| Interview vor Tokio

Malaika Mihambo: „Ich glaube an mich“

Die letzte Wettkampf-Reihe ist beendet. Jetzt heißt es: voller Fokus auf die Olympischen Spiele in Tokio! Wir konnten vorher noch einmal mit Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) sprechen, die uns von einer aufreibenden Saison, neuen Erkenntnissen und neuer Stärke erzählt hat. Und nun ebenso gelassen wie optimistisch nach Tokio reist.
Silke Bernhart

Malaika Mihambo, hinter Ihnen liegt eine Wettkampf-Serie, die eine vielversprechende Leistungssteigerung gebracht hat – aber zuletzt auch das Meeting in Gateshead, wo es weniger gut lief. Welche Erkenntnisse nehmen Sie mit auf die Reise nach Tokio?

Malaika Mihambo:

Die Wettkampf-Serie war sehr gut und wichtig: Ich habe über die Diamond League wieder in meinen Anlauf zurückgefunden. Ich hatte drei Wettkämpfe innerhalb von einer Woche und habe dann eine Woche durchtrainiert und noch mal einen sehr intensiven Trainingsblock gesetzt. In Gateshead war ich einfach platt. Da hat man gemerkt, dass die Luft raus ist. Dennoch war auch dieser Wettkampf wichtig. Ich habe mich mental richtig reingebissen, trotz der schwierigen Umstände. Es war sehr kalt, die Beine waren müde, mein Anlauf hat überhaupt nicht gepasst – ich bin fast zwei Meter weniger angelaufen als in Stockholm. Darauf muss man sich erstmal einstellen. Und sich dann noch mal zurückzukämpfen, erst auf Platz vier, dann auf Platz drei, und am Ende Zweite zu werden, das war doch ganz gut.

Am 1. August findet im Olympiastadion von Tokio die Weitsprung-Qualifikation statt. An welchen Stellschrauben kann man jetzt noch im Training drehen?

Malaika Mihambo:

Jetzt kommt ein bisschen Ruhe rein. Die allgemeine Trainingsbelastung sinkt und die Intensitäten werden nur noch vereinzelt zu Spitzen wieder hochgeschraubt. Es geht um die Regeneration und darum, ausgeruht und in vollem Saft in Tokio im Wettkampf zu stehen.

Wie wichtig ist in dieser Phase, aber auch im vorherigen Saisonverlauf, das Vertrauen darauf, gemeinsam mit dem Trainer und dem Team auf dem richtigen Weg zu sein?

Malaika Mihambo:

Sehr wichtig! Und ich muss sagen, dass mir der Glaube an mich selbst in den vergangenen Monaten teilweise sehr schwer gefallen ist. Wenn man mit der Vorstellung reingeht: „Ich knüpfe jetzt einfach da an, wo ich 2019 aufgehört habe“ und dann sieht, dass es nicht klappt, dann kommen natürlich Zweifel auf und man fragt sich: „Schaffe ich das überhaupt noch? Mache ich alles richtig?“ Plötzlich kommt das Druckempfinden dazu. Das Gefühl, dass man der Favoritenrolle nicht mehr gerecht wird. Ich hatte das Gefühl, dass ich von der Jägerin zur Gejagten werde und nicht mithalten kann. Das war sehr belastend. Mich da durchzukämpfen, zurückzufinden zu meinem Anlauf und zu meinem starken Selbstglauben, das hat mich im letzten halben Jahr sehr bewegt.

Würden Sie sagen, es hat Sie noch stärker gemacht?

Malaika Mihambo:

Definitiv! Es war ein harter Weg, aber auch ein sehr lehrreicher. Ich muss weder jemandem etwas beweisen, noch habe ich etwas zu verlieren.

Für Sie werden es die zweiten Olympischen Spiele nach Rio 2016, wo Sie mit 6,95 Metern Vierte wurden. Wenn Sie die Malaika Mihambo von damals mit der von heute vergleichen: Was ist geblieben? Was hat sich verändert?

Malaika Mihambo:

Was gleichgeblieben ist: die Grundeinstellung. Es sind Olympische Spiele – und es ist ein Wettkampf wie jeder andere auch. 2016 war ich noch viel jünger und unerfahrener, hatte aber auch eine sehr schwierige Saison. Ich konnte im Januar einen Monat gar nicht trainieren und dann vier Monate nur auf Rasen. Zurück auf der Bahn habe ich mir dann noch einen Muskelfaserriss zugezogen. Da war dann jeder Wettkampf wie ein Geschenk, weil ich noch am Anfang des Jahres dachte, dass ich gar nicht bis zu den Olympischen Spielen kommen werde. Vierte zu werden war viel besser, als ich es mir hätte vorstellen können. 2021 ist auch holprig – aber auf eine andere Art und Weise. Ich bin viel erfahrener und fühle mich selbstsicherer. Ich habe ein besseres Körpergefühl. Und komme jetzt natürlich mit einer anderen Rolle und anderen Hoffnungen als damals zu den Spielen. Mein Ziel ist es einfach, es noch besser zu machen als beim letzten Mal.

