Es war kein Jahr wie jedes andere. Das Virus Covid19 beherrschte die Welt und damit auch die Welt der Leichtathletik. Und dennoch war es ein Jahr, in dem die Menschen nach anfänglicher Schockstarre schnell wieder in Bewegung kamen, kreativ wurden und bewiesen: Keine Krise kann uns aufhalten. Die Redaktionsmitglieder von leichtathletik.de blicken auf ihren persönlichen Leichtathletik-Moment des Jahres zurück. Heute: Gesa Felicitas Krause, die bei den Deutschen Meisterschaften im August in Braunschweig Größe in der Niederlage bewies.
Sportlich war es wohl eine der größten Enttäuschungen der vergangenen Jahre in der Karriere von Gesa Felicitas Krause. Bei 36 Grad hatte sie sich im Eintracht-Stadion in Braunschweig viel vorgenommen, wollte ihren insgesamt sechsten deutschen Meistertitel über 3.000 Meter Hindernis einfahren. Doch anstatt ihrer großen Favoritenrolle gerecht zu werden, hatte sie zu kämpfen, musste die Spitze enteilen lassen und schließlich nach 2.000 Metern völlig entkräftet und unter Tränen aufgeben.
Ich selbst war in Braunschweig für die Pressebetreuung zuständig und eilte nach dem Rennen von der Pressetribüne in den Interviewbereich im Inneren des Stadions. Dort fragte ich einen Offiziellen, ob er Näheres zu Gesa Krause wisse und ob sie sich noch der Presse stellen würde. „Nein, soweit ich weiß, hat sie das Stadion schon durch einen Hinterausgang verlassen“, antwortete er mir.
Das klang logisch. Wer hätte denn schon im Moment der größten Niedergeschlagenheit Lust darauf, fremden Menschen die eigene Niederlage zu präsentieren? Mannschaftssportler haben in solchen Situationen das Glück, dass sie die Last der Niederlage nicht allein tragen müssen. Geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid. Bei Individualsportlern muss nach dem Schuldigen dagegen nicht lange gesucht werden.
Gesa Felicitas Krause: „Auch ich bin nur ein Mensch“
Umso überraschender war es, als Gesa Krause plötzlich doch noch im Interviewbereich auftauchte. Die Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben, doch sie schien gefasst. Im ARD-Interview suchte sie nach den Gründen für ihr sportliches Abschneiden, klang dabei jedoch keinesfalls so, als flüchte sie sich in Ausreden, sondern vielmehr, als setze sie sich in einer kritischen Analyse mit der sportlichen Situation auseinander. Verletzt habe sie sich nicht, es seien vielmehr die Beine gewesen, die nicht mehr gewollt hätten. „Wenn ich nicht fit gewesen wäre, wäre ich nicht hergekommen. Auch ich bin nur ein Mensch, das passiert“, gab sie unumwunden zu.
Im Grunde hätte dieses eine Fernseh-Interview für ein erstes Statement ausgereicht. Doch Gesa Krause beantwortete im Anschluss geduldig auch die Fragen der zahlreich anwesenden Print-, Online-, und Radiojournalisten. Es schien, als zeige sie Verständnis dafür, dass das mediale Interesse in Krisenzeiten mindestens genauso hoch ist wie in Erfolgszeiten.
Die Extreme ziehen an – eine Grundeigenschaft im Journalismus. Doch wer selbst die negative Seite dieses Extrems darstellt, zieht sich in der Regel nachvollziehbarerweise erst einmal zurück. Nicht so Gesa Felicitas Krause, die an diesem Tag zwar einen empfindlichen sportlichen Rückschlag einstecken musste, dabei aber vor allem eines bewies: Größe in der Niederlage.