Christina Schwanitz blickt nach ihrem großartigen WM-Comeback schon Richtung Olympia. Die Kugelstoßerin nimmt die Dreifachbelastung mit Zwillingen, Studium und Leistungssport weiter auf sich.
Vor der Kamera weinte Christina Schwanitz Freudentränen. Noch nie hatte man die Kugelstoßerin in der Öffentlichkeit so aufgelöst gesehen. „Ich glaube, ich war zwischendurch mal überm Stadion“, sagte die 33-Jährige aus Chemnitz nach ihrem Bronze-Coup bei der Leichtathletik-WM. „Ich bin unheimlich glücklich, stolz, zufrieden, in mir ruhend – mittlerweile – zu Tränen gerührt, alles.“ Nach ihrer Babypause hatten schon einige Sportlerinnen wie Jamaikas Sprintstar Shelly-Ann Fraser-Pryce in Doha Gold geholt. Jetzt aber steht eine Zwillingsmutter in den Medaillenlisten.
2013 in Moskau hatte Schwanitz Silber gewonnen, zwei Jahre später in Peking wurde sie gar Weltmeisterin. „Jetzt hat sie den Medaillensatz komplett“, sagte ihr langjähriger Trainer Sven Lang auf seine gewohnt trockene Art. Sein Schützling drückte es so aus: „Dieses Bronze dieses Jahr ist mein ganz persönliches Gold.“
Im Juli 2017 hatte Schwanitz ein Mädchen und einen Jungen zur Welt gebracht, in diesem Jahr ein Bachelor-Studium für Soziale Arbeit aufgenommen. Dazu der Hochleistungssport. Kein Wunder, dass Lang sagte: „Sie ist eine Powerfrau.“ Ihre 19,17 Meter waren zwar keine Saisonbestweite, reichten am Donnerstagabend aber, um nur von der chinesischen Titelverteidigerin Gong Lijiao (19,55 m) und der Jamaikanerin Danniel Thomas-Dodd (19,47 m) geschlagen zu werden.
Nie abgeschrieben
Die „Krümel“, wie Schwanitz ihre Kleinen nennt, werden diese Leistung erst in vielen Jahren einschätzen können. Sie hatten zu Hause vom großartigen WM-Comeback ihrer Mutter ohnehin nichts mitbekommen. „Erstens sind die Krümel schon lange, lange im Bett. Zweitens dürfen die noch gar nicht Fernsehen gucken“, erklärte die WM-Dritte vom LV 90 Erzgebirge – und lachte wie so ganz oft an diesem Abend.
„Ich möchte einfach nur Danke sagen. Danke an alle, die mich unterstützt haben“, sagte Schwanitz im ARD-Interview. Sie zählte Trainer, Ehemann, Familie, Freunde, Arzt, Physiotherapeuten, Verband auf – und den Kindergarten ihrer Zwillinge. „Danke, dass sie nicht gesagt haben: Jetzt ist sie eine Mama, jetzt ist die abgeschrieben. Ich hab‘ ganz viel Hilfe bekommen.“
Sport das Zweitwichtigste im Leben
Nach der WM wird die zweifache Europameisterin erst mal Urlaub machen. Oft war sie im vergangenen Jahr so geschlaucht, dass sie abends um neun Uhr nur noch ins Bett fiel. „Wir haben einen etwas längeren Plan erstellt, damit die Mama im Kopf, im Geist, im Körper wieder so frisch ist, um in Attackeposition zu gehen“, erklärte Schwanitz. Denn: Bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio will sie wieder angreifen. 2012 in London war sie Zehnte, 2016 in Rio de Janeiro reiste die Mitfavoritin enttäuscht als Sechste ab.
Ihr Trainer Lang, der schon David Storl zu zwei WM-Titeln geführt hatte, weiß, dass es weiter sehr anstrengend wird für Schwanitz. „Die Kinder sind jetzt in einem Alter, wo sie noch mehr Aufmerksamkeit verlangen“, sagte er. „Sie hat mit dem Studium begonnen, aber in der Vorbereitung auf Olympia wird sie zwei Urlaubssemester nehmen.“
Und nach Tokio? Wenn sie dann 34 ist? „Keine Ahnung. Weiß ich noch nicht“, sagte sie. So schnell wird Schwanitz vermutlich von der Leichtathletik nicht lassen, trotz der enormen Dreifachbelastung. „Ich bin nie tiefenentspannt. Mir fetzt das immer noch, mir macht das immer noch Spaß“, erklärte die Kugelstoßerin voller Leidenschaft. „Sport ist mein Leben. Nach meinen Kindern – und natürlich meinem Mann – das Zweitwichtigste.“
Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)