Sie sprachen das Druckempfinden an und die Erwartungshaltung anderer. Je mehr man wie Sie über einen langen Zeitraum Erfolge feiert, umso eher erlauben sich auch Außenstehende ein Urteil. Wie gehen Sie damit um?

Malaika Mihambo:

Was man lernen muss, ist ein unerschütterliches Vertrauen in sich selbst. In das eigene Können und die eigenen Fähigkeiten. Da hilft auch eine realistische Einschätzung, die man zusammen mit dem Trainer herausarbeitet. Man muss ihn fragen können: „Wo stehe ich?“ Und er muss wahrheitsgetreu antworten, was realistisch ist. Für mich war der Schlüsselmoment, wieder in meinen alten Anlauf zu finden. Das hat mir sehr viel Stabilität gegeben. Andere können zweifeln, kritisieren, mich abschreiben. Aber ich werde es nicht tun! Ich glaube an mich. Und ich muss nicht bei Olympischen Spielen gewinnen, um mich wohlzufühlen und mich als Mensch gutzufinden. Diese Erkenntnis war eine große Erleichterung. Die heutige Zeit lädt viele Menschen dazu ein ihre Meinung kundzutun und es gibt Plattformen, auf denen sie gehört werden. Aber das Wichtigste ist das eigene Körpergefühl des Athleten in Abstimmung mit dem Trainer, der den Athleten am besten kennt.

Die Olympischen Spiele in Tokio sind aufgrund der Corona-Pandemie hinsichtlich der Organisation mit ungleich mehr Neuerungen und auch Unsicherheiten verbunden. Wie groß ist dennoch Ihre Vorfreude?

Malaika Mihambo:

Ich freue mich auf jeden Fall auf den Wettkampf! Über die ganzen Regularien mache ich mir gar nicht so einen Kopf. Ich habe mir zwar alles schon mal durchgelesen und weiß ungefähr, was auf mich zukommt. Das reicht für mich. Ich versuche, mich so weit wie möglich davon abzuschirmen und auf anderes zu konzentrieren. Denn sonst baut man leicht Erwartungen auf, wie etwas sein müsste, und trifft eher auf innere Widerstände, wenn es nicht so ist, wie man es sich vorgestellt hat. Insofern versuche ich, es locker zu sehen, und gehe mit der Einstellung rein, dass es einfach anders wird als sonst.

Zumindest in einer Hinsicht werden Sie auf eine vertraute Situation treffen: Mit Maryse Luzolo (Königsteiner LV) haben Sie eine weitere deutsche Teilnehmerin an Ihrer Seite. Schon 2011 standen Sie bei der U18-WM gemeinsam im Finale. Damals hatten Sie den Plan geschmiedet, im ersten Versuch 6,51 Meter zu springen und dann aufzuhören – um damit beide Gold zu gewinnen… Wie sieht es aus mit den Plänen für Tokio?

Malaika Mihambo:

Ich glaube, die Pläne müssten dann höher sein als 6,51 Meter, die werden wahrscheinlich nicht für Gold reichen … (lacht) Ich freue mich sehr, dass Maryse dabei ist, sie ist ein sehr lieber Mensch. Wir kennen uns schon, seitdem wir 16 sind. Gerade nach ihrer persönlichen Geschichte [Anm. d. Red: Maryse Luzolo verletzte sich im Juli 2017 schwer am Knie und stand vor dem Karriere-Ende] finde ich es umso schöner, wichtiger und auch bewundernswerter, dass sie jetzt bei Olympischen Spielen an den Start geht.

Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick vorauswerfen auf die Olympischen Spiele und den 3. August: Was wünschen Sie sich für das olympische Finale von Tokio?

Malaika Mihambo:

Ich habe kein Ziel in Zentimetern, das ich erreichen will. Für mich geht es darum, an dem Tag aus meiner Tagesform das Optimale herauszuholen. Mich bestmöglich zu präsentieren und mein Potenzial auszuschöpfen. Wenn mir das gelingen würde, dann würde mich das glücklich machen.

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