Mit einer Silbermedaille bei den U20-Europameisterschaften und ihrer Teilnahme an den Team-Europameisterschaften hat Speerwerferin Julia Ulbricht in diesem Jahr ihre größten Erfolge gefeiert. Jetzt träumt das Nachwuchstalent von internationalen Medaillen im Erwachsenenbereich.
Wenn Julia Ulbricht (1. LAV Rostock) nach ihren sportlichen Zielen gefragt wird, muss die 18-Jährige nicht lange überlegen. „Auf jeden Fall Olympia! Schon seit ich ein Kind war, ist die Olympiateilnahme mein größter Traum“, sagt die Speerwerferin. Und für dieses Ziel arbeitet sie hart. Mit 14 Jahren verließ die Leichtathletin ihre Heimat, das Ostseebad Prerow, um sich in Rostock ganz auf ihren Traum von einer sportlichen Karriere konzentrieren zu können.
„Ich bin von meiner Schule in Prerow auf ein Internat in Rostock gewechselt“, erzählt die junge Athletin. „Dort habe ich eine Sportlerklasse besucht und parallel angefangen, bei Mark Frank zu trainieren.“ Der Speerwurf-Bundestrainer betreut sie seit Januar 2015. Wöchentlich stehen acht Trainingseinheiten auf dem Plan.
Familiensache
Für Julia Ulbricht ist Mark Frank jedoch nicht nur ihr Trainer. Er ist auch der Vater ihres Freundes Eric, der ebenfalls in der Trainingsgruppe mittrainiert und Mitglied des Bundeskaders der U20 ist. Problematisch ist diese Konstellation für die junge Werferin nicht. „Ich habe mich daran gewöhnt. Mit Eric bin ich schon seit über zwei Jahren zusammen“, erklärt sie.
Ebenfalls zur Trainingsgruppe zählt der WM-Sechste Julian Weber, der für den USC Mainz startet. Vom gemeinsamen Training profitiert das Nachwuchstalent. „Es ist sehr cool, so ein Vorbild in der Trainingsgruppe zu haben. Ich finde es interessant, ihm beim Werfen zuzusehen und mir vielleicht ein bisschen was abzuschauen“, meint die Vierte der U18-WM 2017.
In diesem Jahr hat sich die gemeinsame Arbeit von Julia Ulbricht und Mark Frank ausgezahlt: Bei den U20-Europameisterschaften in Boras (Schweden) feierte die U20-WM-Teilnehmerin mit dem Gewinn der Silbermedaille ihren bisher größten Erfolg. Im August trug sie bei den Team-Europameisterschaften in Bydgoszcz (Polen) erstmals das Nationaltrikot bei den Aktiven.
Team-EM als Sahnehäubchen
Vor allem diesen internationalen Einsatz hat Julia Ulbricht als prägendes Erlebnis in Erinnerung. „Es war eine große Ehre für mich, Team Germany zu vertreten. Ich war ja auch die Jüngste im Team, und es war etwas ganz Anderes als meine Starts bei den Nachwuchsmeisterschaften. Es war auf jeden Fall sehr interessant und ich war auch stolz auf mich, dass ich ein paar Punkte fürs Team holen konnte. Dass ich mit dem deutschen Team letztlich Silber gewonnen haben, war für mich die absolute Krönung meiner Saison.“
Insgesamt neunmal warf die 18-Jährige im Jahr 2019 weiter als in den Vorjahren, hat sich mit ihrer neuen Bestleistung von 55,55 Metern in der deutschen Bestenliste bis auf den vierten Platz vorgearbeitet. Zu den Weiten von Europameisterin Christin Hussong (LAZ Zweibrücken), die mit 66,59 Metern die Jahresbestenliste anführt, fehlt zwar noch ein Stück. Und auch in der europäischen U20-Rangliste belegt Julia Ulbricht trotz der Silbermedaille in Boras nur den zehnten Platz, zählt jedoch neben U20-Europameisterin Carolina Visca (Italien) zu den konstantesten Werferinnen: Fünfmal hat sie in dieser Saison bereits über 54 Meter erzielt.
