Der große Disziplin-Check 2014 - Hürdensprint Männer

Das Leichtathletik-Jahr 2014 ist fast Geschichte. Hinter den Topathleten liegen die EM in Zürich (Schweiz), die Team-EM in Braunschweig und die Hallen-WM in Sopot (Polen). Der Nachwuchs hat bei der U20-WM in Eugene (USA) und den Olympischen Jugendspielen in Nanjing (China) internationale Erfahrungen gesammelt. Zeit zurückzublicken – und die deutschen Leistungen in den einzelnen Disziplingruppen genauer unter die Lupe zu nehmen. Heute: Hürdensprint der Männer.

Pamela Ruprecht

2014 im Rückblick

Das Jahr 2014 begann für die deutschen Hürdensprinter in der Halle mit Top-Leistungen. Unter freiem Himmel fehlte das Quäntchen Glück, um auch einen internationalen Finaleinzug verbuchen zu können. Das Highlight war die Hallen-WM: mit Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen) und Erik Balnuweit (LAZ Leipzig) standen zwei DLV-Athleten im Finale und erreichten die Plätze fünf und sechs. Beide überzeugten mit neuen Bestzeiten auf den Punkt.

Auch bei den Europameisterschaften konnte der 21 Jahre alte Traber im Vorlauf seine Bestzeit auf 13,43 Sekunden steigern und somit bis ins Halbfinale und an die Spitze der europäischen U23-Bestenliste vorstoßen. Ganz knapp verpassten Erik Balnuweit und der Deutsche Meister Matthias Bühler (LG Offenburg) das Finale: Balnuweit fehlten in seinem Semifinale zwei Hundertstel zum dritten Platz und einem großen „Q“. Bühler lief zeitgleich (13,39 sec) mit zwei anderen Hürdensprintern ins Ziel. Im Fotofinish wurde er als undankbarer Sechster eingeordnet – er verfehlte das Finale um eine Tausendstel.

Bühler, als siebtschnellster Hürdensprinter Europas nach Zürich gereist, schloss in dieser Saison wieder an sein höchstes Können, Zeiten unter 13,40 Sekunden, an. Traber schaffte weiter den Anschluss an die internationale Spitze. Balnuweit kämpfte vor Zürich mit einer Verletzung, war möglicherweise nicht ganz fit. Für starke Hürdenzeiten bei der EM sorgten daneben zwei Mehrkämpfer: Nach den drei EM-Startern stammen die schnellsten Zeiten der DLV-Bestenliste von Arthur Abele (SSV Ulm 1846) und Rico Freimuth (SV Halle).

Im Nachwuchsbereich tat sich besonders ein junger Mann hervor: Henrik Hannemann (LG Neumünster) verbesserte in der Halle die deutsche U18-Bestzeit über 60 Meter Hürden. Bei der Freiluft-DM holte er sich neben dem U18-Hürdentitel auch Gold über 200 Meter. Von den Olympischen Jugendspielen kehrte er mit neuer U18-Bestzeit (13,40 sec) und Silber zurück. Für Patrick Elger (LAC Erdgas Chemnitz) war das Halbfinale bei der U20-WM und eine neue Bestzeit von 13,46 Sekunden nach zwei Verletzungsjahren ein gelungenes Comeback.

Unsere Top Drei

Unser Hoffnungsträger

Patrick Elger
LAC Erdgas Chemnitz, 18 Jahre
SB: 13,46 sec| PB 13,46 sec (2014; 0,99 m)

Mit Patrick Elger meldete sich 2014 ein Nachwuchstalent zurück, das wegen einer Schambeinentzündung fast zwei Jahre nur im Sparmodus oder gar nicht trainieren konnte. Bemerkenswert, dass er sich direkt im ersten Rennen mit Bestzeit für Eugene qualifizierte. Seine 13,46 Sekunden liegen nicht weit über dem deutschen Jugendrekord von Gregor Traber (13,31 sec) und bedeuten in Europa Rang vier, in der Welt Rang zehn. Im zweiten U20-Jahr kann sich der 18-Jährige weiterentwickeln.

2015 im Ausblick

Nach dem starken Auftritt der Hürdensprinter bei der Hallen-WM in Sopot ist auch für die Hallen-EM in Prag (Tschechien) mit Bühler, Traber und Balnuweit zu rechnen. Das Finale ist für alle drei realistisch, falls Bühler einen Start erwägen sollte. Je nach Konkurrenzsituation kann es auch weiter nach vorne gehen.

Stärker wird die Konkurrenz bei der WM in Peking (China). Dafür muss erstmal die Quali geschafft werden. Die DLV-Norm wird im Bereich der Bestzeiten der Drei liegen, die sich in ihrem derzeitigen Leistungsniveau nicht viel unterscheiden. Ist der Platz für China sicher, ist das Halbfinale ein hoch gestecktes Ziel.

Das Training mit Weltrekordler Aries Merritt in den USA kann sich bei Bühler weiter bezahlt machen. Auch bei Balnuweit ist ohne kleinere Verletzungen 2015 noch mehr drin. Das größte Entwicklungspotential hat als Jüngster Gregor Traber, der im kommenden Jahr der U23-Klasse entwachsen ist.

