| Runder Geburtstag

Doppel-Olympiasiegerin Annegret Richter feiert 70. Geburtstag

Im Halbfinale verblüfft sie mit einem 100-Meter-Weltrekord, im Finale erobert sie 1976 in Montreal Gold. Mit vier Medaillen ist sie eine der erfolgreichsten deutschen Olympionikinnen. Am heutigen Dienstag wird Annegret Richter 70 Jahre alt.
Peter Middel / dpa

Bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal (Kanada) erlebte Annegret Richter den Höhepunkt ihrer glanzvollen Karriere: Über 100 Meter stürmte sie in 11,08 Sekunden vor Renate Stecher (DDR, 11,13 sec) und ihrer Teamkollegin Inge Helten (11,17 sec) zur Goldmedaille und schrieb damit Sportgeschichte.

Bereits im 100-Meter-Halbfinale hatte die damals 25-jährige Dortmunderin mit der damaligen Weltrekordzeit von 11,01 Sekunden für einen Paukenschlag gesorgt. Da sie mit großem Vorsprung in Führung liegend ihre Geschwindigkeit kurz vor Ziel merklich reduzierte, wäre für sie mit großer Wahrscheinlichkeit sogar eine Zeit unter elf Sekunden möglich gewesen.

Eine Chance, diese Schallmauer zu unterbieten, erhielt sie nochmals im 100-Meter-Finale, doch drei Fehlstarts bildeten keine optimale Ausgangsbedingung. „Beim ersten Versuch war die Zeitmessung ausgefallen. Man hat uns sehr spät zurückgeschossen. Da hatte ich einen Bilderbuchstart erwischt. Damit wäre ich unter elf Sekunden geblieben,“ vermutet Annegret Richter.

Nach Olympiasieg 1976: „Eine große Last ist von mir abgefallen“

Nach dem 100-Meter-Finale war sich die Dortmunderin im ersten Augenblick ihrer Sache nicht hundertprozentig sicher. Daher schaute sie zur großen Leinwand, die es in Montreal zum ersten Mal gab. Sie kann sich heute noch genau an den Moment ihres größten sportlichen Glücks erinnern: „Als ich dort sah, dass ich vorn lag, ist eine große Last von mir abgefallen.“

Der Olympiasieg bedeutet ihr mehr als das Unterbieten der Elf-Sekunden-Schallmauer: „Die Goldmedaille kann mir keiner nehmen. Die besitze ich für immer. Bei meinem wichtigsten Wettkampf auf den Punkt genau fit gewesen zu sein, ist mir wichtiger als ein Weltrekord, denn der ist vergänglich.“

Annegret Richter feiert nun am heutigen Dienstag (13. Oktober) ihren 70. Geburtstag. Die Doppel-Olympiasiegerin (1972, 1976), zweifache Silbermedaillen-Gewinnerin, Staffel-Europameisterin (1971) und 28-fache Deutsche Meisterin will in der aktuellen Corona-Situation keine unnötige Risiken für ihre Familienmitglieder und Freunde eingehen und begeht diesen daher nur im engsten Familien-Kreis: „Wenn die Olympischen Spiele verschoben werden, muss ich auch meine Geburtstagsfeier verschieben. Ich hoffe aber, dass im kommenden Jahr beide Veranstaltungen stattfinden können.“

Erfüllung in Rolle als Großmutter gefunden

Seitdem Enkel Maximilian vor zwei Jahren viel Freude in das Leben von Annegret Richter brachte, hat sich einiges für die frühere Weltklasse-Sprinterin verändert. „Sie ist ganz in ihrer neuen Rolle als Großmutter aufgegangen,“ sagt Ehemann Manfred Richter. Und Gold-Annegret bestätigt: „Es gibt nichts Schöneres für mich, als den Kleinen in seiner Entwicklung beobachten und begleiten zu können.“

Annegret und Manfred Richter, die sich beruflich seit einigen Jahren im Ruhestand befinden, können Klein-Maximilian oft ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. Dies ist an einigen Tagen auch notwendig, denn Sohn Marcus und Schwiegertochter Agnes arbeiten beide als Ärzte im Krankenhaus und verfügen daher manchmal nur über ein begrenztes Zeitbudget. Aber auch sonst kümmert sich die einst schnellste Frau der Welt liebevoll um den Kleinen.

Bis heute enge Freundschaft zu Hildegard Falk und Renate Stecher

In der Öffentlichkeit wird Annegret Richters Leben oft auf ihre großartigen sportlichen Erfolge reduziert, doch im Laufe der Jahre hat sich für sie einiges geändert. So steht für sie nicht mehr der Sport, sondern die Familie im Vordergrund. Besonders stolz ist sie nicht nur auf ihren Enkel Maximilian, sondern auch auf ihre beiden Kinder Daniela und Marcus.

Daniela (38), die vor sieben Jahres in Heidelberg promovierte, arbeitet am Deutschen Krebsforschungszentrum in Dresden. Marcus, der früher einmal Westfalenmeister im Hammerwurf war, musste nach einem schweren Motorradunfall sein Maschinenbaustudium abbrechen, ließ sich anschließend zum Physiotherapeuten ausbilden und ist nach einem weiteren Studium inzwischen Mediziner. Die Geburtstagsjubilarin ist überglücklich: „So wie es jetzt ist, sind wir mit allem zufrieden, und wir hoffen, dass es lange noch so bleibt“.

Ihr erstes Olympiagold hatte Annegret Richter bei den Olympischen Spielen 1972 mit der 4x100-Meter-Staffel errungen. Genau 40 Tage nach ihrem Olympiasieg von 1976 sorgte sie zudem für eine weitere Sternstunde: beim Provinzsportfest in Ahlen. Auf dem Lindensportplatz rannte Richter am 3. September 1976 die 100 Meter in 11,0 Sekunden – bis heute Weltbestzeit auf roter Asche. Neben zahlreichen Siegen, Medaillen und Trophäen hat die Rudolf-Harbig-Preis-Trägerin während ihrer glanzvollen Karriere auch zahlreiche Freunde gewonnen. So gehören zu ihrem engsten Bekanntenkreis unter anderem 800-Meter-Olympiasiegerin Hildegard Falk und die dreifache Olympiasiegerin Renate Stecher.

Glücklich über sportliche Entwicklung in Dortmund

Annegret Richter verfolgt weiter mit großem Interesse das aktuelle Leichtathletik-Geschehen – vor allem auch die positive Entwicklung in Dortmund. „Wenn man so fachkundige Trainer und so optimale Anlagen wie in Dortmund hat, dann sind das hervorragende Ausgangsbedingungen, die man sich besser nicht wünschen kann.“

Die ehemalige Sprinterin zeigt sich optimistisch, dass sich unter den gegebenen Voraussetzungen der Erfolgstrend und die von ihr eingeleitete Sprinttradition der LG Olympia Dortmund auch in Zukunft fortsetzen werden. „Wichtig ist nur,“ so die einstige Doppel-Olympiasiegerin, „dass die hoffnungsvollen Athletinnen und Athleten auch damit klarkommen, dass es für sie nicht nur immer bergauf geht. Auch ich hatte manchmal Tiefpunkte in meiner Laufbahn. Da muss man sich immer wieder motivieren. Wichtig ist auch, dass man ab einem bestimmten Leistungsniveau keiner Konkurrenz mehr ausweicht, denn nur so kann man sich weiterentwickeln.“

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