| WM Doha 2019

Niklas Kaul: „Weltmeister wird man nicht allein“

Welche Symbolik: 32 Jahre nachdem der ehemalige DDR-Athlet Torsten Voss in Rom Zehnkampf-Weltmeister wurde, holte sich Niklas Kaul am Tag der Deutschen Einheit den nächsten WM-Titel – mit 8.691 Punkten als jüngster Weltmeister aller Zeiten. Die Zehnkampf-Familie jubelt, und viele mit ihr in der ganzen Republik.
Ewald Walker

„Dieser Junge hat sich auf ganz spektakuläre Art und Weise den Weltmeister-Titel geholt, wie dieser Kaul gekämpft hat, ist schon großartig.“ Dieses Kompliment kam von einem ganz Großen der Szene: Dan O’Brien (USA), dreimaliger Weltmeister im Zehnkampf, war von dem jungen Deutschen beeindruckt. Beeindruckt über die Aufholjagd des 21-Jährigen, der sich am Ende in Doha (Katar) die Zehnkampf-Krone aufgesetzt hatte.

Nach dem Gold-Coup setzten die drei deutschen Zehnkämpfer, neben Niklas Kaul (USC Mainz) auch Tim Nowak (SSV Ulm 1846; Platz zehn) und Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied; Platz 17), ihre Abmachung um: Sie wollten den Sonnenaufgang nach den beiden intensiven Wettkampf-Tagen nicht im Bett erleben. „Bis 3:15 Uhr war es noch dunkel, und binnen fünf Minuten komplett Tag“, schildert Tim Nowak den Morgen danach. 

„Weltmeister wird man nicht allein“, verdeutlicht Niklas Kaul die Philosophie der Zehnkämpfer, „da stecken ganz viele Leute dahinter, ein großes Team“. Realisieren wird er alles, was in Doha um ihn herum passiert ist, später. "Dass die Nationalhymne für mich gespielt wird, damit geht ein Kindheitstraum in Erfüllung."

Erfolgreiche Familien- und Vereinsgeschichte

Hinter Niklas Kaul stehen seine Eltern, die selber Erfahrungen als Leichtathleten bei Welt- und Europameisterschaften gesammelt haben und diese in die junge Karriere von Niklas Kaul fließen lassen. „Sie kennen und unterstützen mich, und hauen mir auf die Finger, wenn ich das Studium schleifen lasse“, ist er ganz offen. Ohne seine Eltern wäre eine Leistungssportkarriere nicht denkbar, und weil Stefanie und Michael Kaul gleichzeitig die Heimtrainer sind, ist die Goldmedaille von Doha eine echte „Familiengeschichte“.

Der bereits in den Jugend-Klassen überaus erfolgreiche Niklas Kaul schätzt die familiäre Situation in seinem Verein, dem USC Mainz, sehr. Und dieser hat mit Guido Kratschmer bereits einen anderen großen Zehnkämpfer und Weltrekordler hervorgebracht, der ein großes Lob zum WM-Triumph aussprach. "Das war schon überwältigend, was Niklas da geschafft hat. "Diese Leistung hätte ich ihm noch nicht zugetraut", Platz drei habe er für möglich gehalten.

Die Bedingungen in Mainz sind ideal: Auf einem Campus, wie man es auch von den Unis in den USA kennt, liegen Trainingsplatz und Uni direkt zusammen. „Nur so ist die duale Karriere möglich“, beschreibt Kaul seine Bedingungen für ein paralleles Lehramtsstudium in Physik und Sport.  

DLV-Zehnkämpfer schon im Jugend-Alter internationale Klasse

Schaut man auf die drei deutschen Zehnkämpfer von Doha, so wird klar, dass hinter den Erfolgen eine intensive Nachwuchssichtung und Förderung steht. Sie alle haben bereits im Jugend- und Juniorenalter internationale Erfolge erzielt: Niklas Kaul ist U23- und U20-Europameister (mit U20-Weltrekord) sowie U18-Weltmeister, Tim Nowak gewann Bronze bei der U20-WM und U20-EM, Kai Kazmirek war U23-Europameister und Dritter der U20-EM.

„Das zeigt schon, dass wir ein gut funktionierendes System haben und dass auch die Qualität im Trainerbereich sehr hoch ist“, betont Bundestrainer Christopher Hallmann, der eine starke Trainingsgruppe am Bundesstützpunkt in Ulm leitet. „Natürlich bin ich als Bundestrainer auch ein wenig stolz auf das, was hier in Doha passiert ist“, gesteht der 36 Jahre alte gebürtige Essener.

Zwischen 800 und 900 Glückwunsch-Nachrichten auf dem Handy

Und wie geht Niklas Kaul mit seinem sensationellen Sieg und den Folgen um? „Auf dem Heimflug muss ich anfangen, das alles zu verarbeiten“, sagt er über die Rückreise nach Deutschland am Samstag. Zwischen 800 und 900 Nachrichten und Mails sind auf dem Handy aufgelaufen, da wird’s nicht langweilig. Auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Tokio (Japan) will der Mainzer auf dem hohen Niveau weitertrainieren. „Der deutsche Zehnkampf hat eine lange Geschichte, diese möchte ich fortsetzen“, hat er seine Möglichkeiten erkannt.

Dabei denkt er überhaupt nicht an die 9.126 Punkte und den Weltrekord von Kevin Mayer. „Ich will das Hier und Jetzt genießen, der Zehnkampf ist nicht berechenbar“, gibt er sich gelassen. Höhen und Tiefen gehören für ihn zum Sport. Niklas Kaul lebt mit seiner Freundin zusammen, einer Siebenkämpferin. Die Liebe zur Leichtathletik verbindet.

Tim Nowak mit Rang zehn zufrieden, Kai Kazmirek hofft auf Tokio

„Ich bin mit meinem zehnten Platz sehr zufrieden, hätte aber gerne noch mehr Punkte gemacht“, lautete das persönliche Fazit von Tim Nowak. Für ihn war wichtig, dass seine angeschlagene Schulter hielt, mit der er in Doha seit Mai die ersten Würfe mit dem Speer machen konnte. „Niklas ist mit 21 Jahren schon Weltklasse“, hatte er ein Kompliment für seinen Zimmergenossen parat. Nowak hat sein BWL-Studium abgeschlossen und ist seit September Sportsoldat in der Sportfördergruppe.

Natürlich haderte Kai Kazmirek, WM-Dritter von London 2017, mit seinem Zehnkampf. Er ist bei den 110 Meter Hürden, der ersten Disziplin am zweiten Tag, hängengeblieben und ausgeschieden. „Platz fünf bis sieben wäre möglich gewesen." Den Zehnkampf zog er dennoch bis zum Ende durch und erkämpfte sich mit 7.414 Punkten aus neun Disziplinen Platz 17. Vielleicht hat der nächste Sonnenaufgang in Tokio eine bessere Farbe für ihn.    

WM 2019 Doha

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