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Luna Bulmahn – Von Obernkirchen über Hannover in die ganze Welt

Gleich 13 Athleten haben bei den Deutschen Meisterschaften im Sommer den ersten nationalen Titel ihrer Karriere gefeiert. Unter ihnen sind einige neue Gesichter und andere, die schon länger zur DLV-Spitze zählen. leichtathletik.de erzählt, wie sie es ganz oben aufs Podest im Berliner Olympiastadion geschafft haben, heute geht es um 400-Meter-Läuferin Luna Bulmahn (VfL Eintracht Hannover).
Jan-Henner Reitze

Luna Bulmahn
VfL Eintracht Hannover

Bestleistung:

400 Meter: 52,37 sec (2019)

Erfolge:

Vierte U23-EM 2019
Bronze U23-EM 2019 (Staffel)
Deutsche Meisterin 2019

Yokohama (Japan), Gävle (Schweden), Bydgoszcz (Polen) und Doha (Katar), wenn Luna Bulmahn heute nach einem Tag an der Uni und im Training in Hannover in ihr Elternhaus im rund 50 Kilometer entfernten Obernkirchen zurückkehrt, kann die gerade mal 20-Jährige immer noch kaum glauben, dass sie in all diesen Hotspots der internationalen Leichtathletik-Szene des vergangenen Sommers an den Start gegangen ist. Nachdem die 400-Meter-Läuferin 2018 noch knapp die Staffel-Teilnahme an der U20-EM verpasst hatte, war sie in diesem Jahr fester Bestandteil des DLV-Teams der Frauen und der U23.

Ermöglicht hat das eine außergewöhnliche Steigerung der Bestzeit von 55,30 auf 52,37 Sekunden. Auf nationaler Ebene krönte die Senkrechtstarterin ihr Jahr 2019 mit dem Sieg bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin. „Es kam alles von null auf hundert, von einer Hobby-Sportlerin zur Leistungssportlerin“, blickt die Jüngste im DLV-Team von Doha auf ihre vier internationalen Meisterschaften innerhalb von sechs Monaten zurück. „Dass ich so einen Leistungssprung mache, ist für mich genauso unerwartet gewesen, wie für alle anderen auch.“

Drei Sekunden schneller nach Wechsel zu Edgar Eisenkolb

Die Erklärungsversuche für diese Entwicklung setzen schon im Vorjahr an, in dem Luna Bulmahn ihr Training wegen einer Bronchitis nicht voll durchziehen konnte. Vielleicht wäre es ohne die Krankheit schon 2018 etwas schneller gegangen. Wichtigster Faktor war aber der im vergangenen Herbst vollzogene Wechsel in die Trainingsgruppe von Männer-Bundestrainer Edgar Eisenkolb. Neben einer verbesserten Sprintausdauer brachte der auch noch einmal eine deutliche Steigerung der Schnelligkeit. Auch ihre Freiluftbestleistung über 200 Meter (24,68 sec) steigerte die Studentin deutlich auf 23,87 Sekunden.

Neben dem Know-How ihres neuen Trainers profitierte die Nachwuchsathletin auch davon, dass mit Ruth Sophia Spelmeyer (VfL Oldenburg) eine erfahrene und leistungsstarke Trainingspartnerin an ihrer Seite war und ist. „Im Training können wir gegeneinander laufen und aufeinander setzen, wenn eine von uns mal nicht so gut drauf ist“, erzählt die neue Deutsche Meisterin. „Für mich war es auch ein Vorteil, dass Ruth zum Beispiel im Trainingslager in Okinawa und bei der Staffel-WM dabei war.“

Bemerkenswert ist sicherlich auch, dass die junge Athletin trotz der plötzlich um ein vielfaches größeren Bühnen, die Nerven behielt und ihre Leistung abrief. „Ich sehe mich nicht als andere Person und das Training ist immer noch genauso hart. Ich bin einfach froh, dass es sich auszahlt.“

Schon als Kind flink

Zur Leichtathletik kam die heutige Leistungssportlerin schon zu ihrer Zeit im Kindergarten in Obernkirchen. Ihren Erzieherinnen fiel auf, dass die kleine Luna den anderen Kindern beim Spielen immer davonlief. Sie empfahlen ihren Eltern, ihre Tochter zum Leichtathletik-Training zu schicken. In der Gruppe bei ihrem ersten Verein, dem VfL Bückeburg, war in den Anfangsjahren mit der gleichaltrigen und heutigen Weitspringerin Merle Homeier eine andere Athletin meist noch etwas besser.

Mit dem Wechsel des Trainingsstandorts und gleichzeitig der Schule ins nahegelegene Stadthagen sowie zur LG Weserbergland in der U18 rückten die Sprintdisziplinen als Lieblingsdisziplinen in den Fokus. 2016 ging es dann zum bis heute aktuellen Verein, dem VfL Eintracht Hannover. Mit Finalteilnahmen und dem vierten Rang bei der Hallen-DM 2017 zählte Luna Bulmahn in dieser Zeit zur erweiterten nationalen Spitze über 200 Meter.

Von ihren ersten Ausflügen auf die 400 Meter in ihrem ersten U20-Jahr war die Sprinterin nicht sofort begeistert, nahm die Herausforderung der Distanz dann aber doch immer mehr an. Spätestens mit Bronze bei der Jugend-DM 2018 (55,30 sec) war die Spezialstrecke gefunden, gleichzeitig Ausgangsbasis für das zurückliegende Aufstiegsjahr.

