| Interview der Woche

Richard Ringer: „Ich kann sicher noch zulegen“

Richard Ringer (VfB LC Friedrichshafen) hat am Sonntag beim renommierten Cross im niederländischen Tilburg mit einer eindrucksvollen Vorstellung den Sieg erkämpft. Damit rückte sich der Betriebswirt für eine vordere Platzierung bei der Cross-EM in Toulon (Frankreich; 13. Dezember) in Position. Im Interview spricht der 26-Jährige unter anderem über den Stellenwert der Tilburger Veranstaltung, sein momentanes Training und Unterschiede bei der Fußbekleidung auf der Bahn und im Gelände.
Harald Koken

Richard Ringer, Sie haben in Tilburg in keiner Sekunde gewankt und das Rennen überaus kontrolliert nach Hause gelaufen. War das so geplant?

Richard Ringer:

Nein, keinesfalls. Weder Verlauf noch Ausgang habe ich so erwartet. Um mir Rempeleien zu ersparen, bin ich nach dem Startschuss volles Rohr losgesprintet. Dass ich dann vorn geblieben bin, hat mich überrascht. Ich wollte eigentlich nicht alles von der Spitze weg machen, aber dann hat mir mein Trainer Eckhardt Sperlich zugerufen, ich möge das Feld von vorne sprengen, was letztendlich gelungen ist und zum Erfolg geführt hat.

Ein leichtfüßiger Sieg also?

Richard Ringer:

Insgesamt ist mir das Rennen überhaupt nicht schwer gefallen. Aber wenn man gewinnt, ist alles leicht. Wenn du gegen die Top-Crossläufer aus Belgien und den Niederlanden gewinnst, ist das was ganz Besonderes, weil das ein ganz anderes Niveau ist als in Deutschland. Was auch für die Veranstaltung gilt: Die Zuschauer rufen alle deinen Namen, obwohl du die gar nicht kennst. Das ist eine unglaubliche Atmosphäre.

Tilburg ist nicht nur für die stets gute Besetzung bekannt, sondern auch für eine anspruchsvolle Strecke mit Anstiegen, querliegenden Baumstämmen und Sandpassagen. Wie haben Sie sich darauf eingestellt?

Richard Ringer:

Ich war schon zum vierten Mal in Tilburg, kenne also die Strecke, die Wurzeln und alles. Ich habe mich immer nur auf die einzelnen Etappen konzentriert. Ich habe gar nicht gedacht: jetzt noch fünf Runden, jetzt noch vier Runden. Das habe ich ausgeblendet. Ich habe allerdings stets wahrgenommen, dass mein Trainer rein gerufen hat: Jetzt sind noch so und so viele hinter dir.

Wie ist der Sieg im Hinblick auf die Cross-EM zu werten?

Richard Ringer:

Ich bin in Tilburg fast die gesamte Strecke vorn gewesen, ich kann also sicherlich noch zulegen, wenn ich im Feld laufe. Da ist sicherlich noch etwas drin. Aber die Top-Läufer bei der EM sind alle Spezialisten, es kommen einige Ex-Afrikaner hinzu. Aber ich muss mich nicht verstecken. Ich gehöre in Europa über 5.000 Meter zu den Besten. Die Top Sieben will ich auf jeden Fall erreichen, wenn möglich noch ein paar Plätze weiter vorn landen. Vor zwei Jahren war ich ja Siebter. Da bin ich vorher in Tilburg auch Siebter geworden.

Acht Tage vor Tilburg haben Sie den Olympia-Alm-Cross in München gewonnen. Sind die Läufe vergleichbar?

Richard Ringer:

Nein, Tilburg ist eine ganz andere Hausnummer. In München war es so: reinkommen, testen, erst einmal hinterherlaufen und gucken. In Tilburg galt es von Anfang an alles zu geben und es lief echt komplett anders. Allein schon von der Geschwindigkeit her. Ich habe mich gefühlt, als ob ich fliegen würde. Und in München stand ich irgendwie, so hat es sich angefühlt.

