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Imke Onnen – Zwischen Verunsicherung und Vorfreude auf den nächsten Sprung

Fast genau ein Jahr ist es her, da rückte für Imke Onnen in Karlsruhe mit 1,96 Meter der Olympia-Start in greifbare Nähe. Dann zog sich die Hochspringerin eine hartnäckige Knieverletzung zu. Jetzt endlich stehen die ersten Sprünge der Hallensaison auf dem Trainingsplan. Für die 26-Jährige sollen sie nach Monaten voller Verunsicherung auch ein Stück der Unbeschwertheit zurückbringen.
Silke Bernhart

„Zum Start in das Jahr 2020 haben wir noch alle euphorisch angestoßen und waren voller Vorfreude auf das, was kommen wird“, erinnert sich Imke Onnen. „In diesem Jahr war das anders. Klar haben wir mit den Olympischen Spielen unser großes Ziel vor Augen. Doch die Corona-Zeit hat schon an einem genagt und dafür gesorgt, dass jetzt immer ein großes Aber im Hinterkopf ist.“

Die 26 Jahre alte Hochspringerin von Hannover 96 zählt zu den herausragenden deutschen Athletinnen der vergangenen Hallensaison – und hatte daraufhin im Jahr 2020 der Corona-Pandemie gleich in unterschiedlicher Hinsicht mit großen Hindernisse zu kämpfen. Das Überqueren der Latte zählte erst einmal nicht dazu.

Auf Höhenflug folgt Verletzung

Vor fast genau einem Jahr hallten die Freudenschreie von Imke Onnen durch die Messehalle in Karlsruhe: 1,96 Meter im ersten Versuch, nach einer blitzsauberen Serie (zum Video). Das Olympia-Jahr hätte kaum besser starten können, denn mit dieser Einstellung ihrer Bestleistung war die hohe internationale Norm für Tokio (Japan) abgehakt. Doch schon kurz darauf setzten Kniebeschwerden einen Schlusspunkt unter die Höhenjagd von Imke Onnen. Seitdem hat sie keinen Wettkampf mehr bestritten.

Diagnostiziert wurde das Patellaspitzen-Syndrom, auch bekannt als „Springer-Knie“, eine Reizung der Sehnen im Übergang vom Oberschenkel zum Knie, die sich als sehr hartnäckig herausstellte. „Es gibt viele unterschiedliche Therapie-Ansätze“, erklärt Imke Onnen, „bei mir hat schließlich viel Kniekräftigung geholfen, in Verbindung mit einem Aufenthalt im Red Bull Performance Center in Salzburg, wo ich medizinisch optimal betreut wurde.“

Corona als besondere Gefahr

„Die Zeit war ziemlich hart“, blickt sie zurück. Denn zur Verletzung („Ich hätte nicht gedacht, dass das so lange dauert“) kam bald als weitere große Herausforderung die Corona-Pandemie hinzu. Und die brachte für die Hochspringerin ungleich größere Einschränkungen mit sich, als für viele andere Athleten. Denn die Hannoveranerin lebt mit ihrer Familie in einem Drei-Generationen-Haushalt auf zwei Etagen – und vier ihrer Familienmitglieder zählen zu Risikogruppen für einen schweren Verlauf einer COVID19-Erkrankung.

„Sicher wäre es für mich anders, wenn ich in meiner eigenen Wohnung nebenan wohnen würde“, sagt Imke Onnen, die von ihrer Mutter Astrid Fredebold-Onnen trainiert wird. „Wir haben viel darüber gesprochen, wie wir in der Familie miteinander umgehen wollen – und auch einen Plan für den Sport ausgearbeitet. Insgesamt haben wir uns ziemlich abgeschottet von der Außenwelt.“

Viele neue Denkprozesse angestoßen

Eine willkommene Abwechslung boten da zwei Teamwochen der Springer in Kienbaum im Sommer und Herbst, die mit umfangreichen Hygienemaßnahmen einen sicheren Trainingsalltag garantieren konnten und Impulse gaben, die Imke Onnen auch menschlich weiterbrachten. Im Juni absolvierte sie die ersten Technik-Einheiten und Sprünge seit ihrer Verletzung. Im November profitierte sie vom Austausch mit Balian Buschbaum, der sich als Speaker zur Gruppe der DLV-Athletinnen und -Athleten gesellte.

Der einstige Stabhochspringer stellte die Frage „Was ist für euch ein Champion?“ Es war ein Denkanstoß, der zu intensiven Diskussionen anregte und für die Hochspringerin zu der Erkenntnis beitrug: „Champion kann man auch im Kleinen sein, schon darin, wie man den Alltag bestreitet.“ Sie habe im vergangenen Jahr viel gelernt und die Möglichkeit ergriffen, sich in Ruhe mit sich selbst und mit zentralen Fragen zu beschäftigen – „auch wenn ich noch nicht auf alle eine Antwort gefunden habe.“

Vorfreude auf die ersten Sprünge seit Juni

Mit der zweiten Welle der Corona-Pandemie nahmen zuletzt neben den Sorgen um eine Ansteckung der Familienmitglieder auch die Einschränkungen im Training wieder zu. So absolvierte Imke Onnen mit ihrer Trainingsgruppe bisher die meisten Einheiten im Freien: „Alles, was draußen geht, machen wir draußen“, erklärt sie, „das ist nicht immer optimal, aber das ist es mir wert.“

Eine Verbesserung der Trainingsbedingungen ist jedoch in die Wege geleitet: In der Leichtathletik-Halle in Hannover wurden der Gruppe nun eigene Nutzungszeiten abseits vom regen Trainingsbetrieb der weiteren Kaderathleten zugewiesen. Die ersten Sprünge auf eine Hochsprung-Matte seit Juni bringen Abwechslung und zugleich den Fokus auf die Technik zurück.

Ein bis zwei Hallen-Wettkämpfe denkbar

„Schon draußen haben wir uns über das erste Sprungkraft-Training so gefreut“, berichtet Imke Onnen, „Beim Sprung über die Latte ist das Glücksgefühl noch viel größer!“ Und dieses Gefühl will sie wieder häufiger erleben, einhergehend mit einer höheren Konstanz im Trainingsalltag, spezielleren Einheiten und Einheiten im Kraftraum.

Dann sollte dem nächsten Höhenflug eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Denn zumindest körperlich stehen alle Zeichen auf Grün: „Ich bin frei von Problemen und habe mir einen ziemlich guten Trainingsstand erarbeitet. Wir haben viele Ausgleichsübungen gemacht, viel für die Fitness getan – ich fühle mich richtig gut!“

Die ersten Sprünge über die Latten dürften zugleich die Optionen und Ziele für die Hallensaison aufzeigen. „Wir wollen nichts riskieren“, sagt Imke Onnen zwar, aber auch: "Wenn ich meinen guten Trainingsstand jetzt noch beim Techniktraining in Höhe umsetzen kann, bin ich zuversichtlich, auch noch einen oder zwei Wettkämpfe zu bestreiten."

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