Somit ist für die U23-EM in Tallinn (Estland) Sebastian Barth (LG Stadtwerke München) ein heißer Kandidat für die Chance auf einen Finaleinzug. In diesem Sommer rannte der 21 Jahre alte U20-WM-Teilnehmer von 2012 die stärkste Juniorenzeit in Deutschland.

Für die U20-EM in Eskilstuna (Schweden) gibt es mit Patrick Elger und Henrik Hannemann gleich zwei aussichtsreiche Kandidaten für Endlauf-Platzierungen. Hannemann verlegte nach der Saison seinen Lebens- und Trainingsmittelpunkt aus dem Norden nach Stuttgart. Dort trainiert er seit September in der Trainingsgruppe von Marlon Odom und Sven Rees, der auch Traber angehört. Die U18-WM in Cali (Kolumbien) haben mit ihren jüngsten Leistungen unter anderem Christopher Nagorr (LAZ Gießen) und Jonathan Petzke (Dresdener SC 1898) Ansprüche auf einen Startplatz angemeldet.

Das sagt der Bundestrainer

Herr May, wie fällt Ihre Bilanz für das EM-Jahr 2014 aus?

Jan May:
Die Hallen-WM war schon ein Knaller! Das Niveau war außergewöhnlich hoch und die deutschen Hürdensprinter mischten munter mit. Matthias Bühler konnte in der Halle die Trainingsumstellung noch nicht umsetzen. Mit Blick auf die EM war bei ihm ein zeitiger Umschwung auf die Sommervorbereitung sehr sinnvoll. Unser Ziel war es, in Zürich die individuell beste Form abzurufen. Hier ist es uns gelungen, die Geschwindigkeit der Hallensaison in der Vorbereitungsphase zu nutzen und diese dann bei DM und EM gezielt abzurufen. Die Verletzung von Alexander John war sehr hartnäckig, leider konnte er nicht mehr wie gewollt angreifen. Jugend und Junioren sind in der Spitze gut aufgestellt und entwickeln sich. Angesichts der Leistungsbreite der Jugend haben wir für den Anschluss an die nationale Spitze noch offenes Potenzial.

Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?

Jan May:
Mit welcher emotionalen Zielstrebigkeit in Sopot auf die Hürdenfinals hingearbeitet wurde, hat mich schon beeindruckt - die Finals habe ich sehr genossen. Von der EM in Zürich konnte ich persönlich viel mitnehmen. Die Jungs haben dort ihre Leistung gebracht, allein etwas Glück hat gefehlt. Der erfolgreiche Studienabschluss zum Diplomtrainer Leistungssport mit den Kollegen war für mich ein weiteres Highlight.

Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die kommende Saison?

Jan May:
Im 60-Meter-Hürdenfinale der Hallen-WM in Sopot belegten Europäer die Plätze zwei bis sieben - die Hallen-EM in Prag wird wieder eine Herausforderung! Die Leistungen der internationalen Gegner sind derzeit sehr hoch. Viele Nationen investieren massiv in die Leistungen ihrer Athleten. Wir müssen alle Ressourcen mobilisieren, gezielt einsetzen, und dem eingeschlagenen Weg weiter vertrauen. Mit allen individuellen Besonderheiten jedes einzelnen Athleten sollten wir weiter gemeinsam die Kräfte bündeln, um erfolgreich zu sein. Internationale Finals von der U18 bis zu den Männern sind hochgesteckte Ziele, sollten aber auch weiterhin unser Anspruch sein.

Zahlen und Fakten

Die Jahresbesten
13,39 sec - Matthias Bühler (LG Offenburg)
13,43 sec - Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen)
13,46 sec - Erik Balnuweit (LAZ Leipzig)
13,55 sec - Arthur Abele (SSV Ulm 1846)
13,63 sec - Rico Freimuth (SV Halle)
13,64 sec - Helge Schwarzer (Hamburger SV)
13,67 sec - Julian Marquart (SV Halle)
13,70 sec - Alexander John (LAZ Leipzig)
13,81 sec - Maximilian Bayer (LAZ Leipzig)
13,82 sec - Sebastian Barth (LG Stadtwerke München)

Internationale Endkampf-Platzierungen 2014
Hallen-WM: Gregor Traber (5. Platz 60 m Hürden; 7,56 sec), Erik Balnuweit (6. Platz, 60 m Hürden; 7,56 sec)
EM: keine
U20-WM: keine
Olympische Jugendspiele: Henrik Hannemann (2. Platz; 13,40 sec; Deutsche U18-Bestzeit)

