Zehn Wettkampftage, viel sportliche und außersportliche Diskussionsthemen und eine Erkenntnis: Leichtathletik- Weltmeisterschaften in einem Land der Extreme sind ein Risiko. So fällt die Bilanz der Titelkämpfe in Katars Metropole Doha gemischt aus. Auch für das deutsche Team. Nun kommt Olympia in Tokio.
Hitze, Gold und viel Gesprächsstoff: Die deutschen Leichtathleten haben bei den Weltmeisterschaften in Doha (Katar) nicht nur klimatisch ein Wechselbad der Gefühle durchgemacht – die Titelkämpfe im heißen Golf-Emirat Katar waren zugleich eine aufschlussreiche und warnende Generalprobe für Olympia in zehn Monaten in Tokio (Japan).
Das 71-köpfige DLV-Team legte bei der ersten WM in einem arabischen Land auch aufgrund der Zeitplan-Gestaltung einen zu erwartenden verhaltenen Start hin, dann kamen doch noch die ersehnten Medaillen – auch Gold, nämlich der sensationelle Zehnkampf-Titel von Niklas Kaul (USC Mainz). Bronze steuerten Kugelstoßerin Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge), Hindernisläuferin Gesa Krause (Silvesterlauf Trier) und über 5.000 Meter Konstanze Klosterhalfen (TSV Bayer 04 Leverkusen) zur bisherigen WM-Bilanz des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) bei.
Viele Leistungsträger fehlten
Für eine abschließende Gesamtbilanz gilt es, noch den letzten Wettkampftag abzuwarten, an dem unter anderem mit der Weltjahresbesten im Weitsprung Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) und Speerwurf-Titelverteidiger Johannes Vetter (LG Offenburg) große deutsche Hoffnungen am Start sind.
"Es gab gute Leistungen, aber auch Leistungen, die ausbaufähig sind", blickte DLV-Cheftrainer Alexander Stolpe auf die zurückliegenden Wettkampf-Tage zurück. "Man darf bei der Bewertungnicht vergessen, dass viele Leistungsträger verletzungsbedingt gefehlt haben bei einer WM, die extrem spät in der vorolympischen Saison terminiert wurde."
Höhepunkt für das deutsche Team sei die Zehnkampf-Goldmedaille von Niklas Kaul gewesen, der mit 21 Jahren jüngster Zehnkampf-Weltmeister der Geschichte wurde. "Er steht gleichzeitig mit für einen Generationswechsel, der in einigen Disziplinen ansteht", erklärte Alexander Stolpe.
Sorge um das Klima, Lob für die Organisation
Dass die perfekt organisierte und von tausenden Helfern umsichtig betreute WM auch Kritik en masse provozierte, lag vor allem an den – vorher bekannten – klimatischen Bedingungen: Hitze um 40 Grad Celsius tagsüber, auch nachts noch über 30 Grad und hohe Luftfeuchtigkeit. Mit großem technischen Aufwand steuerten die Organisatoren und Teams dagegen. Das Khalifa-Stadion, wo bei der WM 2022 auch Fußball gespielt wird, wurde auf 25 Grad heruntergekühlt.
Die Kritik zahlreicher Athleten zielte vor allem auf die anfangs halbleeren Stadionränge und die extreme Hitze. Weltverbandspräsident Sebastian Coe verteidigte die Vergabe der WM ins Golf-Emirat und vermied jegliche Kritik. "Man war einhellig der Meinung, dass die Konditionen hier beinahe perfekt sind", sagte der britische Lord im ARD-Interview. Die meisten Athleten hätten auch den Eindruck gehabt, dass es eine gute Entscheidung gewesen sei, "die Weltmeisterschaften hier abzuhalten."
Der positiven Einschätzung hinsichtlich der Bemühungen des Ausrichters schloss sich DLV-Präsident Jürgen Kessing an ("Es hat alles hervorragend funktioniert"), der auch die Kritik am Besucherzuspruch relativierte: "Bei der EM 2018 in Berlin war es auch nicht anders. Da haben wir uns von 30.000 auf 60.000 Zuschauer gesteigert."
Wichtige Erkenntnisse für Tokio 2020 und darüber hinaus
DLV-Generaldirektor Idriss Gonschinska ging im Rahmen der Pressekonferenz auch auf die Maßnahmen ein, die in Zukunft das Bestehen der deutschen Athleten im stetig steigenden internationalen Wettbewerb sichern sollen. Dazu zählt ein App-basiertes Athletenmonitoring zur optimierten Steuerung von Be- und Entlastung, aber auch – vorbehaltlich der dafür nötigen Projektmittel – die Optimierung von Trainingsbedingungen und -mitteln.
Für die optimale Betreuung der Athleten gelte es zudem, um die „Next Coach Generation“ zu kämpfen und die Akzeptanz des Berufsbildes zu verbessern. In den kommenden vier Jahren werden rund 40 Prozent der hauptamtlichen DLV-Trainer in den Ruhestand verabschiedet. Ziel sei es, neue „hochqualifiziert wissenschaftlich ausgebildete Trainer zu integrieren.“
Kurzfristig spielt in Richtung der Olympischen Spiele 2020 in Tokio (Japan) weiter das Hitzemanagement eine große Rolle. Dass das medizinischen Kompetenzteam des DLV in dieser Hinsicht schon in Doha sehr gute Arbeit geleistet hat, verdeutlichte der Leitende Mannschaftsarzt Andrew Lichtenthal. Mit Ausnahme einer muskulären Verletzung habe es im deutschen Team keine Ausfälle gegeben. Am Rande der Geher-Strecke reagierte das Team schnell und effektiv, als zwei Athleten an ihre körperlichen Grenzen gekommen waren. „Wir hatten sehr viel weniger Probleme, als wir im Vorfeld gedacht oder erahnt hatten. Ich denke, das hatte auch damit zu tun, dass unsere Vorbereitung sehr gut war.“
WM 2019 Doha