Schon Silber bei der Hallen-DM

Mit der völlig überraschenden Silbermedaille (53,67 sec) bei der Hallen-DM und Bestzeit im Vorlauf (53,33 sec) begann die Leistungsexplosion schon im Winter. Diese Zeiten brachten sie ins Nationalteam. Gleich bei ihrem ersten Start in den DLV-Farben überzeugte die 19-Jährige als Startläuferin im Vorlauf der Staffel-WM (52,70 sec). Erstes Highlight der Freiluft-Saison war der Titel bei der U23-DM (53,25 sec) in Wetzlar. Bei der U23-EM in Gävle gelangen dann im Einzelrennen die ersten beiden Zeiten der Karriere unter 53 Sekunden und Rang vier im Finale. Der Staffel sicherte die Hannoveranerin als Schlussläuferin (fliegend 52,43 sec) die Bronzemedaille (3:33,83 min).

Bei den Deutschen Meisterschaften im Berliner Olympiastadion entschied Luna Bulmahn ein offenes Finale mit Bestzeit (52,37 sec) für sich. Bei der Team-EM lief sie ihre Staffel-Runde als Startläuferin in 53,2 Sekunden, im Vorlauf der Mixed-Staffel bei der WM in Doha (Katar) auf Position zwei fliegend 52,7 Sekunden. Eine Fülle wertvoller Erfahrungen, von der die Langsprinterin in den kommenden Jahren profitieren wird.

Im Leistungssport endgültig ankommen

An eine nächste Steigerung denkt die Deutsche Meisterin erst einmal noch nicht. Auch, dass von ihr jetzt eventuell mehr erwartet wird, möchte sie nicht an sich heranlassen. „Es hängt von der mentalen Stärke des Athleten ab, was Druck von außen bedeutet“, sagt Luna Bulmahn. „Wir machen den Sport alle zuerst für uns selbst und niemand anderer weiß, wie es uns geht und wie wir trainiert haben. Da hat niemand das Recht, etwas zu beurteilen, gerade in so jungen Jahren.“

In ihrem Studium Public Relations an der Hochschule Hannover möchte sie in diesem Winter das dritte Semester beenden, die danach vorgesehene Praxisphase mit 40-Stunden-Job verschieben, um sich besser sportlich auf die Sommersaison vorbereiten zu können. Ab Februar hat die Newcomerin dann auch eine Wohnung in Hannover und kann sich Fahrten nach Hause in ihr Elternhaus sparen.

Dass Tokio (Japan) im nächsten Jahr auf ihrer Reiseliste stehen könnte, nimmt sie gelassen. Ihr sportlicher Traum ist es zwar, einmal bei Olympia dabei zu sein. Auch ein Einzelstart ist ein langfristiges Ziel. „Aber man muss mit 20 noch nicht da gewesen sein.“ Im Vordergrund steht erst einmal „das tolle Gefühl, im Leistungssport angekommen zu sein.“ Und dort möchte sich Luna Bulmahn etablieren.

Video-Interview: Luna Bulmahn: "Ich bin super überrascht"

Das sagt Bundestrainerin Claudia Marx:

Sich innerhalb eines Jahres um mehr als drei Sekunden zu steigern, ist enorm. Es hat aber auch mit strukturiertem 400-Meter-Training zu tun, was Luna bei Edgar Eisenkolb macht, in einer Gruppenkonstellation mit Ruth Sophia Spelmeyer, wovon sie profitiert. Luna ist gesund durchgekommen und konnte zeigen, was sie kann. Sie kommt von den 200 Metern. Neben dem umgestellten Training musste sie sich auch mit der mentalen Belastung der 400 Meter auseinandersetzen. Das ist immer eine Herausforderung. Beides unter einen Hut zu bringen – den körperlichen und mentalen Aspekt – ist ihr sehr gut gelungen.

Luna ist auch noch unbedarft und sagt: Ich mache das jetzt. Ich habe sie bei der Staffel-WM an den Start gestellt. Das war viel Verantwortung. Sie wächst mit ihren Aufgaben und ich hätte mir auf dieser Position keine Athletin besser vorstellen können. Insofern hat sie bewiesen, dass sie es kann und ich hoffe, es geht weiter. Über weitere Rennen wird sie weiter reifen. Ich hoffe, dass sie sich 2020 in ihrem Bereich von 52,0 bis 52,2 stabilisiert. Es gilt weiter, sich zurechtzufinden und internationale Rennen zu laufen. Über die nächsten zwei, drei Jahre wird sich sicherlich noch eine Steigerung machen lassen. Das langfristige Potential für 51,5 und sogar mehr ist da.

Luna ist sehr entspannt, immer zu einem Scherz bereit. Als Neuling war sie sehr aufgeschlossen, man hat ihr nicht angemerkt, dass sie sich fremd fühlt. Sie hat sich schnell in leistungssportliches Denken eingefunden: Wie ernähre ich mich, was mache ich wann, wie sieht meine Wettkampfvorbereitung aus? Das hat sie schnell und gut gelöst, auch deshalb hat sie sich durchgesetzt.

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