Götzis bleibt das Pflaster von Carolin Schäfer und Kai Kazmirek. Beide behaupteten sich in Weltklasse-Feldern mit Platz drei, für die Siebenkämpferin sprang sogar eine neue Bestleistung heraus. Ebenfalls die Olympia-Norm in der Tasche hat Claudia Rath.
Der erste Mehrkampf des Jahres ist stets von besonderer Brisanz – umso mehr in einem Olympia-Jahr. Wer ist früh in Top-Form? Wer muss im Kampf um die internationalen Tickets nachsitzen? Wer beweist Nervenstärke? Und wer wackelt unter Druck? Das Wochenende in Götzis brachte zumindest zwei klare Antworten: Carolin Schäfer (TV Friedrichstein) und Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) sind Deutschlands erste Mehrkampf-Kandidatin für die Olympischen Spiele in Rio.
Die 24 Jahre alte Carolin Schäfer präsentierte sich von Beginn an hellwach. Nach einem Einsteig in 13,26 Sekunden über die Hürden marschierte die Hessin unbeirrt auf Bestleistungskurs weiter. Der Höhepunkt an Tag eins: 200 Meter in 23,37 Sekunden. Der Höhepunkt an Tag zwei: 6,31 Meter im Weitsprung. Auch mit dem Speer (48,20 m) und über 800 Meter (2:17,02 min) ließ sie anschließend nichts mehr anbrennen. 6.557 Punkte bedeuteten eine neue Siebenkampf-Bestleistung und das beste Resultat einer Deutschen seit 2012, als Lilli Schwarzkopf mit 6.649 Punkten Olympia-Silber geholt hatte.
Der Sieg ging wie schon im Vorjahr an die Vize-Weltmeisterin aus Kanada Brianne Theisen-Eaton. Mit drei Einzel-Bestleistungen absolvierte auch sie einen starken Wettkampf und sammelte damit 6.765 Zähler, nur 43 weniger als 2015 in Götzis bei ihrem Hausrekord. Mit 6.622 Punkten feierte dahinter die WM-Dritte aus Lettland Laura Ikauniece-Admidina einen neuen Landesrekord. Überragend: 54,83 Meter mit dem Speer.
Auch Claudia Rath mit Olympia-Norm
Weniger die Top Drei als vielmehr die Olympia-Norm von 6.200 Punkten hatten die weiteren deutschen Starterinnen auf dem Schirm. Verhärtungen im Oberschenkel machten dabei der WM-Fünften Claudia Rath (LG Eintracht Frankfurt) das Leben schwer. Doch sie bewies Kampfgeist, zeigte im Weitsprung (6,54 m) die zweitbeste und über 800 Meter (2:09,27 min) gar die beste Leistung der Konkurrenz und schob sich damit am Sonntag noch mit 6.290 Punkten auf Rang sieben nach vorne - und das nach einem mageren Hochsprung von 1,71 Meter, der sie mehr als 100 Punkte kostete.
Jennifer Oeser (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Lilli Schwarzkopf haben in Götzis mit 6.171 und 6.088 Punkten eine erste Visitenkarte abgegeben. Aktueller Stand: Mit erfüllter Norm aus dem Vorjahr ist die Leverkusenerin derzeit Kandidatin Nummer drei für Rio. Lilli Schwarzkopf kann aber beim <link>Mehrkampf-Meeting in Ratingen (25./26. Juni) noch einmal kontern, und auch alle anderen Athletinnen werden dort wohl die Chance suchen, noch eine Schippe draufzupacken.
Anna Maiwald kann für Amsterdam planen
Ausnahme: Götzis-Debütantin Anna Maiwald (TSV Bayer 04 Leverkusen). Nach Bestzeit über die Hürden (13,53 sec) ließ sie zwar in jeder weiteren Disziplin ein paar Punkte liegen, dennoch reichte es zu 6.008 Punkten und damit zu ihrem dritten 6.000er. Die EM-Norm für Amsterdam (Niederlande; 6. bis 10. Juli) ist erfüllt, und so steht ihre nächste Premiere bevor: der Start in der deutschen A-Nationalmannschaft. Ratingen steht damit nicht auf ihrem Terminkalender.