Julia Ulbricht ist zuversichtlich, dass der Speer bald noch ein Stück weiter fliegt. Um vier Meter hat sie sich in diesem Jahr gesteigert, von den erfolgreichen deutschen Speerwerferinnen der letzten Jahre warf nur Christin Hussong im selben Alter weiter (58,55 m im Jahr 2013). „Im Winter bin ich eigentlich das erste Mal wirklich gut durchs Training gekommen“, erklärt die Speerwerferin ihre Entwicklung. „Im Jahr davor habe ich im Winter fast gar nichts gemacht, weil ich ständig krank war. Dieses Jahr konnten wir aber sehr gut trainieren.“
Früh von der Leichtathletik fasziniert
Mit ihrem Start bei der Team-EM sowie der ersten internationalen Medaille in Boras ging für die Deutsche Vizemeisterin der U20 ein kleiner Traum in Erfüllung. „Ich habe mir auf jeden Fall gewünscht, eine Medaille zu gewinnen“, berichtet sie. „Ich wusste, dass es in Boras möglich ist, aber wirklich damit gerechnet habe ich nicht.“
Schon seit frühester Kindheit ist Julia Ulbricht fasziniert von der Leichtathletik. „Im Kindergarten habe ich immer den Leichtathletik-Kurs beobachtet, den die Grundschule angeboten hat. Schon damals habe ich gesagt, dass ich das auch machen möchte“, erzählt sie. „Als ich in die Schule gekommen bin, bin ich dem Kurs dann beigetreten und dabei geblieben.“
Zunächst betrieb sie alle Disziplinen, probierte sich auch im Siebenkampf. „Aber Speerwurf hat mir schon immer am besten gefallen, und da hatte ich auch die besten Chancen“, erklärt Julia Ulbricht. Mit dem Wechsel zu Mark Frank spezialisierte sie sich endgültig auf ihre Lieblingsdisziplin.
Aufbaujahr 2020
Für das kommende Jahr hat sich Julia Ulbricht gemeinsam mit ihrem Trainer vorgenommen, ihre Technik zu verbessern. Denn international steht für das Nachwuchstalent kein großer Wettkampf an. Als im November 2000 geborene Athletin ist sie bei den U20-Weltmeisterschaften nicht mehr startberechtigt. Ihr sportliches Ziel ist daher der Sieg bei den Deutschen U23-Meisterschaften. „Und ansonsten haben wir kommendes Jahr viel Zeit, an der Technik zu arbeiten, etwas zu ändern und zu optimieren und das Jahr darauf dann wieder international anzugreifen“, wagt die Zweite der U20-EM einen Blick voraus.
Viele Speerwerferinnen haben in den letzten Jahren Erfolge für den Deutschen Leichtathletik-Verband gefeiert: Steffi Nerius, Christina Obergföll, Linda Stahl, Katharina Molitor und zuletzt Christin Hussong konnten internationale Titel in der Frauenklasse erringen. An diese Bilanz möchte Julia Ulbricht gerne anknüpfen. Vor allem die Leistungen von Christina Obergföll imponieren ihr.
„Ich möchte noch groß rauskommen und internationale Medaillen, vielleicht Titel gewinnen“, hat sich die 18-Jährige vorgenommen. Druck, die internationale Erfolgsserie fortzusetzen, verspürt sie jedoch nicht. „Ich mache mir keinen Stress. Ich schaue, was passiert, und bin stolz auf mich, wenn ich erfolgreich bin.“ Aktuell gönnt sich die U20-Vize-Europameisterin eine Pause. Nach ihrem Abitur und der langen Saison stand erst mal ein Urlaub auf den Plan. Im März wird Julia Ulbricht dann ein Studium beginnen. Und weiterhin ihren Traum von einer erfolgreichen Speerwurfkarriere verfolgen.