| Hallen-EM

Xenia Achkinadze - Volle Kanne von Beginn an

Nach einem Jahr voller Enttäuschungen, Verletzungen und Zweifel ging es für Weitspringerin Xenia Achkinadze in der Hallensaison endlich wieder aufwärts. Die 26-Jährige sprang überraschend zu DM-Silber und löste das Ticket zur Hallen-EM. Vor ihrem ersten internationalen Großereignis bei den Aktiven fühlt sich die Wiesbadenerin in einer „super Verfassung“ - und fiebert dem Kräftemessen mit den Besten entgegen.
Tammo Lotz

"Ich freue mich auf Prag und die starke Konkurrenz. Das ist pures Adrenalin, das treibt mich an." Glücklich, selbstbewusst und kämpferisch. So präsentierte sich Xenia Achkinadze, nachdem ihr bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Karlsruhe hinter der Favoritin Sosthene Moguenara (TV Wattenscheid 01; 6,68 m) eine Punktlandung auf die Norm für Prag von 6,55 Metern gelungen war. Eine Leistung, die von der gebürtigen Russin nicht unbedingt zu erwarten gewesen war.

Zu selten hat Xenia Achkinadze in den letzten knapp zwei Jahren ihr wahres Leistungsvermögen zeigen können. 2013 sprang sie ihre aktuelle Bestleistung von 6,66 Metern bereits Ende Mai, konnte ihre Form aber nicht halten. Ein Jahr später tauchte die Wiesbadenerin, von ständigen Verletzungen geplagt, mit unauffälligen 6,44 Metern in der Saisonbestenliste auf.

Trainerwechsel I

Dazwischen lag der Trainerwechsel von Jürgen Sammert zu Harry Letzelter, dem Urgestein des USC Mainz, der in den 80er Jahren erst Monika Hirsch (PB 100 m: 11,41 sec; 200 m: 23,01 sec) und später Marion Wagner (11,24 sec  / 23,39 sec) zu Sprint-Erfolgen geführt hatte. Doch der erhoffte Effekt blieb nach vielversprechendem Beginn aus. „Es lief einiges durcheinander und nicht optimal“, fasst die Polizeikommissarin zusammen.

Der absolute Tiefpunkt war erreicht, als sie bei den Deutschen Meisterschaften im letzten Sommer in Ulm beim Aufwärmen erfuhr, dass sie ohne einen Sprung die Heimreise antreten würde. Xenia Achkinadze wurde nicht ordnungsgemäß zum Wettkampf angemeldet. „Auf der Heimfahrt habe ich nur geheult.“ Frustriert und nachdenklich fragte sie sich: „Kommt da noch was? War das schon alles?“ Und das im Alter von 25 Jahren, weit vor dem vermeintlichen Zenit ihres Könnens. Das Selbstvertrauen war weg. Da kommt man schon mal ins Grübeln.

Trainerwechsel II

Was schnell feststand: es musste etwas passieren. Xenia Achkinadze wollte einen Neuanfang, suchte einen neuen Trainer. Noch am Abend des DM-Desasters rief sie bei Weitsprung-Bundestrainer Ulrich Knapp an und fragte um Rat. Es dauerte nicht lange und Knapp erinnerte sich an Peter Rouhi. Der hatte ein Jahr zuvor bei dem Saarländer hospitiert und war selbst ein Weitspringer der erweiterten deutschen Spitze. Mit acht Metern verpasste er 1988 nur knapp einen Start bei den Olympischen Spielen. Rouhi stellte sich der Herausforderung, spürte aber auch einen gewissen Druck: „Bei einer Springerin auf diesem Niveau musst du zeigen, dass du es als Trainer drauf hast.“

Am 1. August sah Peter Rouhi seinen neuen Schützling zum ersten Mal springen. Und erkannte in der Zusammenarbeit mit Xenia Achkinadze schnell "eine glückliche Fügung". Der Ehrgeiz, das Streben nach dem perfekten Sprung - "Wir lagen von Anfang an auf einer Wellenlänge", so die Wiesbadenerin, die im Alter von elf Jahren zusammen mit ihrer Mutter nach Deutschland gekommen war.