Nur noch als Zuschauerin dabei war am Sonntag Cindy Roleder (SC DHfK Leipzig), die nach einem guten ersten Tag aufgrund leichter Kniebeschwerden auf die letzten drei Disziplinen verzichtet hatte. "Ich war auf einem guten Kurs, ähnlich wie in Ratingen letztes Jahr", sagte sie. Sie hätte gerne weiter gemacht, "aber es hätte keinen Sinn gemacht, hier etwas zu riskieren."
Kai Kazmirek bewahrt kühlen Kopf
Die deutschen Zehnkämpfer waren morgens um 10:05 Uhr mit stark dezimiertem Aufgebot an den Start gegangen: Nur Vorjahressieger Kai Kazmirek und Debütant Tim Nowak (SSV Ulm 1846) standen über 110 Meter Hürden in den Startblöcken. Rico Freimuth (SV Halle) und Jan Felix Knobel (Königsteiner LV) waren am Samstag mit drei Ungültigen im Weitsprung ausgeschieden, Arthur Abele (SSV Ulm 1846) blieb wenig später im Kugelstoßen ohne gültigen Versuch. "Drei Zehnkämpfer raus - in meiner Zeit als Bundestrainer ist das ein Novum", musste auch Rainer Pottel konstatieren.
„Das darf ich gar nicht an mich ranlassen“, lautete am Sonntag die Devise von Kai Kazmirek. Zwar spukte der Gedanke an ein vorzeitiges Aus weiter in seinem Kopf, dennoch zog er seinen Wettkampf unter schwierigen Bedingungen durch. Besonders zufrieden stellten ihn die Hürdenzeit von 14,25 Sekunden sowie 5,00 Meter im Stabhochsprung nach zwei Regen-Unterbrechungen. Punkte liegen ließ er dagegen mit dem Diskus (39,56 m) sowie mit dem Speer (57,63 m).
Tim Nowak nimmt die Beine in die Hand
In der Endsumme brachten Kai Kazmirek die zehn Disziplinen von Götzis 8.318 Punkte und Rang drei. Wie Carolin Schäfer schaffte er es damit im zweiten Jahr in Folge in die Top Drei. An der Spitze triumphierte Favorit Damian Warner (Kanada) mit 8.523 Punkten. Nach 10,15 Sekunden über 100 Meter war er auch über 110 Meter Hürden (13,72 sec) als Schnellster in den Wettkampf-Tag gestartet. Dahinter lieferte der Franzose Kevin Mayer (8.446) einen starken Wettkampf ab, mit glänzenden Weiten mit Diskus (48,99 m) und Speer (65,77 m).
Ein versöhnliches Ende fand das Götzis-Debüt für Tim Nowak, der auf den abschließenden 1.500 Metern seinen Hausrekord um fast zehn Sekunden auf 4:28,84 Minuten steigerte - Platz 14 mit Bestleistung von 7.827 Punkten, und das in einem Zehnkampf, der den 20-Jährigen alles andere als zufrieden stellte. Mit dieser Leistung wahrte er zumindest eine kleine Chance auf eine EM-Nominierung, denn zwar fehlte die DLV-Norm, der Richtwert des Europaverbands (7.800) ist aber abgehakt.
STIMMEN ZUM WETTBEWERB:
Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied)
Mit dem Einstieg über die Hürden heute bin ich sehr zufrieden. Der Diskuswurf war dann eine Katastrophe. Aber immer noch besser als drei Ungültige! Auch mit dem Stabhochsprung bin ich sehr zufrieden, bei dem Wetter und mit zwei Unterbrechungen war das sehr schwer. Im Speerwurf habe ich's dann mit der Brechstange versucht, das geht natürlich schief. Über 1.500 Meter gingen die Beine komplett zu. Ich bin froh, dass ich noch über 8.300 Punkte gemacht habe. Ich bin in einem Weltklasse-Feld Dritter geworden. Fast die Hälfte der Zehnkämpfer ist ausgestiegen, wer hätte das vorher gedacht? Das Ausscheiden der anderen sollte man natürlich eigentlich nicht an sich heranlassen, aber irgendwie hat mir das doch im Kopf herumgespukt.