Entwicklung des Spitzenniveaus

	Athleten < 13,50	Schnitt Top 10
2005	Thomas Blaschek (13,31)	13,66
2006	Thomas Blaschek (13,33)	13,74
2007	Thomas Blaschek (13,33)	13,71
2008	Thomas Blaschek (13,49)	13,67
2009	Alexander John (13,35), Matthias Bühler (13,36), Helge Schwarzer (13,39), Willi Mathiszik (13,49)	13,53
2010	Alexander John (13,47)	13,62
2011	Alexander John (13,45), Willi Mathiszik (13,48), Erik Balnuweit (13,49)	13,66
2012	Matthias Bühler (13,34), Alexander John (13,35), Erik Balnuweit (13,46), Gregor Traber (13,47)	13,62
2013	Erik Balnuweit (13,44), Matthias Bühler (13,45), Gregor Traber (13,49), Alexander John (13,49)	13,69
2014	Matthias Bühler (13,39), Gregor Traber (13,43), Erik Balnuweit (13,46)	13,61

Entwicklung Jahresbestleistungen

Jahr	Deutschland	Europa	Diff.	Welt	Diff.
2005	13,31 (T. Blaschek)	12,97 (Doucouré/FRA)	0,34	12,97 (Doucouré/FRA)	0,34
2006	13,33 (T. Blaschek)	13,15 (Olijars/LAT)	0,18	12,88 (Liu/CHN)	0,45
2007	13,33 (T. Blaschek)	13,22 (Demydyuk/UKR)	0,11	12,92 (Liu/CHN)	0,41
2008	13,49 (T. Blaschek)	13,22 (Doucouré/FRA)	0,27	12,87 (Robles/CUB)	0,44
2009	13,35 (A. John)	13,30 (Turner/GBR)	0,05	13,04 (Robles/CUB)	0,31
2010	13,47 (A. John)	13,27 (Svoboda/CZE)	0,20	12,89 (Oliver/USA)	0,58
2011	13,45 (A. John)	13,22 (Turner/GBR)	0,23	12,94 (Oliver/USA)	0,51
2012	13,34 (M. Bühler)	13,09 (Shubenkov/RUS)	0,25	12,80 (Merritt/USA)	0,54
2013	13,44 (E. Balnuweit)	13,12 (Martinot- Lagarde/FRA)	0,32	13,00 (Oliver/USA)	0,44
2014	13,39 (M. Bühler)	12,95 (Martinot- Lagarde/FRA)	0,44	12,94 (Parchment/ JAM)	0,45

Das fällt auf

Der Zehnerschnitt war in den vergangenen zehn Jahren nur 2009 höher.
Drei Athleten unter 13,50 Sekunden zeigt eine breite Spitze. Im Vorjahr war es mit Alexander John einer mehr.
Auf Platz vier und fünf der DLV-Bestenliste liegen zwei Mehrkämpfer.
Die Differenz zur europäischen Spitze ist um ein weiteres Zehntel angewachsen und war in den letzten zehn Jahren noch nie so groß.
Die Top-Zeit Europas liegt seit zehn Jahren zum ersten Mal wieder unter 13 Sekunden.
Die Differenz zur Weltspitze ist konstant geblieben. Europäisches und Weltniveau gleichen sich.
Mit Hannemann war bisher noch kein deutscher U18-Athlet so flott.
Ein neuer U18-Weltrekord und ein neuer U20-Europarekord sprechen dafür, dass der Nachwuchs auch international schneller wird.

Video-Clips

60 Meter Hürden
<link https: www.leichtathletik.de tv video-detail detail erik-balnuweit-bestaetigt-wm-norm>Erik Balnuweit bestätigt WM-Norm
<link https: www.leichtathletik.de tv video-detail detail florian-lickteig-zuendet-den-turbo>Florian Lickteig zündet den Turbo

110 Meter Hürden
<link https: www.leichtathletik.de tv video-detail detail matthias-buehler-mit-schnellstem-vorlauf>Matthias Bühler mit schnellstem Vorlauf
<link https: www.leichtathletik.de tv video-detail detail matthias-buehler-auch-im-zweiten-lauf-vorne>Matthias Bühler auch im zweiten Lauf vorne
<link https: www.leichtathletik.de tv video-detail detail gregor-traber-im-finale-mit-zweiter-em-norm>Gregor Traber im Finale mit zweiter EM-Norm
<link https: www.leichtathletik.de tv video-detail detail matthias-buehler-glaenzt-in-1339-sekunden>Matthias Bühler glänzt in 13,39 Sekunden
<link https: www.leichtathletik.de tv video-detail detail jonas-christen-schnellster-sprinter-im-huerdenwald>Jonas Christen schnellster Sprinter im Hürdenwald

Nachwuchs
<link https: www.leichtathletik.de tv video-detail detail patrick-elger-besteht-im-huerdenwald>Patrick Elger besteht im Hürdenwald
<link https: www.leichtathletik.de tv video-detail detail henrik-hannemann-aggressiv-zu-gold>Henrik Hannemann aggressiv zu Gold
<link https: www.leichtathletik.de tv video-detail detail wilhem-belocian-sprintet-zu-u20-europarekord>Wilhelm Belocian sprintet zu U20-Europarekord
<link https: www.leichtathletik.de tv video-detail detail tim-nowak-knapp-vor-marcel-jastrzembski>Tim Nowak knapp vor Marcel Jastrzembski