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Amos Bartelsmeyer – Vom College-Abgänger zum Läufer von internationalem Format

Gleich 13 Athleten haben bei den Deutschen Meisterschaften im Sommer den ersten nationalen Titel ihrer Karriere gefeiert. Unter ihnen sind einige neue Gesichter und andere, die schon länger zur DLV-Spitze zählen. leichtathletik.de erzählt, wie sie es ganz oben aufs Podest im Berliner Olympiastadion geschafft haben, heute geht es um Mittelstreckler Amos Bartelsmeyer (LG Eintracht Frankfurt).
Jan-Henner Reitze

Amos Bartelsmeyer
LG Eintracht Frankfurt

Bestleistung:

1.500 Meter: 3:36,29 Minuten (2019)

Erfolge:

Sechster Hallen-EM 2019 (3.000 m)
Deutscher Meister 2019

Vor einem Jahr war der Name Amos Bartelsmeyer allenfalls Kennern der US-Läuferszene ein Begriff. Heute ist er nicht nur Deutscher Meister über 1.500 Meter, sondern hat auch den Anschluss an die internationale Spitze geschafft.

Bei der Hallen-DM in Leipzig qualifizierte sich der 25-Jährige in seinem ersten Rennen auf deutschem Boden und im Trikot der LG Eintracht Frankfurt als Zweiter über 3.000 Meter für die Hallen-EM, wo er als Sechster einen Einstand nach Maß im DLV-Team hinlegte. Im Sommer folgte der Sieg bei der DM im Berliner Olympiastadion über 1.500 Meter, die Leistung bei der WM in Vorlauf und Halbfinale mit jeweils 3:37er-Zeiten war ebenfalls überzeugend. „Es war das bisher beste Jahr meiner Karriere“, sagt der Deutsch-Amerikaner.

Hinter dem Aufstieg steckt  vor allem eine Entscheidung, die Amos Bartelsmeyer konsequent umgesetzt hat. Nach seinem College-Abschluss wollte er den Sport nicht aufgeben und in den Beruf einsteigen, sondern herausfinden, wie weit es für ihn auf der Leichtathletik-Bühne gehen kann.

Zweisprachig aufgewachsen

Geboren wurde der Sohn einer deutschen Mutter und eines amerikanischen Vaters in Aschaffenburg. Als der heutige Mittelstreckler zwei Jahre alt war, ging die Familie nach St. Louis im US-Bundesstaat Missouri. Er wuchs zweisprachig auf, war in den Ferien regelmäßig in Deutschland und besitzt die deutsche und die US-Staatsbürgerschaft.

Sportlich spielte in seiner Kindheit Fußball die Hauptrolle, eher nebenbei nahm Amos Bartelsmeyer auch an Schulwettkämpfen auf der Bahn und im Crosslauf teil, inklusive einiger Siege. „Ich habe gemerkt, dass ich Talent habe. Komplett auf die Leichtathletik fokussiert habe ich mich aber erst, als ich etwa 16, 17 Jahre alt war.“

Einmal im Finale der College-Meisterschaften

Die sportlichen Leistungen in der High School waren ein Türöffner dafür, auf einem guten College aufgenommen zu werden. Auch weil ihm die Fachrichtung „Foreign Service, Science Technology and International Affairs“ besonders gefiel, entschied er sich für die renommierte Georgetown University in der US-Hauptstadt Washington. Dem Bachelor folgte ein Master in Finance.

Sportlich ging es in der Uni-Zeit insgesamt bergauf, ganz große Erfolge blieben aber aus. In der Staffel stand der damalige Student regelmäßig am Start der US-College-Meisterschaften. Im Einzel gelang 2018 mit Rang neun über 1.500 Meter (3:46,54 min) die einzige Final-Teilnahme.

Eine schwierige Zeit erlebte Amos Bartelsmeyer im Herbst 2016, als er von einem Ermüdungsbruch im Kreuzbein zurückgeworfen wurde und Teile des Trainings komplett ausfallen mussten. Auch diese Verletzung verhinderte möglicherweise, dass der Aufstieg schon früher begann. Als der Master-Abschluss bevorstand, war er im Sommer 2018 immerhin bei einer Bestzeit von 3:39,64 Minuten über 1.500 Meter angekommen.

E-Mail-Bewerbung an Trainer

Es folgte die schon angesprochene Entscheidung, vor dem Berufseinstieg auf den Sport zu setzen. Per E-Mail „bewarb“ sich der damals 24-Jährige beim Headcoach der University of Washington Andy Powell in Seattle. Amos Bartelsmeyer wurde in die leistungsstarke Trainingsgruppe aufgenommen und hatte von nun an unter anderem mit Sam Prakel (USA) einen Trainingspartner auf seinem Niveau. Um seine Miete zu bezahlen, nahm er verschiedene Nebenjobs an, unter anderem auch als Hilfstrainer an der Uni.

