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Constantin Preis – Immer auf der Suche nach einer Chance

Gleich 13 Athleten haben bei den Deutschen Meisterschaften im Sommer den ersten nationalen Titel ihrer Karriere gefeiert. Unter ihnen sind einige neue Gesichter und andere, die schon länger zur DLV-Spitze zählen. leichtathletik.de erzählt, wie sie es ganz oben aufs Podest im Berliner Olympiastadion geschafft haben, heute geht es um Langhürdler Constantin Preis (VfL Sindelfingen).
Jan-Henner Reitze

Constantin Preis
VfL Sindelfingen

Bestleistung:

400 Meter Hürden: 49,23 sec (2019)

Erfolge:

Vierter U23-EM 2019
Deutscher Meister 2019

Constantin Preis hat gerade eine Saison hinter sich, in der sein Senkrechtstart der vergangenen Jahre weiterging und der bis zur WM nach Doha (Katar) führte. Nach der Weltmeisterschaft in der Wüste ging es gleich weiter in die USA. Und an dieser Reise lässt sich gut darstellen, was für ein Typ der neue deutsche Meister über 400 Meter Hürden ist.

Nach seinem Schulabschluss im Vorjahr hatte sich der 21-Jährige für ein Studium im US-Bundesstaat Colorado interessiert, diesen Plan nach einer Ortsbesichtigung und reiflicher Überlegung aber wieder verworfen. Was vom kurzen Aufenthalt in dem Rocky-Mountains-Staat geblieben ist, sind Freundschaften. Um diese zu pflegen, reiste der Langhürdler in diesem Oktober wieder dorthin. „Gleichzeitig nutze ich die Höhe hier für Dauerläufe zur Regeneration nach der langen Saison“, erzählt er.

Was sagt das über ihn aus? Er ist offen für Veränderungen, bereit alles für seine Ziele zu geben. Er weiß, was er will, aber eben auch, was er nicht will. Und selbst wenn mal etwas nicht so läuft wie geplant, holt er das Bestmögliche aus der Situation heraus. Diese Eigenschaften ziehen sich durch seinen sportlichen Werdegang, in dem die abgelaufene Saison wieder nur eine Zwischenstation gewesen sein soll.

Im Sport eine Heimat gefunden

Im Alter von 12 Jahren kam Constantin Preis mit seiner Familie aus der Republik Moldau nach Pforzheim, wo er bis heute lebt und trainiert. Ohne Deutschkenntnisse ging es für ihn erst einmal in eine Aufbauklasse, in der auch Bundesjugendspiele auf dem Stundenplan standen. Dort sah der Schüler nicht nur erstmals eine Tartanbahn, sondern lief auch allen davon. Kurz darauf hatte der TV Pforzheim 1834 ein neues Mitglied.

In dem Verein fand der Jugendliche mit Roland Hiller nicht nur seinen ersten Trainer, sondern auch eine Gemeinschaft, in der er sich wohlfühlte. „Das war mein Anschluss“, erzählt der heutige Leistungssportler, gerade weil die Schullaufbahn durch viele Wechsel gekennzeichnet war. Von der Hauptschule ging es über die Realschule aufs Gymnasium. Es blieb kaum Zeit richtig anzukommen. „Ich wollte Abitur machen und habe mich immer der Situation angepasst. Ich musste mich auch durchkämpfen, aber habe es geschafft.“ Einen persönlichen Eindruck von Constantin Preis vermittelt auch der Podcast „Mainathlet“ von Benjamin Brömme.

Sportlich war er vor allem im Sprint und über die Hürden auf Landesebene ganz vorne mit dabei. Bei den Deutschen Schülermeisterschaften im Blockmehrkampf Sprint/Sprung belegte der damals 15-Jährige im Jahr 2013 den zehnten Rang. Als U18-Athlet stand er 2015 mit 14,21 Sekunden an dritter Stelle der DLV-Jahresbestenliste im Hürdensprint. Allerdings wurde er auch schon früh von Verletzungen geplagt, 2016 bremste ihn ein Bänderriss komplett aus und Gedanken an ein Ende der Laufbahn kamen auf.

Wechsel zu Sebastian Marcard bewirkt rasanten Aufstieg

Die Wende brachte der Trainerwechsel zu Sebastian Marcard. Mit nur wenigen Wochen Training in den Beinen trat Constantin Preis 2017 ohne Erwartungen bei der Jugend-Hallen-DM in Sindelfingen über 400 Meter an und holte für ihn völlig überraschend in 48,44 Sekunden den Titel. Im Freien fand er mit den 400 Meter Hürden seine Strecke, qualifizierte sich auf Anhieb für die U20-EM und wurde deutscher Jugendmeister. Seitdem kennt seine Entwicklung nur eine Richtung: Es geht immer weiter nach oben.

