Das Leichtathletik-Jahr 2015 neigt sich dem Ende entgegen. Hinter Athleten, Trainern und Fans liegen Monate voller Höhepunkte, mit internationalen Meisterschaften der U18, U20 und U23 sowie mit Hallen-EM und WM der Aktiven. Die abschließenden leichtathletik.de-Analysen zeigen, wie sich die einzelnen Disziplingruppen 2015 präsentiert haben. Heute: Langhürden Frauen.
2015 im Rückblick
Anfang Oktober hat Christiane Klopsch das Ende ihrer sportlichen Laufbahn verkündet. Anfang Juni konnte sie in Regensburg mit 56,55 Sekunden aber noch einmal ihre Position als stärkste DLV-Athletin auf der Hürdenrunde untermauern. Doch da übte sich die 25-Jährige von der LG ovag Friedberg-Fauerbach schon mehr als drei Monate im Spagat zwischen Leistungssport und dem Volontariat beim Hessischen Rundfunk.
„Ich wollte mir nach der tollen Saison 2014 beweisen, dass, wenn man nur will, alles möglich ist“, so die zweifache Deutsche Meisterin, der 45 Hundertstel an der WM-Norm fehlten. Bei der Universiade in Gwangju (Südkorea) erkämpfte sie trotz muskulärer Probleme Rang vier. Bei der DM musste Christiane Klopsch dann aber zuschauen, weil der Oberschenkel immer noch Probleme machte.
Dass die Disziplin dadurch keineswegs in der Bedeutungslosigkeit versank, liegt am starken Nachwuchs und hier vor allem an Jackie Baumann (LAV Stadtwerke Tübingen). Die 20-Jährige wurde Deutsche Meisterin und drückte im Halbfinale der U23-EM ihren Hausrekord auf 56,62 Sekunden – gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 1,8 Sekunden.
Mit der Verbesserung auf 57,49 Sekunden machte die Deutsche Vizemeisterin Anna Raukuc (LG Hannover) nachdrücklich auf sich aufmerksam. U23-Meisterin Luisa Valeske (SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken) zeigte auch auf der Flachdistanz Qualitäten. Immerhin holte sie in Nürnberg mit dem Hausrekord von 53,95 Sekunden DM-Bronze.
Lea Ahrens (LAV 07 Bad Harzburg) steigerte sich im kolumbianischen Cali als Sechste der U18-WM auf starke 58,21 Sekunden. Bei der U20-EM in Eskilstuna (Schweden) war der DLV sogar mit zwei Athletinnen im Finale vertreten: Laura Gläsner (SV Germania Helmstedt; 58,93 sec) und Laura Nürnberger (TV Gladbeck; 59,67 sec) kamen auf den Plätzen fünf und sieben ein.
Unsere Top Drei
<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail christiane-klopsch zum athletenporträt von christiane>Christiane Klopsch
LG ovag Friedberg-Fauerbach, 25 Jahre
SB: 56,66 sec | PB: 56,02 sec (2014)
DM: - | WM: -
DLV-Jahresbestenliste: 1.
Europäische Bestenliste: 26.
Welt-Jahresbestenliste: 62.
<link nationalmannschaft athletenportraet athlet detail jackie-baumann>Jackie Baumann
LAV Stadtwerke Tübingen, 20 Jahre
SB: 56,62 sec | PB: 56,62 sec (2015)
DM: 1. Platz | WM: -
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 30.
Welt-Jahresbestenliste: 67.
Anna Raukuc
LG Hannover, 25 Jahre
SB: 57,49 sec | PB: 57,49 (2015)
DM: 2. Platz | WM: -
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 55.
Welt-Jahresbestenliste: 128.
Unsere Hoffnungsträgerin
<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail jackie-baumann zum athletenporträt von jackie>Jackie Baumann
LAV Stadtwerke Tübingen, 20 Jahre
SB: 56,62 sec | PB: 56,62 sec (2015)
Bei der U23-EM gelang ihr mit 56,62 Sekunden im Halbfinale ein so nicht erwarteter Leistungssprung. Im Finale blieb sie als Achte leicht unter ihren Möglichkeiten. Aber: 2017 in Bydgoszcz (Polen) darf sie noch einmal bei einer U23-EM starten. Sie ist mit Riesenschritten Richtung internationaler Junioren-Spitze unterwegs.
