| Interview

Petra Herrmann: "Sprünge sind einfach das, was ich am besten kann"

© privat
Die Herrmanns aus dem sächsischen Frankenberg zählen zu den momentan erfolgreichsten Leichtathletik-Familien im deutschen Masters-Bereich. Diesmal stehen nicht die Kinder Bianka oder Matti im Rampenlicht, auch nicht Vater Lutz, sondern Mutter Petra. Wir haben mit der 65-jährigen Dreisprung-Weltrekordlerin und Zweitplatzierten der Wahl zur "Masters-Leichtathletin des Jahres"2024 gesprochen. Über persönliche Fähigkeiten, Vorlieben und Grenzen, Windlotterien sowie über Stabhochspringen im eigenen Garten.
David Deister

Herzlichen Glückwunsch, Petra Herrmann. Bei der Wahl zur „Masters-Frau des Jahres“ 2024 haben Sie schließlich nur der Preisträgerin Eva Nohl den Vortritt lassen müssen? Freut oder fuchst Sie dieser zweite Rang?

Petra Herrmann:
Das fuchst mich gar nicht. Ich freue mich über jeden, der für mich abgestimmt hat. Von daher bin ich froh und stolz über Platz zwei.

Gold im Dreisprung (9,98 Meter), Silber im Stabhochsprung (2,60 Meter) und Bronze im Weitsprung (4,38 Meter)  von den Hallen-Europameisterschaften in Torun brachten Sie gleich drei Einzelmedaillen mit. Und in Ihrer Paradedisziplin, dem Dreisprung, war draußen dann sogar die magische Zehn-Meter-Marke in Neukieritzsch fällig. 

Petra Herrmann:
Genau, auf dem letzten Drücker. Wenige Tage nach meinem 65. Geburtstag, gleichbedeutend mit dem internationalem Altersklassen-Wechsel, überbot ich in Halle/Saale in fünf meiner sechs Versuche den Weltrekord. Doch leider vom Wind verweht, der Rückenwind war unerlaubt stark. Ein paar Tage später hatte ich in Neukieritzsch und bei erlaubtem 1,9 Metern pro Sekunde Rückenwind auch richtig Glück: 10,12 Meter, endlich Weltrekord. 

Stolze 31 Zentimeter weiter als die neun Jahre alte Rekordleistung von Akiko Ohinata, einer Japanerin. Wie haben Sie den Weg zum Dreisprung gefunden?

Petra Herrmann:
Früher gab es noch keinen Drei- und Stabhochsprung für Frauen. 1990 hatte ich mich auf den Weg nach Österreich gemacht, nach Dornbirn am Bodensee. An der Seite von Lutz, meinem Ehemann, in seiner Aktiven-Zeit mit über 6.000 Punkten selbst ein guter Zehnkämpfer und Stabhochspringer (4,42 Meter), sprang ich auf Anhieb 11,55 Meter. Als über 30-Jährige. Mit meiner 12,53 Meter-Bestleistung kam ich sogar weiter als mein Mann. Das war für ihn der beste Anlass, zumindest mit dem Dreispringen aufzuhören und noch mehr Zeit zu haben für seine – von mir und anderen hochgeschätzte – Trainerrolle. Und für mich war es ein guter Grund, um dranzubleiben.

Worauf muss man beim Dreisprung als 65-Jährige besonders achten?

Petra Herrmann:
Bei mir ist das Gefühl für den Übergang vom ersten zum zweiten Sprung ausschlaggebend. Dieses Gefühl ist kaum trainierbar. Entweder man hat es – oder nicht. Dass die Verbindung zwischen Hop und Step gut funktioniert, ist die wichtigste Herausforderung – das mit meinen beiden Hüftprothesen. So achte ich darauf, beim ersten Sprung nicht zu hochzuspringen und mich gut abzufangen. Klappt das, kann ich meine Sprungkraft auch im letzten Sprung, dem Jump, ausspielen.

Für mich sind Sie das Paradebeispiel einer Sprung-Allrounderin im Masters-Bereich. Inwiefern unterscheidet sich in den Sprungdisziplinen Ihre Herangehensweise? 

