Sprinter Kevin Kranz hat eine konstante Hallensaison voller Bestzeiten hingelegt. In Glasgow bei der Hallen-EM ist mindestens das Finale drin und sogar noch mehr.
Wenn man sich den Verlauf der Hallensaison von Kevin Kranz (Sprintteam Wetzlar) und die Selbstverständlichkeit seines Sieges bei der Hallen-DM in Leipzig anschaut, vergisst man leicht, dass der 20-Jährige noch vor einem Jahr nur echten Kennern der deutschen Sprintszene bekannt war. Bei der Hallen-EM am Wochenende (1. bis 3. März) in Glasgow (Großbritannien) könnte sein rasanter Aufstieg weitergehen.
Dafür spricht einerseits die Papierform: Der DLV-Athlet reist als einer von nur drei Sprintern mit einer Saisonbestzeit unter 6,60 Sekunden an. Und andererseits wirkt der Deutsche Meister auch mental bereit, seine Leistungsfähigkeit im engen Hundertstel-Kampf der europäischen Sprintelite abzurufen. Seine bisherigen Rennen verleihen ihm Zuversicht. Der Winter lief wie am Schnürchen.
Erste Wettkämpfe statt Trainingslager
Dabei haderte Kevin Kranz nicht mit eventuell ungünstigen Umständen, ganz im Gegenteil, er macht das Beste aus seinen Möglichkeiten. Wegen einer Zwischenprüfung innerhalb seiner Ausbildung bei der hessischen Landespolizei konnte er vor Weihnachten nicht mit dem DLV-Kader ins Trainingslager nach Südafrika fahren.
Während seine nationalen Konkurrenten in der Sonne Afrikas gegeneinander Starts trainierten und damit Wettkampfbelastungen simulierten, trat der Aufsteiger des Sommers bei zwei Wettkämpfen ohne starke Gegner in Ludwigshafen und Dortmund an. Schon dabei steigerte er seine Bestleistung auf 6,62 Sekunden und blieb unter der Norm (6,63 sec) für die Hallen-EM.
Damit war gleich doppelt der Grundstein für die starke Saison gelegt: Der 20-Jährige tankte Selbstvertrauen und den Veranstaltern der internationalen Meetings in Dortmund und Berlin Ende Januar und Anfang Februar fiel es leicht, ihm einen Startplatz zu geben.
Generalprobe für Hallen-EM geglückt
Dieser zweite Teil der Hallensaison diente als Bewährungsprobe gegen internationale Top-Sprinter. Als Sieger in Dortmund (6,61 sec) und insbesondere als Vierter (6,61 sec) beim ISTAF Indoor glückten diese Tests mit einer großen Konstanz auf hohem Niveau. Die Rennen dürften absolut tauglich gewesen sein, um bei der Hallen-EM ins Finale einzuziehen.
Bemerkenswert auch, wie Kevin Kranz danach mit seiner Favoritenrolle bei der Hallen-DM umging. Er empfand keineswegs zusätzlichen Druck, sondern zog Vertrauen in die eigene Stärke aus seinen Vorleistungen. Mit Bestzeit im Vorlauf (6,56 sec) und dem sicheren Sieg im Finale (6,59 sec) war der erste Hallen-Titel fast eine logische Folge. „Ich wusste, dass ich gewinnen kann“, sagt Kevin Kranz. „Im Freien bin ich als Fünftschnellster in die DM gegangen. Da war mehr Unsicherheit im Spiel.“
Mit einer ähnlichen Einstellung kann er auch in Glasgow in den Startblock gehen, denn nur der gebürtige Jamaikaner im Trikot der Türkei Emre Zafer Barnes (6,55 sec) bringt eine bessere Vorleistung mit. Der Jahresschnellste Brite Reece Prescod (6,53 sec) verzichtet auf einen Start in Glasgow, auch bekannte Namen wie Jimmy Vicaut (Frankreich), Chijindu Ujah (Großbritannien) oder Filippo Tortu (Italien) fehlen in der Meldeliste. Es gibt keinen klaren Favoriten.
Offenes Rennen
Sicher ist, dass es eng werden wird in Glasgow. Neun Athleten im Feld haben schon Zeiten von 6,63 Sekunden oder schneller stehen. Für die Meldeliste interessiert sich Kevin Kranz allerdings wenig. „Ich stelle mir nicht so viel vor, aber ich möchte ins Finale kommen.“
Entscheidend kann schon die Reaktionszeit am Start sein. Bei den Deutschen Meisterschaften war diese beim deutschen Durchstarter zweimal fast optimal (0,114 sec; 0,115 sec). Im Block können nicht nur für die Endzeit entscheidende Hundertstel liegen bleiben. Wer gefühlt etwas hinten dran ist, kann es auch schwerer haben, sein Rennen optimal durchzuziehen.
Gerade die Beschleunigung ist allerdings die Stärke von Kevin Kranz, weiß auch Bundestrainer Jörg Möckel, der den Rennen in Glasgow schon entgegenfiebert. „Es geht um Hundertstel. Wenn es Kevin ins Finale schafft, ist alles möglich.“
Heimtrainer in Glasgow dabei
Da Kevin Kranz unter den Top drei der europäischen Bestenliste steht, wurde auch sein Heimtrainer David Corell ins Team der Betreuer berufen, so dass der gewohnte Ansprechpartner ganz nah dabei sein kann. Der hessische Landestrainer beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit den Trainingsmethoden des modernen Sprints. Sein Schützling profitiert davon, von Anfang an nach diesem Modell zu trainieren.
Mit Blick auf den Sommer möchte das Gespann weiter am Topspeed arbeiten, wo noch Potential vorhanden ist. Vorher kommt es bei der Hallen-EM aber noch einmal mehr auf die Stärke in der Beschleunigung an. Und wenn es Kevin Kranz gelingt, den Fokus auch bei seiner ersten internationalen Meisterschaft in der Halle ganz bei sich zu behalten, wird er seine Erfolgsgeschichte des Winters weiterschreiben.
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