Unser Pechvogel
<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail eileen-demes zum athletenporträt von eileen>Eileen Demes
TV 1861 Neu-Isenburg, 18 Jahre
SB: 59,81 sec | PB: 58,68 sec (2014)
Im Frühjahr warf die U18-WM-Vierte von 2013 eine Stressfraktur im Kahnbein zurück, bei der U20-DM wurde sie durch eine Magen-Darm-Grippe beeinträchtigt. Das hat sie die Teilnahme an der U20-EM gekostet. Schon im Vorjahr lief nicht alles glatt: Bei den Olympischen Jugendspielen in Nanjing (China) war sie mit ihrer Bestzeit von 58,68 Sekunden Medaillen-Kandidatin. Den Traum vom Podium machte aber ein Sturz eingangs der Zielgeraden zunichte.
2016 im Ausblick
Olympia käme wohl noch zu früh, aber Jackie Baumann hat zumindest die Europameisterschaften in Amsterdam (Niederlande) im Blick. Ziel der 20-Jährigen ist zunächst eine Stabilisierung ihrer Leistungen. Das gilt auch für Anna Raukuc, der durchaus der Sprung unter die 57-Sekunden-Schallmauer zuzutrauen ist.
Die im Sprint weiter verbesserte Christine Salterberg (LT DSHS Köln) beabsichtigt, 2016 auch über die Langhürden wieder an alte Leistungen anzuknüpfen. Die 21-Jährige rannte schon als 18-Jährige 57,65 Sekunden, 2014 steigerte sie sich auf 57,55 Sekunden und zählte damit in der U23 zu Europas Top Acht. In diesem Sommer kam sie auf der Hürdenrunde nicht so recht in Tritt und blieb bei 58,95 Sekunden stecken.
Für Lea Ahrens (LAV 07 Bad Harzburg), auf 58,21 Sekunden verbessert und Sechste der U18-WM, geht es in erster Linie um die Bestätigung des in diesem Jahr erreichten Leistungsniveaus. Sie führt auch auf der Flachdistanz mit 54,45 Sekunden souverän die DLV-Bestenliste der U18 an. Eileen Demes ist ebenfalls eine Kandidatin für die WM der U20 in Kazan (Russland; 19. bis 24. Juli).
Corinna Schwab (TV 1861 Amberg), im Vorjahr über 300 Meter Hürden Deutsche Meisterin der U16 und nun als U18-Titelträgerin bei 59,18 Sekunden angekommen, liebäugelt mit einem Start bei den ersten U18-Europameisterschaften in Tiflis (Georgien; 14. bis 17. Juli).
Das sagt der Bundestrainer
Herr Eisenkolb, wie fällt Ihre Bilanz für das EM-Jahr 2014 aus?
Edgar Eisenkolb:
Da sich Christiane Klopsch beruflich stark engagiert hat, war auch nicht mit einer deutlichen Leistungssteigerung zu rechnen. Für alle anderen war die WM-Norm noch zu weit weg. Wir haben uns mit Erfolg auf die U23-EM konzentriert. Wenn man sieht, wie viele ganz junge Läuferinnen in der Bestenliste weit vorn stehen, dann wird deutlich, wie sehr unser Team im Umbruch ist. Darauf haben wir in den letzten Jahren hingearbeitet. Wir haben sehr stark in den Bereich U20 und U18 investiert, um im Olympiazyklus 2016/2020 international wieder konkurrenzfähig zu sein. Die erste Athletin, die diesen Schritt gegangen ist, ist Jackie Baumann, was sich im Titel der Deutschen Meisterin, dem guten Ergebnis bei der U23-Europameisterschaft und der deutlichen Verbesserung um fast zwei Sekunden bemerkenswert niederschlägt.
Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?
Edgar Eisenkolb:
Das war ganz klar der Auftritt von Jackie Baumann bei der U23-Europameisterschaft. Sie ist hingefahren, um die erste Runde zu überstehen, hat im Halbfinale einen sehr sehr guten Lauf über die Bühne gebracht mit einem Ergebnis, das so wohl niemand von ihr erwartet hatte. Aber es hat alles gepasst in dem Lauf, es war das ideale Rennen für sie.
56,62 Sekunden bedeuteten die Endlauf-Teilnahme. Im Endlauf waren die Bedingungen schwieriger und man hat halt feststellen müssen, dass ein paar Rennen noch fehlen, dass sie eine junge Athletin ist mit wenig Erfahrung und dass in dieser Anspannungssituation halt nicht alles klappen kann. Aber insgesamt hat sie sich fantastisch gesteigert.
Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die kommende Saison?
Edgar Eisenkolb:
Es geht auf der einen Seite um die Weiterentwicklung von Jackie Baumann. Sie hat sich das Ziel gesetzt, in die Nähe der Europameisterschaftsnorm zu kommen. Vielleicht gelingt ihr das, wobei wir das nicht unbedingt in den Mittelpunkt rücken. Denn es geht bei ihr zunächst darum, die Bestzeit zu stabilisieren, mehrere Läufe im 56er-Bereich anzubieten. Primär muss sie Erfahrungen sammeln, sodass sie 2018 bei den Europameisterschaften im eigenen Land eine Leistungsfähigkeit erreicht, die sie befähigt, bei solchen internationalen Wettbewerben dabei zu sein.
Ansonsten betrachten Nachwuchs-Bundestrainer Heiner Preute und ich die Weiterentwicklung der jungen Leute als wichtige Aufgabe, darunter der 96er-Jahrgang mit Laura Nürnberger, Lisa Marie Petkov und Laura Gläsner. Außerdem wollen wir die U20er-Gruppe so weiter entwickeln, dass wir mittelfristig die 400 Meter Hürden der Frauen auf eine breite Basis stellen können.
Zahlen und Fakten
Die Jahresbesten
56,55 sec - Christiane Klopsch (LG ovag Friedberg-Fauerbach)
56,62 sec - Jackie Baumann (LAV Stadtwerke Tübingen)
57,49 sec - Anna Raukuc (LG Hannover)
58,21 sec - Lea Ahrens (LAV 07 Bad Harzburg)
58,30 sec - Luisa Valeske (SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken)
58,47 sec - Laura Nürnberger (TV Gladbeck)
58,49 sec - Lisa Marie Petkov (LG Stadtwerke München)
58,54 sec - Laura Gläsner (TSV Germania Helmstedt)
58,70 sec - Karolina Pahlitzsch (SV Preußen Berlin)
58,72 sec - Frederike Hogrebe (TSV Bayer Leverkusen)
Internationale Endlauf-Platzierungen 2015
WM: keine
U23-EM: Jackie Baumann (8. Platz, 58,14 sec)
U20-EM: Laura Gläsner (5. Platz, 58,93 sec), Laura Nürnberger (7. Platz, 59,76 sec)
U18-WM: Lea Ahrens (6. Platz, 58,21 sec)
Entwicklung des Spitzenniveaus
Jahr | Athletinnen < 56,00 sec | Schnitt Top Ten |
---|---|---|
2005 | Claudia Marx (55,59), Ulrike Urbansky (55,94) | 57,71 |
2006 | Claudia Marx (54,80) | 57,59 |
2007 | Ulrike Urbansky (55,21), Tina Kron (55,58), Jonna Tilgner (55,96) | 57,51 |
2008 | Jonna Tilgner (55,73) | 57,69 |
2009 | Jonna Tilgner (55,71), Tina Kron (55,99) | 57,15 |
2010 | Fabienne Kohlmann (55,49) | 57,37 |
2011 | keine | 57,37 |
