| Interview der Woche

Sophia Junk: "Ich habe große Lust auf den Sport und schnelle Zeiten"

© Stefan Mayer
Mit einem erfolgreichen Saisoneinstieg über 60 Meter hat Sophia Junk in Chemnitz gleich bei ihrem ersten Hallenwettkampf direkt wieder an ihre Topform aus dem Sommer anknüpfen können. Was seit den Olympischen Spielen in Paris passiert ist und was ihre Ziele für das Jahr 2025 sind, darüber sprachen wir mit der 25-Jährigen im Interview.
Jane Sichting

Sophia Junk, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem erfolgreichen Saisoneinstieg über 60 Meter. Sind Sie mit den Rennen in Chemnitz zufrieden und wie war es, nach den Olympischen Spielen im Sommer endlich wieder einen Wettkampf zu laufen?

Sophia Junk:
Vielen Dank. Da es für mich aufgrund der muskulären Probleme, die ich nach dem Vorlauf in Paris hatte, keine Late-Season mehr gab, bin ich direkt von der olympischen Bahn in Paris nach Chemnitz. Das war zwar eine komplett andere Situation, aber an sich war es ein gelungener Saisoneinstieg. Auch wenn da noch Luft nach oben ist. Im ersten Wettkampf neben einer Rebekka Haase zu stehen, war zusätzlich eine Drucksituation, der man sich erst einmal stellen und diese hinkriegen muss. Von daher bin ich super zufrieden, dass ich mit Bekki fast gleichauf durchs Ziel gekommen bin. Ein paar Stellschrauben gibt es aber noch, an denen man für das perfekte Rennen drehen kann. Zumal ich seit Donnerstag etwas angeschlagen und nicht ganz fit gewesen bin.

Mit Rebekka Haase hatten Sie eine Ihrer Staffelkolleginnen aus Paris neben sich – dieses Mal als Konkurrentin. Fällt es Ihnen leicht, aus dem Team- in den Konkurrenzmodus zu switchen?

Sophia Junk:
Im Grunde sollten wir das alle gut hinbekommen. Die Situation, dass wir Konkurrentinnen sind, haben wir in der Saison öfter, als dass wir zusammen eine Staffel laufen. Da wir in Deutschland eine gute Frauenstaffel repräsentieren wollen, freue ich mich auch, wenn andere deutsche Frauen schnell laufen. Denn das impliziert, dass wir am Ende auch wieder eine starke Staffel auf die Bahn bringen können. Prinzipiell fällt es mir nicht schwer, mit all den schnellen Mädels neben mir zu laufen – am Ende des Tages muss ich mich auf mich selbst konzentrieren und den Fokus auf meine Bahn legen. Den Rest kann ich ohnehin nicht beeinflussen. Das kann ich nur in Bezug auf meine eigene Entwicklung.

Nun liegt Paris einige Monate zurück. Haben Sie inzwischen realisiert, dass Sie eine olympische Bronzemedaille gewonnen haben? Gab es da vielleicht sogar einen Schlüsselmoment?

Sophia Junk:
Ein Schlüsselerlebnis gab es bisher noch nicht. Für mich ist es immer noch ein bisschen surreal. Vor allem, wenn man die letzten Jahre betrachtet – insbesondere das letzte Jahr, in dem ich vom Immunsystem her super angeschlagen war und etwa in der Hallensaison gar nicht zeigen konnte, was ich draufhabe. Da hatte ich auch mental etwas gestruggelt, ob ich es überhaupt nach Paris schaffe. Für mich war die Teilnahme unfassbar wichtig. Ich habe schon vor Jahren gesagt, dass ich in Paris 25 Jahre alt bin und ernsthaft Chancen habe, dabei zu sein. Deswegen habe ich mit da schon eine Art Druck gemacht, dass ich dort unbedingt stehe – weil ich mir Jahr für Jahr vorgesagt habe, dass das mein großes Ziel ist, auf das ich hinarbeite.

