Die Weltmeisterin und zweimalige Europameisterin Christina Schwanitz hat am Freitag die deutsche Rangordnung im Kugelstoßen wieder hergestellt. Mit herausragenden 20,06 Metern holte sie sich am Nürnberger Hauptmarkt bei ihrem DM-Comeback nach ihrer Schwangerschaft und der Geburt ihrer Zwillinge den insgesamt sechsten deutschen Freiluft-Titel. Sogar schon Titel Nummer acht in Folge gab's für David Storl, der zwei weitere 21-Meter-Stöße zeigte.
Vollbesetzte Ränge auf zwei Tribünen, dazwischen eine Kugelstoß-Anlage mit frisch gelegtem Rasen, hinter dem Sektor Zuschauer in Zehner-Reihen, eine wunderschöne Kulisse mitten in der Altstadt und von den Athleten selbst ausgewählte stimmungsvolle Rhythmen, die aus den Boxen dröhnten: Der vorgelagerte Kugelstoß-Wettbewerb der Deutschen Meisterschaften 2018 in Nürnberg war am Freitag perfekte Werbung für die Leichtathletik. Und natürlich die Leichtathleten, die auf dem Weg zu den Heim-Europameisterschaften in Berlin (6. bis 12. August) zu Höchstform aufliefen.
Im Frauen-Wettbewerb gab dabei die große Favoritin Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) gleich im ersten Versuch den Ton an. 19,55 Meter und die geballte Faust: Die Europameisterin war zufrieden mit ihrem Einstieg. Was nur rund ein Jahr nach der Geburt ihrer Zwillinge schon wieder in ihr steckt, zeigte sie in Runde fünf: Mit 20,06 Metern zeigte sie den besten Stoß seit dem Sommer 2016 und die zweitbeste Weite der Welt in diesem Jahr.
Sara Gambetta löst EM-Ticket
"Das war ein total geiler Stoß. Beim Reingehen in den Ring hatte ich schon im Gefühl, dass der richtig gut wird,", berichtete Christina Schwanitz, bevor sie auf dem Grün zu einer Mini-Ehrenrunde aufbrach. Und das, obwohl sie am Vorabend noch in Monaco gestartet und am Morgen um 4:30 Uhr losgefahren war, um pünktlich in Nürnberg zu stoßen.
Dahinter machten auch die weiteren deutschen Kugelstoßerinnen einen starken Wettkampf. Alina Kenzel (VfL Waiblingen) stellte mit 18,21 Metern ihre Bestmarke ein und bestätigte mit Silber ihre starke Form. Der größte Stein fiel am Freitag wohl Sara Gambetta (SV Halle) vom Herzen: Nach abgehakter EM-Norm früh in der Saison hatte sie zuletzt mit einer Kapselverletzung zu kämpfen. Pünktlich zu den Titelkämpfen ließ sie die Kugel mit 17,79 Metern wieder jenseits der Norm aufschlagen und machte als DM-Dritte das Ticket für die EM in Berlin klar.
David Storl mit dem nächsten 21er
Eine Klasse für sich war im Kugelstoßen der Männer wieder einmal David Storl (SC DHfK Leipzig). Der 27-Jährige feierte in Nürnberg seinen sage und schreibe achten deutschen Titel in Folge. Dieses Mal flog die Kugel bis auf 21,26 Meter, und das gleich im ersten Versuch. Anschließend mühte er sich vergeblich, noch einen draufzupacken – auch im Rest des Feldes ging ein wenig der Schwung verloren gegangen, nachdem alle eine Zwangspause einlegen mussten: Der Balken am Abstoß hatte dem Druck der Athleten nicht standgehalten und musste ausgetauscht werden.
"Es war hier echt ein Highlight", freute sich David Storl dennoch nach seinem Sieg, fügte aber hinzu: "Schade, dass sich keiner mehr qualifizieren konnte." Denn während er sein EM-Ticket als Titelverteidiger bereits sicher hatte, ging es bei einer Reihe weiterer Athleten darum, die noch fehlenden Zentimeter zur EM-Norm von 20,00 Metern draufzupacken. Doch alleine der zweitplatzierte Patrick Müller (SC Neubrandenburg) schaffte es, die glänzende Stimmung in der Arena für eine Freiluft-Bestleistung zu nutzen. Mit 19,49 Metern fehlte jedoch auch ihm der Ausrutscher ganz nach oben.
Tobias Dahm (VfL Sindelfingen), mit einer Saison-Bestmarke von 19,73 Metern angereist, wurde mit 19,38 Metern Dritter. Vereinskollege Simon Bayer, der sich der Norm schon bis auf neun Zentimeter genähert hatte, musste sich mit 19,05 Metern und Rang fünf zufriedengeben. So hielt sich die Euphorie im Kugelstoß-Lager trotz der einzigartigen Kulisse in Grenzen.
Para-Leichtathleten machen Lust auf Para-EM
Den Auftakt in das Kugelstoß-Event am Hauptmarkt hatten um 17:00 Uhr die Paralympics-Athleten gemacht, in illustrer Besetzung mit mehreren Goldmedaillen-Gewinnern der zurückliegenden Paralympischen Spiele. Da fast alle Athleten in unterschiedlichen Klassen antraten, wurde mit Drei-, Vier- und Sechs-Kilo-Kugeln gestoßen und es gab am Tagesende fünf erste sowie einen zweiten Platz.
Der weiteste Stoß insgesamt ging auf das Konto von Sebastian Dietz (LAV Bünde; F36). Der eigentliche Diskus-Spezialist, der aufs Kugelstoßen umgesattelt hatte, nachdem das Diskuswerfen in seiner Klassifizierung aus dem paralympischen Programm genommen worden war, kaum mit der Vier-Kilo-Kugel auf 14,77 Meter. Mit der Sechs-Kilo-Kugel ging es für Frank Tinnemeier (TSV Hillentrup; F63), der mit einer Prothese am linken Bein stößt, auf stolze 14,50 Meter – er verbesserte damit seinen eigenen deutschen Rekord.
Der kleinwüchsige Nico Kappel (VfL Sindelfingen; F41) musste sich wenige Wochen nach seinem ersten 14-Meter-Stoß – Weltrekord – dieses Mal mit 13,09 Metern zufriedengeben. Birgit Kober (TSV 1860 München; F36), Paralympics-Ikone mit drei Goldmedaillen im Kugelstoßen und Speerwurf, überzeugte mit der Drei-Kilo-Kugel und 11,60 Metern. Wie Co-Kommentator, Mathias Mester, selbst Para-Athlet und mehrmaliger Weltmeister in den Wurfdisziplinen, als fachkundiger Gast-Kommentator bemerkte, war dies sogar ein inoffizieller Weltrekord. Beste Voraussetzungen für die <link https: para-euro2018.eu _blank>Heim-EM der Para-Leichtathleten vom 20. bis 26. August in Berlin.
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