit 1996 sorgte bereits am Morgen Melat Kejeta (Laufteam Kassel) mit Platz sechs. Die Berlinerin Deborah Schöneborn und Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt) erreichten beim Sieg von Peres Jepchirchir die Plätze 18 und 31.

US-Dominanz über 4x400 Meter

Mit Bronze über 400 Meter hatte Allyson Felix am Freitag ihre zehnte olympische Medaille gewonnen. Die elfte ließ sie am Samstag über 4x400 Meter folgen – in beeindruckender Manier: Das US-Quartett mit Felix, den 400-Meter-Hürden-Stars Sydney McLaughlin und Dalilah Muhammad sowie 800-Meter-Olympiasiegerin Athing Mu dominierte das Rennen von Beginn an und hatte im Ziel fast vier Sekunden Vorsprung. In 3:16,85 Minuten rannten die vier Spitzenathletinnen die fünftschnellste jemals gelaufene Zeit. Seit 1993 war kein Team mehr schneller gewesen. Polen erkämpfte in 3:20,53 Minuten Silber in Landesrekordzeit vor den Jamaikanerinnen (3:21,24 min). Zum ersten Mal seit 1996 reichten die 3:21,84 Minuten, die Kanada als viertplatziertes Team auf die Bahn brachte, nicht zu einer Medaille.

Die Frauen hatten vorgelegt, kurz danach zogen die Männer nach: In der Einzelkonkurrenz über 400 Meter waren die USA leer ausgegangen, doch in der 4x400-Meter-Staffel ließen sie der Konkurrenz keine Chance. In 2:55,70 Minuten verfehlten Michael Cherry, Michael Norman, Bryce Deadmon und 400-Meter-Hürden-Vizeolympiasieger Rai Benjamin den olympischen Rekord (2:55,39 min), den 2008 in Peking (China) ebenfalls ein Quartett der "Stars and Stripes" aufgestellt hatte, nur knapp.

Silber ging überraschend an die Niederlande um 400-Meter-Finalist Liemarvin Bonevacia, in 2:17,18 Minuten schneller denn je. Bronze holte Botswana in Afrikarekordzeit (2:57,27 min). Auch für Belgien auf Rang vier (2:57,88 min) und Italien auf dem sechsten Rang (2:58,81 min) gab es nationale Bestmarken. Mit vier Teams, die 2:58 Minuten unterboten, sowie sieben unter 2:59 Minuten und allen acht Teams unter 3:01 Minuten war es das in der Breite stärkste 4x400-Meter-Rennen der Geschichte.

Jungfleisch mit guter Leistung Zehnte

In der Qualifikation hatte Marie-Laurence Jungfleisch mit 1,95 Metern den besten Wettkampf des Jahres gezeigt. Im Finale folgte der zweitbeste: Erst an der neuen Saisonbestmarke von 1,96 Metern scheiterte die Hochspringerin vom VfB Stuttgart. Mit im zweiten Versuch übersprungenen 1,93 Metern belegte sie Rang zehn.

Die Welt- und Europameisterin ist nun auch die Olympiasiegerin im Hochsprung: Mariya Lasitskene, die unter neutraler Flagge startet, steigerte ihre Saisonbestmarke um vier Zentimeter auf 2,04 Meter und setzte sich damit gegen Nicola McDermott (Australien), die ihren eigenen Ozeanienrekord um einen Zentimeter auf 2,02 Meter nach oben schraubte, und die Weltjahresbeste aus der Ukraine Yaroslava Mahuchikh (2,00 m) durch. Die drei Medaillengewinnerinnen überquerten als Einzige die Zwei-Meter-Marke.

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