Ihre ältere Schwester Lena Schöneborn war 2008 Olympiasiegerin im Modernen Fünfkampf. Jetzt fahren ihre jüngeren Zwillingsschwestern, die Marathonläuferinnen Deborah und Rabea, zu den Sommerspielen. Und das in einer sehr ungewöhnlichen Konstellation.
Ein sonniger Sommermorgen um halb acht im Engadin. Deborah und Rabea Schöneborn sind zum Dauerlauf über 33 Kilometer auf der Flugplatzrunde in Celerina unweit der Bobbahn von St. Moritz unterwegs. Die Schweizerin Fabienne Schlumpf hat sich mit den Schöneborns durch das traumhafte Bergpanorama auf den Weg gemacht. Eine Traumkulisse für Olympische Ambitionen. Insgesamt 198 Kilometer haben die Schöneborns in dieser Woche zurückgelegt. "Lange laufen machen wir sehr gerne", sagen sie unisono, "dennoch muss man auch haushalten".
Rabea und Deborah Schöneborn von der LG Nord Berlin sind als Europas derzeit schnellste Marathon-Zwillinge zwei Senkrechtstarter. Gleich bei ihrem ersten Rennen über die 42,195 Kilometer haben die beiden Läuferinnen die Olympia-Norm (2:29:30 Stunden) unterboten.
Acht Sekunden
Deborah lief im Dezember 2020 in Valencia (Spanien) mit ihren 2:26:55 Stunden auf Rang drei der deutschen Nominierungsrangliste, sie wird am 7. August in Sapporo ihr Olympia-Debüt geben. Ihre Zwillingsschwester Rabea kam Ende April in Enschede (Niederlande) auf 2:27:03 Stunden. Sie war somit nur acht Sekunden langsamer und ist damit die Viertbeste im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). Acht Sekunden, die den Unterschied für die Tokio-Teilnahme ausmachen. "Ich wollte ihr eigentlich schon das Olympia-Ticket wegschnappen", sagt Rabea.
Immerhin konnte die 27-Jährige das Höhentrainingslager mit absolvieren. Doch nur wenn niemand von den drei deutschen Starterinnen – neben ihrer Zwillingsschwester sind das Melat Kejeta (Laufteam Kassel) und Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt) – ausfällt, darf sie nach Sapporo nachreisen. Ansonsten heißt es Daumen drücken für die Zwillingsschwester. "Dann ist geplant, in Berlin mit Freunden und Sponsoren eine olympische Nacht vor der Videowand zu feiern, weil der Start nach unserer Zeit um Mitternacht erfolgt", erklärt Rabea Schöneborn.
Vom Modernen Fünfkampf zum Marathon
Die Schöneborns – mehr Zwillinge geht eigentlich nicht: Sowohl was ihr Äußeres betrifft als auch ihre Entwicklung und ihre sportliche Leistungsfähigkeit sind sie kaum auseinanderzuhalten. Sie kommen aus einer extrem sportlichen Familie und haben in Bonn mit dem Modernen Fünfkampf begonnen. Das Duo wandelte damit auf den Spuren ihrer acht Jahre älteren Schwester Lena Schöneborn, ihrem Vorbild. Diese war jahrelang eine der besten Fünfkämpferinnen der Welt und holte 2008 in Peking (China) Olympia-Gold.
"Weil diese Sportart extrem zeitaufwendig ist, sind wir nach Berlin gegangen, um Sport und Studium kombinieren zu können", sagt Rabea. "Drei Jahre später haben wir mit dem Laufen begonnen", ergänzt die um fünf Minuten ältere Deborah. Ihr Vater hat als ehemaliger Langstreckenläufer den Töchtern eine Urlaubsreise angeboten – wenn sie seine Bestzeiten unterbieten.
Laufen ist zu ihrer Leidenschaft geworden, dennoch haben die Schöneborns ständig ihre duale Karriere forciert und ihr Studium beendet. Rabea will als Psychologin in die Wirtschaft, Deborah hat ihr praktisches Jahr als Ärztin hinter sich und schließt derzeit ihre Doktorarbeit an der Berliner Charité ab.
Das Ziel: In Paris 2024 gemeinsam an der Startlinie
Deborah Schöneborn ist zur Olympia-Vorbereitung für sechs Wochen ins schweizerische St. Moritz gefahren, die nur minimal jüngere Schwester begleitet sie vier Wochen lang. Sie absolvieren im Synchronschritt auf der Bahn Tempoläufe über 15 mal 400 Meter. Werner Klein, Leitender Bundestrainer Lauf im DLV, steht mit der Stoppuhr am Rand.
"Ich möchte in Sapporo in die erste Hälfte des 80-köpfigen Starterfelds kommen", lautet das Ziel für Deborah. Ein wenig Angst vor der Hitze in Japan hat sie schon. "Ich freue mich dennoch auf diesen Marathon und auf freundliche Olympische Spiele", sagt sie. Über den DLV hat sie eine Anfrage für einen Video-Chat mit japanischen Schulkindern erhalten. Japan sei laufbegeistert. Genauso wie die Schöneborn-Zwillinge, deren gemeinsames sportliches Ziel längst feststeht: "In drei Jahren wollen wir gemeinsam zu den Olympischen Spielen nach Paris fahren."