| ISTAF

Abschied mit vielen Gesichtern

Es war nicht nur ein Nachmittag mit vielen sportlichen Höhepunkten, sondern auch ein kollektives Lebewohl sagen am Samstag beim ISTAF im Berliner Olympiastadion. Ein letztes Mal suchten und fanden Christina Obergföll, Björn Otto und Co. den Schulterschluss mit ihren Fans auf der größten deutschen Leichtathletik-Bühne.
Jan-Henner Reitze

Der Abschied hatte viele Gesichter am Samstag im Berliner Olympiastadion. In einem Punkt waren aber alle Athleten vereint, die den Anlass zum Lebewohl sagen nutzten: Sie genossen die malerische Kulisse. Das Stadion war zeitweise in goldgelben Sonnenschein getaucht. Und die 44.500 Zuschauer rundeten den perfekten Rahmen mit donnerndem Applaus und Standing Ovations ab.

Den aus sportlicher Sicht spektakulärsten Abgang legte Christina Obergföll hin, die von ihrem Sieg und 64,28 Metern so begeistert war, dass kurzzeitig Gedanken an den Rücktritt vom Rücktritt aufkeimten. "Ein paar Sekunden habe ich darüber nachgedacht", erklärte die Speerwurf-Weltmeisterin von 2013, nachdem sie durch die Spalier stehenden Konkurrentinnen ihren allerletzten Wettkampf-Wurf abgefeuert hatte. „Aber es ist vorbei. Es hätte kein schöneres Ende geben können.“

Bernard Lagat mit 41 Jahren noch einmal Zweiter

Im fortgeschrittenen Alter von 41 Jahren hielt Bernard Lagat (USA) mehr als nur mit der Konkurrenz mit. In 7:43,63 Minuten lief der Doppel-Weltmeister von 2007 hinter dem zwölf Jahre jüngeren Augustine Kiprono Choge (Kenia; 7:43,00 min) auf Rang zwei über 3.000 Meter. 16 Jahre nach seiner ersten Olympia-Medaille in Sydney (Australien) gab der insgesamt 13-mal mit internationalem Edelmetall dekorierte US-Amerikaner seinen Europa- und Bahn-Abschied in Berlin, weil "ich mich hier zu Hause fühle." Gefeiert hat er am Abend mit einem deutschen Bier.

Weniger im Rampenlicht, aber im Rennen mit Weltrekordler David Rudisha (Kenia), ging Sören Ludolph (LG Braunschweig) zum letzten Mal als Leistungssportler über die 800 Meter und wurde Achter (1:48,31 min). "Ich wollte bewusst noch ein Rennen laufen, auf das ich mich gezielt vorbereiten konnte. Es macht nichts, dass ich dabei nicht im Mittelpunkt stand, ich habe meinen persönlichen Abschluss gefunden", erklärte der Olympiateilnehmer von 2012.

Bei Linda Stahl kribbelt es noch einmal

Etwas ungewohnt war die Rolle der Zuschauerin für Speerwerferin Linda Stahl (TSV Bayer 04 Leverkusen), die verletzungsbedingt nach Olympia keine Wettkämpfe mehr bestreiten konnte. "Ich habe den Speer, mit dem ich Bestleistung geworfen habe, gerade von meinem Trainer Helge Zöllkau abgeholt und bei mir zu Hause aufgestellt." Diesen Speer zu berühren, weckte Erinnerungen. "Ich war auch hier auf der Tribüne überrascht, wie groß die Lust war, mitzuwerfen."
 
Der Cut sofort im Anschluss an die Olympischen Spiele brachte einen ungeplanten Nebeneffekt mit sich: Eine lange Pause bis zum Einstieg als Vollzeit-Ärztin im Oktober. "Es ist ein Unterschied, wenn der lange geplante Abschied dann wirklich da ist. Im Moment trauere ich ein wenig. Das ändert sich aber, wenn es im Job wieder losgeht“, erzählte die Europameisterin von 2010, die gemeinsam mit Hammerwerferin Betty Heidler (SCC Berlin), Christina Obergföll und Stabhochspringer Bjön Otto (ASV Köln) vor großer Kulisse nochmal aufs LED-Podium durfte und sich einen großen Applaus abholte. "Das ist eine Wertschätzung für die vergangenen Jahre."

Betty Heidler und Björn Otto haben letzten Wettkampf noch vor sich

Der sportliche Abschluss steht für Betty Heidler und Björn Otto noch aus. Für die Hammerwerferin war es dennoch eine Herzensangelegenheit, sich auch in ihrer Heimatstadt zu verabschieden. "Ich verbinde so viele schöne Erinnerungen mit diesem Stadion. Über das ISTAF hinaus natürlich mein WM-Silber von 2009", so die Weltmeisterin von 2007, die noch einmal am Samstag (10. September) in den Ring geht und sich mit der Insel Borkum einen ganz speziellen Rahmen für den persönlichen Abschied ausgesucht hat.

Für das ISTAF steht sie in den kommenden Jahren auf der Gästeliste, genauso wie die anderen verabschiedeten Athleten. "Wir haben uns schon verabredet für ein regelmäßiges Wiedersehen."

Auch für Björn Otto war es nach langer Verletzungspause noch einmal schön, im großen Stadion "Adieu" zu sagen. "Berlin ist atemberaubend. Hier nochmal etwas zurückzubekommen für 30 Jahre Stabhochsprung, war absolutes Gänsehaut-Feeling." Am Mittwoch (7. September) in Aachen möchte er nochmal zum Stab greifen und so für sich einen Schlusspunkt finden. "Zuletzt hat der Fuß im Training gehalten", erzählte der 38-Jährige. "Ich möchte mit einem Sprung aufhören. Nur so kann ich mich richtig verabschieden."

Raúl Spank zu Tränen gerührt

Seinen emotionalen Moment bekam auch Raúl Spank (LG Nord Berlin), der gerne nochmal im Dreisprung eingegriffen hätte. Der Körper ließ das aber nicht zu. Er durfte sich nach der Vorstellung der Kollegen um Max Hess (LAC Erdgas Chemnitz) beim Publikum bedanken und war danach mehr als gerührt.

„Mein Abschied hat sich länger angekündigt. Aber wenn ich in so einem Stadion bin, merke ich: Von meiner Identität bin ich Leistungssportler. In so einem Moment kommen viele Erinnerungen hoch. Es war eine schöne Zeit.“

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