"Ich habe schnell gemerkt, da bewegt sich was. Der kann was aus mir machen. Es ist, als würde er mich schon viel länger kennen." Im Anlauf und Absprung sah Rouhi das größte Verbesserungspotenzial. "Weit springen kann man nur, wenn man schnell und technisch sauber sprintet und die Geschwindigkeit auch in den Sprung mitnimmt", so der selbstständige Finanzberater.

Stabiler, aktiver und noch schneller

Dass Xenia Achkinadze schnell ist und weit springen kann, ist schon lange bekannt. 2008 verpasste sie U20-WM-Bronze nur um acht Zentimeter. 2012 sprang die Hessin, die über den ESV Jahn Treysa (bis 2006), die LG Eintracht Frankfurt (2007 bis 2011) und den SC Gelnhausen (2012 bis 2014) zum Wiesbadener LV kam, in der Karlsruher Europahalle mit 6,56 Metern zum deutschen Meistertitel. Im darauffolgenden Jahr erzielte sie mit etwas zu viel Rückwind sogar 6,69 Meter.

Trotzdem: für Kenner der Weitsprung-Szene ist Xenia Achkinadze in dieser Saison kaum wiederzuerkennen. Stabil im Oberkörper, das Gewicht nach vorn verlagert, druckvolles Fußaufsetzen und aktiver Absprung – "Man sagt mir, du läufst jetzt ganz anders", sagt die Universiade-Teilnehmerin von 2013. Und schneller als je zuvor. Über 60 Meter steigerte sie sich Anfang Januar auf 7,59 Sekunden.

"Am liebsten Bestleistung"

Noch aber läuft nicht alles rund. So startete Xenia Achkinadze in Karlsruhe mit zwei ungültigen Versuchen, brachte insgesamt nur zwei gültige Sprünge in die Grube. Das war nicht weiter schlimm, denn sechs Versuche waren ihr bei nur acht Teilnehmerinnen sicher. Das wird in der O2 Arena in Prag anders sein. Von den 23 gemeldeten Springerinnen kommen acht ins Finale (am Samstag ab 16:45 Uhr). Xenia Achkinadzes Taktik für die Qualifikation am Freitag (ab 12:15 Uhr): „Ab dem ersten Versuch volle Kanne. Ich will gleich im ersten Versuch das Brett treffen und weit springen.“

Sie weiß, dass es weit hinausgehen kann, fühlt sich ähnlich gut wie vor der Hallen-DM. Xenia Achkinadze spürt die Nervosität, weiß aber auch, was vor der Qualifikation am Freitag zählt: „Ruhe bewahren und vom Kopf her locker in den Wettkampf gehen. Ich habe bereits mehr erreicht als erwartet. Prag ist ein Bonus.“ Was aber nicht heißt, dass sie mit der bloßen Teilnahme zufrieden ist. „Das ist ein Leistungssportler doch nie. Ich will meine Weite von Karlsruhe zumindest bestätigen, am liebsten aber Bestleistung springen.“

Gut möglich, dass die für das Finale nötig sein wird. In der Meldeliste, die von Sosthene Moguenara (6,86 m) angeführt wird und in der auch die bis letzten August gesperrte Testosteron-Doperin und WM-Dritte von 2009, Karin Melis-Mey (Türkei), auftaucht, steht Xenia Achkinadze mit ihren 6,55 Metern auf Rang zwölf. Bei den letzten drei Hallen-Europameisterschaften musste man mindestens 6,51 Meter springen, um in den Endkampf zu gelangen. Die letzte Deutsche, die den erreichte, war Bianca Kappler 2007 als Vierte (6,63 m).

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