| Interview

Merlin Hummel: „Das Olympia-Jahr war für mich sehr lehrreich“

© Iris Hensel
Bei den Europameisterschaften in Rom gelang Hammerwerfer Merlin Hummel als Vierter mit einer Bestmarke von 79,25 Metern der Vorstoß in die europäische Spitze. Als Zehnter beendete er die Olympischen Spielen in Paris. In diesem Winter hat der 23-Jährige sein Arbeitsgerät zum Auftakt bereits auf 76,38 Meter befördert. Nach seinem Titelgewinn bei den Deutschen Meisterschaften im Winterwurf haben wir mit ihm über sein Olympia-Jahr, den Stellwert einer Winterwurf-Meisterschaft sowie seinen Vereinswechsel zur LG Stadtwerke München gesprochen.
Sandra Arm

Merlin Hummel, herzlichen Glückwunsch zum Meistertitel. Was bedeutet er Ihnen?

Merlin Hummel:
Er ist eine wichtige Zwischenetappe auf dem weiteren Saisonweg. Es bedeutet mir sehr viel, dass ich im letzten Versuch nochmal meine Psyche unter Beweis gestellt habe und nochmal ein bisschen was an Weite herauskitzeln konnte. Der Wettkampf lief bis dahin echt holprig. Ich konnte nicht ganz das umsetzen, was ich mir im Training erarbeitet habe. Das ist vollkommen in Ordnung, denn daraus lernt man und daran wächst man am meisten. Der Titel zeigt mir, dass noch sehr viel Potenzial da ist, und ist eine gute Generalprobe auch im Hinblick auf den Winterwurf-Europacup in Nikosia.

Mit dem weiteren Olympia-Teilnehmer Sören Klose hat einer ihrer stärksten Konkurrenten gefehlt. Sie sind als Favorit in diese Konkurrenz gestartet. Wie gehen Sie generell mit der Rolle des Gejagten um?

Merlin Hummel:
Mir liegt jede Rolle. In der Rolle des Favoriten muss man sich eher beweisen. Natürlich liegt dann ein wenig mehr Druck auf einem. Wenn man diesen Druck gut umwandeln kann, ist es umso schöner. Es ist immer die Frage, wie man selbst damit umgeht. Selbst wenn ich als Zweiter gestartet wäre, hätte sich nicht viel verändert.

Auf Ihrer Homepage stehen genau drei Termine: Deutsche Meisterschaften Winterwurf, der Winterwurf-Europacup und die Weltmeisterschaften in Tokio. Ist das genau Ihr Fahrplan für die kommenden Monate?

Merlin Hummel:
Ich war ein bisschen zu faul und habe noch die Team-Europameisterschaften, die Universiade und die Deutschen Meisterschaften vergessen. Das werde ich noch nachtragen. Aber im Grunde sind es die zwei Wettkämpfe, die für die nächsten Monate am wichtigsten sind. Ich werde immer gefragt, was ist der nächste Wettkampf – und was ist das große Ziel? Auf letzteres arbeiten wir langfristig hin.

Welchen Stellenwert hat für Sie generell solch eine Winterwurf-Meisterschaft?

Merlin Hummel:
Das ist eine Extra-Challenge, weil es heute ein anderer Ring war. Er war super. Er kann auch mal glatt sein, es kann mal schneien oder sehr kalt sein – das kann immer passieren und dafür müssen wir gewappnet sein. Solch ein Wettbewerb ist ein anderer als im Sommer, wenn fast immer die Sonne scheint und es 25 Grad sind.

Sind Sie generell ein All-Wetter-Werfertyp?

Merlin Hummel:
Wärmere Temperaturen sind natürlich optimal, aber ich habe über den Winter gelernt, die Kälte und den Schnee zu lieben. Wir haben jetzt die ganze Zeit draußen bei diesen Temperaturen geworfen.

Im letzten Durchgang haben Sie sich auf 76,38 Meter steigern können. Was lief dort besser als in den Versuchen davor?

Merlin Hummel:
Ich war mir die ganze Zeit unsicher, ob die technischen Malheure, die ich mir eingefangen habe, von den Schuhen kommen, und ich dadurch wegrutsche. Dann habe ich die Schuhe gewechselt und gemerkt: Daran lag es nicht. Ich bin dann wieder auf die Originalschuhe gewechselt und habe mir gedacht, du haust jetzt alles rein, gibst Vollgas und machst dir keinen Kopf. Das war ein guter Kompromiss.

