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Florian Lickteig – Von Null auf Hundert im wichtigsten Rennen

Nach einer starken Hallensaison musste Hürdensprinter Florian Lickteig seinen Start in die Freiluft-Saison lange aufschieben: Die linke Achillessehne schmerzte. Auf den letzten Drücker qualifizierte sich der 19-Jährige bei seinem ersten Rennen in Mannheim für die U20-EM in Eskilstuna (Schweden). Dort gewann er überraschend Silber. Am Übergang zu den Aktiven zieht es den Deutschen U20-Meister nun aus guten Gründen nach Stuttgart.
Pamela Ruprecht

Als sich Florian Lickteig (TSV Dudenhofen) mit zweimal 13,66 Sekunden in Mannheim das Ticket für die U20-EM in Eskilstuna holte, ahnte er noch nicht, dass er in der schwedischen Stadt einen Monat später im Finale (13,64 sec) auf den Silberrang sprinten würde. Läufe mit internationaler Besetzung, in denen es darauf ankommt, liegen ihm – egal wie suboptimal die Vorbereitung. Nur eine radikale Pause hatte zu Saisonbeginn geholfen, um überhaupt bei der großen Meisterschaft dabei sein zu können.

Denn bis zwei Wochen vor dem Qualifikationswettkampf, also von April bis Mitte Juni, konnte Florian Lickteig wegen Achillessehnen-Problemen kein Sprinttraining machen, nur die Grundlagen erhalten. Die zweimonatige Schonung schlug an: Der Hürden-Test vor Mannheim verlief schmerzfrei und danach hieß seine Parole: „Alles oder nichts.“ Ein paar Läufe für das Gefühl und das Mentale und dann ohne große Erwartungen in den Gala-Startblock – erstes Rennen, letzte Chance genutzt.

Leistungsschub ein Rätsel

Es ist ihm nach wie vor ein „Rätsel“ wie das ging, auch wenn seine Form bis zur Unterbrechung schon ziemlich gut war. Dass das Rennen in Mannheim schnell wird, wusste er. Schließlich waren mit Patrick Elger (LAC Erdgas Chemnitz) und Henrik Hannemann (LAZ Salamander Kornwestheim-Ludwigsburg) die beiden anderen deutschen Finalisten von Eskilstuna angemeldet. Das hat gezogen.

„Genial“ war in Schweden dann, dass mit Henrik Hannemann (13,67 sec) noch ein zweiter DLV-Athlet auf dem Podium stand. Der ein Jahr jüngere Hürdensprinter holte bei der U20-EM Bronze. Die ganze Veranstaltung war Florian Lickteig nach der Vorgeschichte lockerer als sonst angegangen. Mit Erfolg. „Das sollte ich in Zukunft vielleicht öfters machen, das war eine ganz neue Erfahrung“, blickt der Deutsche U20-Hallenmeister von 2014 zurück.

Bestzeit in Jena

Dass es nach der langen Trainingspause auf dem hohen Niveau weitergeht, war nicht abzusehen. Die Zeit sollte aber gegen Ende des Sommers sogar noch schneller werden. Seine Bestmarke aus 2014 lag bei 13,93 Sekunden. Einem Jahr, in dem es mit einem doppelten Bänderriss am linken Fuß und einem Muskelfaserriss im Oberschenkel nicht rund lief. Dazu kam der Sturz bei der Jugend-DM in Wattenscheid.
 
Besser lief es beim nationalen Höhepunkt 2015: Sein letztes Jahr in der Jugend beschloss Florian Lickteig mit dem deutschen U20-Titel in Jena. Im Ernst-Abbe-Stadion sprang im Finale mit 13,50 Sekunden noch eine starke Bestzeit heraus. Wie schon in Eskilstuna kam der U20-EM-Zweite wieder knapp vor Henrik Hannemann ins Ziel.

Umzug nach Stuttgart

Dieses Duell könnten sich die beiden fortan auch im Training liefern. Denn Florian Lickteig hat seine Umzugskisten gepackt und geht von Dudenhofen nach Stuttgart. In der Landeshauptstadt beginnt er das duale Studium „International Business“ in Kooperation mit Adidas („Wenn man wo hinwill, wo der Sport gelebt wird, ist man dort richtig.“). Unter rund 1.000 Bewerbern konnte er nach mehreren Auswahlschritten einen von nur fünf Studienplätzen ergattern.

Deshalb wird er im Drei-Monats-Intervall zwischen dem Hauptsitz des Sportartikelherstellers in Herzogenaurach mit Wohnort Fürth und der württembergischen Metropole pendeln. Der Umzug bedeutet auch einen Trainerwechsel: Nach neun Jahren erfolgreicher Betreuung durch seinen Vater Thomas Lickteig wird er nun von Marlon Odom gecoacht. Mit dem WM-Halbfinalisten von Peking (China) Gregor Traber (VfB Stuttgart) hat er ein starkes Vorbild in der Gruppe.  

„Ich erwarte mir dadurch neue Impulse“, sagt der Abiturient, der bisher nur den Ansatz seines Vaters kennt – einem Autodidakten. Das Vater-Sohn-Gespann hatte sein „ganz eigenes Konzept“, in das aber Eindrücke von außen einflossen. Schon vor der Reise nach Eskilstuna holten sie sich in Stuttgart bei Marlon Odom ein paar Anregungen. Als Florian Lickteig nicht wusste, wo er steht. Wie auch, nach nur einem Wettkampf.

Bei der Umstellung Zeit lassen

Die Umfeld-Veränderungen kommen zur rechten Zeit: im Übergang zu den Erwachsenen. Ab 2016 muss das Nachwuchstalent höhere Hindernisse überqueren. Der Vater von Florian Lickteig ist guter Dinge. Die Technik seines Sohnes sei bei den Männer-Hürden besser als bei den niedrigeren 99er-Hürden. „Da sind wir uns nicht so ganz einig, aber das ist schon mal ein gutes Zeichen“, sagt der angehende Student mit einem Schmunzeln.

Er hat bei den Männern bereits positive Erfahrungen gesammelt, zum Beispiel im Finale der Hallen-DM in Karlsruhe. Die nationalen Titelkämpfe sind auch für 2016 sein erstes Ziel, danach die U23-DM und die Freiluft-Meisterschaften in Kassel. Internationale Höhepunkte hat er noch nicht auf dem Zettel. Realismus muss sein. Ein Jahr will er sich für die Umstellung geben, um sich auch bei den Aktiven in der erweiterten Spitze zu etablieren.

Das Timing für den Wechsel stimmt, ein erfolgreicher Jugend-Abschnitt liegt hinter ihm. „Mit der Saison im Rücken kann man ganz gut zurückschauen.“ Wenn er nach vorne schaut, wartet bei den Aktiven die nächste Herausforderung: „Man schwimmt quasi im Haifischbecken mit“, bezeichnet er die Liga der Top-Athleten. Aber kein komplettes Neuland für Florian Lickteig. In der Halle hat er schon reingeschnuppert und ist nach dem starken Jahr deshalb optimistisch. „Ich sehe eigentlich keinen Grund, warum das nicht so weitergehen soll."

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