Wie sieht Ihr derzeitiges Training im Vergleich zum Vorjahr aus?

Richard Ringer:

Letztes Jahr habe ich eine Hallensaison gemacht. Da waren die Umfänge sehr reduziert, weil ich sehr viele Intervalle absolviert habe. Da kannst du nicht gleichzeitig auch Kilometer machen. Jetzt aber habe ich hier ein anderes Niveau erreicht, komme in der Woche auf rund 150 Kilometer, letztes Jahr waren es vielleicht 120. Jetzt habe ich noch keine Schnelligkeit gemacht, da war auch noch kein 400er dabei, der schnellste 1.000er war 2:55 Minuten und wurde im Gelände gelaufen. Ich laufe dann 10 mal 1.000 Meter. Ich werde dieses Grundlagentraining mit sehr viel Umfang wahrscheinlich bis März durchziehen.

Reden wir über den besonderen Trainingseffekt von Läufen im Gelände?

Richard Ringer:

Wenn du für den Cross trainierst, machst du mehr Bergläufe. Die Bodenverhältnisse, kleinere Anstiege und Sprünge beanspruchen die Beinmuskeln viel mehr und bilden sie besser aus. Das ist insbesondere für den Oberschenkel etwas anderes als Bahntraining. Der Sauerstofftransport wird optimiert, die Ermüdung hinausgezögert. Das hilft mir dabei, hintenheraus noch stehen zu können. In Tilburg hat mir das definitiv viel gebracht. Aber ich setze auch auf den Effekt für den Sommer. Auch weil du durch Crossläufe Willensstärke und Kampfkraft schulst, dir also Härte holst.

Woran liegt es, dass in Deutschland nicht alle Top-Läufer ins Gelände gehen?

Richard Ringer:

Es gibt eben Läufer, denen liegt Crosslaufen nicht ganz so. Nehmen wir beispielsweise meinen Trainingspartner Martin Sperlich. Der läuft 5.000 Meter in 13:29 Minuten, tut sich aber im Cross ungeheuer schwer. Das hat auch mit Körpergröße und Schrittlänge zu tun. Der Crosslauf stellt vollkommen andere Ansprüche an den Laufstil als das Laufen auf Bahn oder Straße. Findest du im Gelände den Schritt nicht, kriegst du gar nichts hin. Ich versuche beim Cross nicht, meinen Bahnschritt durchzulaufen. Ich versuche locker und leicht zu laufen, ändere aber ständig die Schritte. Das muss der Körper automatisieren.

Obwohl – wie Sie sagen – Martin Sperlich sich mit dem Cross schwer tut, sind Sie daheim in Friedrichshafen eine ebenso harmonische wie erfolgreiche Trainingsgruppe...

Richard Ringer:

Martin Sperlich ist jetzt zum Master-Studium nach München gegangen. Aber von Freitag bis Sonntag trainieren wir zusammen. Da absolvieren wir vier Einheiten gemeinsam: eine harte Einheit, einen schnellen Dauerlauf, einen langen Dauerlauf und Krafttraining. Während der Woche mache ich mit der Gruppe Technik und bei den Dauerläufen fährt mal die Mutter mit dem Fahrrad nebenher oder mein Trainer.

Nach Ihren sehr starken 13:10,04 Minuten über 5.000 Meter im Juli in Heusden-Zolder haben Sie gesagt: Ich war so gut, weil ich erstmals ohne Socken gelaufen bin. Und heute?

Richard Ringer:

(lacht) Auf der Bahn habe ich es die ganze Saison durchgezogen. Aber im Cross, da geht das nicht. Wenn ich da keine Socken anhabe, dann ist mir kalt untenherum. Beim Cross muss ich Socken anhaben, das ist gar nicht anders möglich. Da habe ich auch spezielle Socken, die höher gehen. Barfuß in den Spikes käme der ganze Dreck an die Füße, das wäre recht unangenehm.

Mehr:

<link news:44607>Starker Richard Ringer gewinnt in Tilburg

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