Haben Sie Ihre Vorbereitung auf die Winterwurf-Saison anders gestaltet als im Vorjahr?

Merlin Hummel:
Wir haben keine wirkliche Vorbereitung darauf gemacht. Wir bereiten uns langfristig auf den Saisonhöhepunkt im Sommer vor. Den Winterwurf-Europacup nehmen wir quasi aus dem Training mit einem Tag Pause mit. Auch die Winterwurf-DM haben wir jetzt nur aus dem Training heraus bestritten.

Was nehmen Sie für sich aus diesem Auftaktwettkampf mit?

Merlin Hummel:
Ich weiß genau, an was ich arbeiten muss: Dass die Technik stabil bleibt, wenn man Vollgas gibt. Wenn ich das umsetze, dann wäre ich schon super zufrieden. Die Weite kommt dann von allein.

Im mentalen Bereich haben Sie sich speziell vor den Olympischen Spielen in Paris Hilfe aus der Familie geholt.

Merlin Hummel:
Meine Mutter hat mir da ein sehr schönes Programm zusammengestellt, das ich durchlaufen bin. Das war die Kirsche auf der Sahnetorte, aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass ein gutes Mentaltraining einfach viele vor allem internationale Wettkämpfe beinhaltet. Gerade solche Situationen wie heute verstärken das natürlich.

Wie würden Sie Ihr letztes Jahr mit einem Wort beschreiben?

Merlin Hummel:
Mit einem Wort ist es schwierig, aber ich würde sagen: Zum Großteil wie geplant. Es war sehr lehrreich.

Inwieweit sehr lehrreich?

Merlin Hummel:
Ich habe mich aus dem Tief bei der WM in Budapest vor zwei Jahren und einer leichten Bandscheiben-Vorwölbung wieder herausgearbeitet. Wir haben im Winter an gewissen Stellschrauben wie der Gesundheit und vor allem an der Technik gearbeitet. Das hat sich ausgezahlt. Insbesondere die Europameisterschaft in Rom war eine Erfahrung für das Mentale. Bei den Spielen in Paris lief nicht alles optimal. Das soll keine Ausrede sein, das zeigt mir einfach nur, dass sehr viel Potenzial da ist. Genauso wie im heutigen Wettkampf. Ich schaue in Sachen rein, die mir nicht so gefallen, und werde mich so lange ransetzen, bis sie funktionieren.

Sind Sie ein Typ, der sich in dieser Hinsicht schnell wieder fokussieren kann?

Merlin Hummel:
Nach Paris war ich sehr traurig und sehr enttäuscht von mir, weil ich mir sehr viel vorgenommen hatte. Die Tage danach sah die Welt schon wieder anders aus, ich habe mir die Stadt und weitere Wettkämpfe angeschaut. Es hat trotzdem die ganze Zeit in mir geschlummert, und ich habe überlegt: Was muss ich verändern? Dementsprechend habe ich für mich daraus eine große Lehre gezogen.

Sicher auch in Richtung Sommer 2025 mit den Weltmeisterschaften in Tokio als Höhepunkt. Ist es für Sie ein Problem, dass der Saisonhöhepunkt erst im September stattfindet?

Merlin Hummel:
Für mich ist es eher super, so spät hatten wir einen Saisonhöhepunkt lange nicht mehr. Das heißt natürlich auch, dass wir uns jetzt Zeit lassen können. Ich kann die Bereiche, die ich schon im Pariser Stadion anvisiert habe, jetzt mit voller Intensität bis dahin umsetzen. Zwischendurch kommen einige Wettkämpfe wie die Team-EM, Deutsche Meisterschaften und Universiade.

Sie haben zu Jahresbeginn einen Wechsel vollzogen. Sie tragen jetzt das Trikot der LG Stadtwerke München. Wie kam es dazu?

Merlin Hummel:
Die Nachricht war: Es gibt von der Sporthilfe weniger finanzielle Unterstützung. Das war immer ein essentieller Bestandteil, weil sie mich schon die komplette Jugend immer begleitet haben. Da hat mein Trainer Martin Ständner gemeint: Wechsel doch zur LG Stadtwerke München. Du trainierst weiterhin in Kulmbach, wir arbeiten weiterhin zusammen. Aber ich habe einfach ein größeres Budget, das ich voll in den Sport investieren kann.

Mehr:
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