In seiner Ernährung verzichtet der 21-Jährige seitdem auf tierische Produkte, auch inspiriert durch Sprinter Alex Schaf (VfB Stuttgart), und erklärt damit, dass seine Anfälligkeit für Muskelverletzungen nachließ. Das Thema fasziniert ihn so, dass er mittlerweile ein Fernstudium in Ernährungswissenschaften aufgenommen hat.

Durch die Kontakte seines Haupttrainers, aber auch weil er selbst die Augen offen hielt und Verbindungen knüpfte, wuchs sein Trainer-Team. Olaf Klein kümmert sich um das Hürdentraining, Vladimir Pavlic, der auch als Personal Trainer arbeitet, ums Krafttraining. Mentaltrainer Patrick Thiele hat zum Beispiel geholfen, dass Constantin Preis seine Rennen in diesem Jahr ruhiger und kontrollierter anging. „Es waren auch Glück und Zufall dabei, dass dieses Team so gewachsen ist.“

Leistung noch besser auf den Punkt bringen

Nachdem es 2018, indem auch der Wechsel zum VfL Sindelfingen erfolgt war, schon zum Titel bei der U23-DM und Silber bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg gereicht hatte, wurde der Schwerpunkt im Wintertraining auf die Sprintfähigkeit gelegt, um die erste Hälfte des Rennens schneller gestalten zu können. Dieser Plan ging auf. In fast allen Rennen stand 2019 ein Ergebnis, das unter der Bestzeit aus dem Vorjahr lag. Krönung war der Sieg bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin.

„In dem Rennen ging es nur um den Titel, die Zeit war unwichtig. Dass es um zwei Hundertstel nicht für die WM-Norm gereicht hatte, war nebensächlich. Allerdings hat mir die Leistung auch gezeigt, dass ich die Norm laufen kann. Drei Wochen später in Zürich hat das dann ja auch geklappt“, erzählt der deutsche Meister. Mit seinen Auftritten im Finale der U23-EM und im WM-Vorlauf ist er dagegen nicht ganz zufrieden. „Da habe ich Schwäche gezeigt. Bei der U23-EM ging es für mich erstmals um einen internationalen Titel. Das war mental eine neue Herausforderung. Die Form war da, genauso bei der WM.“ Bei der U23-EM bedeuteten 49,92 Sekunden Rang vier, bei der WM 50,93 Sekunden das Aus im Vorlauf.

Sein volles Potential abrufen, wenn es wirklich drauf ankommt und insgesamt noch mehr Stabilität auf hohem Niveau gewinnen, das sind die Ziele für 2020. Von seiner USA-Reise ist Constantin Preis gerade zurück. Mit seinem Team geht es jetzt an die Planung der genauen Trainings- und Wettkampfziele. Die Eckpunkte sind schon klar: Seinen DM-Titel möchte der Senkrechtstarter in Braunschweig erfolgreich verteidigen, die Olympia-Qualifikation schaffen (Norm: 48,90 sec) und in Tokio (Japan) möglichst ins Halbfinale. Bei der nacholympischen EM in Paris (Frankreich) soll es bis ins Finale gehen. Schaut man sich die Entwicklungskurve der vergangenen Jahre an, alles nicht unrealistisch.

Video-Interview: Constantin Preis: "Ich musste von Anfang an Gas geben"

Das sagt Bundestrainer Volker Beck:

In den vergangenen beiden Jahren hat sich Constantin außergewöhnlich entwickelt. Er hat sich pro Jahr um eine bis anderthalb Sekunden verbessert, von 51,64 Sekunden im Jahr 2017 über 50,74 Sekunden (2018) bis auf 49,23 Sekunden in der abgelaufenen Saison. Die Entwicklung in diesem Jahr mit der Teilnahme an der WM war vor einem Jahr nicht absehbar, Heimtrainer und Athlet haben einen ausgezeichneten Job gemacht.

Im Bereich der Hürdentechnik, insbesondere der Alternierungsfähigkeit hat er sich neben den physischen Komponenten deutlich verbessert. Constantin verfügt nicht über das „Gardemaß“ eines 400m Hürdenläufers, kompensiert das mit hoher Trainingsdisziplin und Zielstrebigkeit.

In der Gestaltung des individuellen Rennmodells sehe ich noch Entwicklungsreserven. Er ist sehr zielorientiert und formuliert für sich selbst hohe Leistungsansprüche. Er weiß genau, was er will.

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