Tim Nowak (SSV Ulm 1846)
Ehrlich gesagt bin ich total angenervt. So habe ich mir meine Premiere in Götzis nicht vorgestellt! Dass ich jetzt eine Zehnkampf-Bestleistung gemacht habe und das Ergebnis erstmal in den Bestenlisten steht, mit Zahlen wie 50,29 über 400 Meter und 1,94 im Hochsprung, macht es fast noch schlimmer. Ich weiß nicht, was los war. Ich war nicht konzentriert, irgendwie überhaupt nicht da, dabei war ich gut in Form. Im Stabhochsprung wäre eine Bestleistung drin gewesen, da hat das Wetter nicht mitgespielt. Aber ein paar Leistungen waren einfach indiskutabel. Am zweiten Tag habe ich mich zusammengerissen, die 1.500 Meter waren dann immerhin der beste Lauf meines Lebens.
Carolin Schäfer (TV Friedrichstein)
Es war ein klasse, runder Mehrkampf! Ich freue mich riesig darüber. Für mich stand im Mittelpunkt, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Jetzt habe ich eine gute Punktzahl angeboten, die wird schwer zu toppen sein. Die Leistungen waren schon sehr gut, aber noch nicht das, was ich wirklich kann. Der zweite ungültige Stoß im Kugelstoßen war an die 15 Meter, die 1,83 Meter sind fast liegen geblieben, auch bei den 800 Metern kann ich noch mehr rausholen, wenn es wirklich um was geht. Ich weiß, dass ich noch was draufpacken kann. Der Fahrplan ist auf Rio ausgerichtet.
Claudia Rath (LG Eintracht Frankfurt)
Im Weitsprung wäre ich gerne noch ein bisschen weiter gekommen, letzte Woche in Bad Langensalza habe ich ja schon 6,62 Meter geschafft. Aber der Wind hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Außerdem habe ich leider eine Verhärtung im Oberschenkel, die ist beim Speerwurf noch mal aufgerissen. Wir hatten schon überlegt, ob ich die 800 Meter überhaupt laufe. Ich habe dann gefragt: Kann was kaputt gehen? Und die Physios haben nein gesagt. Nach 200 Metern war es dann okay, da bin ich in einen guten Tritt gefallen. Das Gas geben war aber nicht das Angenehmste. Ganz zufrieden bin ich nicht, aber immerhin bin ich zweitbeste Deutsche. Die Punktzahl können die anderen beiden allerdings auch machen. Gleich setzen wir uns zusammen und überlegen, wer auf die EM setzt und wer in Ratingen startet. Es ist schade, dass man das so früh entscheiden muss. Jetzt mache ich aber erstmal drei Tage Urlaub mit meinen Eltern, wir bleiben hier, da habe ich ein bisschen Ruhe.
Anna Maiwald (TSV Bayer 04 Leverkusen)
Mit den Hürden bin ich sehr zufrieden, das war Bestleistung. Ansonsten war alles im Rahmen. Kein Ausreißer nach oben, keiner nach unten. Es war nicht ganz das, was ich wollte, aber die Quali für die EM habe ich. Das war mein Ziel, auch wenn es natürlich schon gewesen wäre, wenn dabei eine Bestleistung herausgesprungen wäre. Naja, die mache ich dann in Amsterdam! Die Premiere in Götzis war echt toll, noch mal ganz anders als alle anderen Wettkämpfe, die ich bisher gemacht habe. Die Aufregung war am Anfang ganz schön groß. Aber ich habe versucht, es zu genießen, das anzunehmen und daraus Motivation zu ziehen.
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