Parallel zum noch einmal professionalisierten Training stellte der Läufer auch die Weichen, um eine Idee umzusetzen, die er schon länger im Hinterkopf hatte: International für Deutschland starten. Da er zwei Pässe besitzt und nie international für die USA gestartet war, stand dem formal nichts im Wege. Über die ebenfalls deutsch-amerikanische Läuferin Natalie Tanner, die 2018 bei der EM in Berlin über 10.000 Meter am Start war, nahm Amos Bartelsmeyer Kontakt zur LG Eintracht Frankfurt und dem DLV auf. Der angepeilte Start bei der Hallen-DM in Leipzig nahm Formen an.

Ein bisschen wie ein „Wunder“, so sagt es der Athlet selbst, war es dann, dass passend zu den Bemühungen, die Karriere voranzutreiben, auch die Leistung ein neues Level erreichte. Schon bei seinen ersten Hallenrennen im Januar diesen Jahres zu Hause in Seattle kamen über die Meile (3:55,32 min) und über 3.000 Meter (7:49,47 min) neue Bestzeiten heraus. In Aussicht stand plötzlich nicht nur der erste Start für einen deutschen Verein auf nationaler, sondern auch gleich im DLV-Trikot auf europäischer Ebene.

Rasanter Aufstieg

Als er zur Hallen-DM nach Leipzig anreiste, war Amos Bartelsmeyer etwas nervös, wie er in seiner neuen sportlichen Heimat angenommen würde. Zumal gleichzeitig mit Sam Parsons (LG Eintracht Frankfurt) ein weiterer in den USA aufgewachsener Läufer zufällig zum gleichen Zeitpunkt und ähnlich erfolgreich erstmals sein Glück in Deutschland suchte.

Die beiden machten in Leipzig den 3.000 Meter-Titel unter sich aus und waren bei der Hallen-EM in Glasgow (Großbritannien) plötzlich mit von der Partie. Im Sommer ging es dann genauso gut weiter. Amos Bartelsmeyer stieg zu Hause in Seattle mit Bestzeit (3:36,29 min) über 1.500 Meter in die Saison ein, bekam später auch Startplätze in Rennen bei den Diamond League-Meetings in London und Birmingham (beides Großbritannien) und holte den DM-Titel. „Ich habe mich überall gut aufgenommen gefühlt, auch vom Publikum. Mein erstes Jahr als deutscher Athlet war eine rundum tolle Erfahrung“, so die Bilanz. Krönung und Beweis, dass er zum Saisonhöhepunkt fit sein kann, war der Lauf ins WM-Halbfinale in Doha (Katar) zum Saisonabschluss.

Durch seinen Leistungssprung wurde die Kimbia Athletics Agentur auf den Aufsteiger aufmerksam, mittlerweile hat er auch einen Ausrüstervertrag mit Nike geschlossen. Innerhalb eines Jahres hat sich der Athlet der LG Eintracht Frankfurt vom talentierten College-Abgänger zum Läufer von internationalem Format gewandelt.

Nächste Station soll Tokio sein

Das Erfolgskonzept hat also gleich im ersten Jahr voll gegriffen. So soll es weitergehen. Die Vorbereitung auf das Olympia-Jahr 2020 läuft in den USA. In der Hallensaison sind auch wieder Rennen in Deutschland geplant, wo die Meetings in Karlsruhe (31. Januar) und Düsseldorf (4. Februar) 3.000-Meter-Rennen der World Indoor Tour bieten. Auch ein Start bei der Hallen-WM in Nanjing (China; 13. bis 15. März) ist nicht ausgeschlossen, sollte es mit der Qualifikation klappen.

Über allem steht natürlich das Ziel einer Teilnahme bei den Olympischen Spielen. „Ich denke jeden Tag und in jeder Trainingseinheit an Tokio“, so Amos Bartelsmeyer. „Kaum zu fassen, dass dies jetzt ein echtes Ziel ist und nicht mehr nur ein Traum.“

Video-Interview: Amos Bartelsmeyer: "Ein ganz, ganz tolles Erlebnis"

Das sagt Bundestrainer Georg Schmidt:

Amos hatte ein sehr gutes Jahr. Er hat seine Bestleistung um gute drei Sekunden gesteigert, das Finale der Hallen-EM über 3.000 Meter erreicht und das Halbfinale über 1.500 Meter bei der Freiluft-WM. Er ist ein Spätstarter, der erst in den vergangenen ein bis zwei Jahren Fahrt aufgenommen hat. Dieses Jahr hat er den Schritt Richtung internationaler Karriere gemacht. Im DLV-Team ist er sehr gut angekommen, was mit einem Höchstmaß an Eigeninitiative zusammenhängt. Er ist ein feiner Kerl, hat sich gut integriert, ist unkompliziert, immer freundlich und gut gelaunt.

Stärken hat er auf der Überdistanz, über 800 Meter ist die Zubringerleistung vergleichsweise nicht ganz so stark. Er sollte den eingeschlagenen Weg weitergehen und zum Beispiel auch weiter die Konkurrenz bei Diamond League-Meetings suchen. Er hat einen Fuß in der Tür. Eine weitere Steigerung um zwei Sekunden halte ich für das nächste Jahr für möglich. Damit sind auch internationale Finals in Reichweite. Das wäre der nächste Schritt. Langfristig könnten auch die 5.000 Meter einmal eine größere Rolle spielen, erstmal geht es aber noch über die 1.500 Meter weiter.

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