Petra Herrmann:
Beim Stabhochsprung muss man sich richtig überwinden, in den Stab hineinzuspringen. Die Technik braucht meine größte Aufmerksamkeit. Die trainiere ich regelmäßig, mindestens einmal in der Woche. Über das Stabhochspringen hatte ich mich über die Jahre an die anderen Sprünge wieder herangetastet. Hochsprung kann ich eigentlich gar nicht. Mein Absprung ist gut, die Lattenüberquerung eher katastrophal. Weitsprung ist für mich dem Dreisprung sehr ähnlich. Für beide Anläufe muss ich Sprint trainieren, selbst mit 65. Absprung und Technik übe ich kaum, da kann ich auf bis zu 50 Jahre Erfahrung zurückblicken. Wichtig ist, starke Fußgelenke zu haben.

Wo und wie oft trainieren Sie? 

Petra Herrmann:
Früher habe ich mehr trainiert. Heutzutage sind dreimal in der Woche für mich optimal. Unsere Familie ist Mitglied in zwei Vereinen. Im Sommer trainieren wir meist in Frankenberg, im Winter fahren wir in die Leichtathletikhalle nach Chemnitz. Ich trainiere nur sehr wenig an Geräten, meistens mit der eigenen Körperkraft, Bauch und Rücken oft im Liegen. Treppensprünge mache ich häufig und gerne, sei es beid- oder einbeinig, Stufe für Stufe höher oder je nach Zielsetzung auch mal zwei oder mehr, da habe ich die unterschiedlichsten Varianten in petto.

Höchstleistungen, Medaillen oder Rekorde  woraus ziehen Sie die Motivation? Was treibt Sie an?

Petra Herrmann:
Sprünge sind einfach das, was ich am besten kann. Ich habe Spaß, wenn es funktioniert und ich in den Wettkämpfen meine Leistung bringe. Was am Ende platzierungsmäßig dabei herauskommt, kann ich nicht beeinflussen. Bei uns Masters motivieren im Fünf-Jahresrhythmus besonders auch die Altersklassenwechsel, man orientiert sich an anderen und an wieder neuen Bestmarken.

Und wie entspannen Sie? Ernähren Sie sich speziell?

Petra Herrmann:
Ich lege gerne mal die Beine hoch, lese besonders gerne, spannende Thriller am liebsten. Was das Essen angeht, da gibt es nichts Besonderes, nur eben nicht zu viel. Hauptsache abwechslungsreich, Schnitzel genauso gerne wie Salat. Und ich nasche auch mal gerne. 

Wer „Hermanns“ und „Frankenberg“ googelt, stößt schnell auf einen MDR-Beitrag. Es geht darum, wie Sie zu Beginn der Corona-Pandemie etwa mit den Sportstättensperrungen klarkamen. Steht bei Ihnen noch immer eine Stabhochsprunganlage im eigenen Garten?

Petra Herrmann:
Anfangs waren uns ausgediente Teile einer alten Stabhochsprunganlage nützlich. Wir hatten damit zunächst sehr improvisiert. Mitunter kreuzgefährlich, weil man auch mal drohte, zwischen den nebeneinander gelegten Matratzen zu landen. Eine Dauerlösung war das nicht. Stattdessen haben wir uns eine Stabhochsprunganlage gegönnt, dazu Erde ausgehoben, für die Anlaufbahn ein Fundament ausgegossen und einen Läufer daraufgelegt. Für meinen 18 bis 19 Meter langen Wettkampfanlauf reicht das allemal. 

Welche Ziele haben Sie für das laufende Jahr?

Petra Herrmann:
Das erste Ziel, den aktuellen W65-Dreisprung-Weltrekord in der Halle (9,86 Meter) zu verbessern, kann ich leider vergessen. Meine Achillessehne schmerzt derzeit, vermutlich wegen Überbelastung. Den Versuch muss ich so aufs nächste Jahr verschieben.Jetzt geht es darum, wieder fit zu werden und schmerzfrei zu trainieren. Bei den Deutschen Meisterschaften in Frankfurt (28. Februar bis 2. März) würde ich gerne im Stabhochsprung und Weitsprung ein Wörtchen mitreden.

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