2012 | keine | 57,84 |
2013 | keine | 58,33 |
2014 | keine | 57,85 |
2015 | keine | 58,01 |
Entwicklung Jahresbestleistungen
Jahr | Deutschland | Europa | Diff | Welt | Diff |
---|---|---|---|---|---|
2005 | 55,59 (C. Marx) | 52,90 (Pechonkina/RUS) | 2,69 | 52,90 (Pechonkina/RUS) | 2,69 |
2006 | 54,80 (C. Marx) | 53,14 (Nosova/RUS) | 1,66 | 53,02 (Demus/USA) | 1,78 |
2007 | 55,21 (U. Urbansky) | 53,50 (Pechonkina/RUS) | 1,71 | 53,28 (Williams/USA) | 1,93 |
2008 | 55,73 (J. Tilgner) | 53,84 (Danvers/GBR) | 1,89 | 52,64 (Walker/JAM) | 3,09 |
2009 | 55,71 (J. Tilgner) | 53,95 (Morosanu/ROU) | 1,76 | 52,42 (Walker/JAM) | 3,29 |
2010 | 55,49 (F. Kohlmann) | 52,92 (Antyukh/RUS) | 2,57 | 52,82 (Demus/USA) | 2,67 |
2011 | 56,97 (C. Klopsch) | 53,29 (Hejnova/CZE) | 3,68 | 52,47 (Demus/USA) | 4,50 |
2012 | 56,27 (T. Kron) | 52,70 (Antyukh/RUS) | 3,57 | 52,70 (Antyukh/RUS) | 3,57 |
2013 | 56,83 (C. Klopsch) | 52,83 (Hejnova/CZE) | 4,00 | 52,83 (Hejnova(CZE) | 4,00 |
2014 | 56,02 (C. Klopsch) | 54,39 (Child/GBR) | 1,63 | 53,41 (Spencer/USA) | 2,61 |
2015 | 56,55 (C. Klopsch) | 53,50 (Hejnova/CZE) | 3,05 | 53,50 (Hejnova/CZE) | 3,05 |
Was auffällt
- International war Zuzana Hejnova (Tschechische Republik) die Überfliegerin. Im Vorjahr verletzungsbedingt ausgefallen, verteidigte die 28-Jährige in Peking ihren Weltmeistertitel in der neuen Weltmeisterschafts-Rekordzeit von 53,50 Sekunden.
- Die deutschen Langhürdlerinnen sind zumindest beim Nachwuchs und in der Breite gut aufgestellt. Das Durchschnittsalter der besten Zehn beträgt 21 Jahre.
- Jackie Baumann blieb in diesem Sommer insgesamt sechsmal unter der Bestzeit von 2014 (58,42 sec).
- Auf eine Zeit unter 56 Sekunden warten die deutschen Langhürdlerinnen noch vergeblich. Seit 2010 ist eine 55er-Zeit unerreicht.
Video-Clips
Gala Regensburg: <link video:12187>Christiane Klopsch souverän
U23: <link video:12304>Luisa Valeske mit Bestzeit
Junioren-Gala: <link video:12497>Laura Nürnberger hauchdünn vorne
U20: <link video:13029>Laura Gläsner mit deutlichem Vorsprung
U18: <link video:12948>Corinna Schwab holt Gold
U16: <link video:13145>Melanie Böhm zieht an der letzten Hürde vorbei
Die weiteren Disziplin-Checks 2015 im Überblick
<link news:44202>Langhürden - Männer
<link news:44067>Hürdensprint - Männer
<link news:44046>Langstrecke - Frauen<link news detail der-grosse-disziplin-check-2015-langstrecke-maenner>
Langstrecke - Männer
<link news detail der-grosse-disziplin-check-2015-mittelstrecke-frauen>Mittelstrecke - Frauen
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2015-mittelstrecke-maenner _blank>Mittelstrecke - Männer
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2015-400-meter-frauen _blank>400 Meter - Frauen
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2015-400-meter-maenner _blank>400 Meter - Männer
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2015-sprint-frauen _blank>Sprint - Frauen
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2015-sprint-maenner _blank>Sprint - Männer