Dass ich es dann in einer Saison, die nicht ganz so einfach war, in die deutsche Nationalstaffel geschafft und mich in dieser als Startläuferin etabliert hatte, war bereits ein großer Meilenstein. Zusammen mit der ganzen Emotionalität rund um den verletzungsbedingten Verzicht auf das Finale ist es für mich noch immer nicht so richtig greifbar. Ich hätte mich nie in der Position gesehen, mich als Olympiamedaillengewinnerin zu bezeichnen. Deswegen braucht es noch ein bisschen seine Zeit, bis es angekommen ist. Vielleicht kommt das auch erst am Ende der Karriere, wenn man alles in Ruhe Revue passieren lässt.

Spätestens dann möchten Sie sicherlich auch noch gern auf eine glänzende Medaille blicken können. In den letzten Tagen gab es viele Bilder von Athleten, die ihre Olympia-Medaille aus Paris umtauschen wollen, weil das Material bereits sehr an Glanz verloren hat und die Medaillen alt aussehen. Wie steht es um Ihre eigene?

Sophia Junk:
Man sieht auf jeden Fall, dass da ein paar Qualitätsmängel sind. Aber sie sieht nicht so arg beschädigt aus wie andere Bronzemedaillen, die durch die sozialen Medien kursiert sind. Ich wüsste aber nicht, ob ich meine Medaille zurückgeben würde. Zwar bekäme ich eine, die identisch aussieht, aber es wäre nicht mehr die Medaille, die ich in Paris um den Hals gehängt bekommen habe und die ich mit all den Emotionen verbinde. Da schaue ich lieber erstmal, inwiefern ich die ein bisschen polieren könnte.

Auch wenn für Sie die Sommersaison verletzungsbedingt nach Paris beendet war, folgte nach solch einem Highlight sicher auch ein kleines Motivationstief. Wie lange haben Sie mit dem Training pausiert und wann sind Sie in die Vorbereitung auf die Hallensaison gestartet?

Sophia Junk:
Direkt nach den Spielen habe ich noch zwei Wochen Rehatraining gemacht, um die Heilung der verletzten Struktur zu unterstützen. Dann war ich die ersten beiden Septemberwochen im Urlaub und anschließend bin ich bei der Landespolizei in Koblenz im Wechselschichtdienst zur Hospitation gewesen. Das war in Vollzeit und mit Nacht- und Frühdienst sowie allem, was dazu gehört. Parallel haben wir Anfang Oktober wieder mit dem Training angefangen, das ich die ersten vier Wochen aber viel ohne meine Trainingsgruppe und meinen Trainer in Frankfurt absolviert habe. Hier ging es aber vor allem um die allgemeine Fitness, deswegen war das nicht so problematisch.

Da ich im Oktober auch noch von Koblenz nach Frankfurt umgezogen bin, stand allgemein viel auf der Agenda, weswegen ich gar nicht allzu viel Erholung hatte, sondern relativ zeitnah wieder einen Alltag hatte. Auch wenn nicht den gewohnten mit ausschließlich Training, sondern mit neuen Menschen und Aufgaben, die mich auch mental noch einmal anders gefordert haben. Am Ende hat mir das aber auch gut dabei geholfen, mal ein bisschen weg vom Sport zu kommen.

Ging mit dem Umzug nach Frankfurt auch ein Wechsel Ihrer Trainingsumgebung einher?

Sophia Junk:
Den hatte ich schon etwas eher. Seit August 2023 trainiere ich in Frankfurt bei David Correll – unter anderem mit Lisa Mayer und Kevin Kranz in einer Trainingsgruppe. Anfangs hatte ich noch viel Pendelei aus Koblenz, weil ich nicht direkt alles auf die Karte Frankfurt setzen wollte. Doch es war die goldrichtige Entscheidung, so dass ich mir dann mit meinem Freund zusammen eine neue Wohnung in Frankfurt gesucht habe und das jetzt meine neue Wahlheimat geworden ist. Das Training hier funktioniert super und ich fühle mich in meinem Trainingsumfeld sehr wohl.

Wie sich spätestens auch in Paris bestätigt hat. Nachdem die Entscheidung getroffen war, dass Sie das Finale nicht selbst laufen können – wo haben Sie das Rennen verfolgt? Waren Sie an dem Tag noch mit dem Team zusammen und dann auch selbst im Stadion?

Sophia Junk:
Nachdem viele Tränen geflossen sind, war schnell klar, was die Aufgabe einer Ersatzläuferin ist: Du bist auf jeden Fall immer mit den Mädels dabei. Das heißt, dass wir die gleichen Abfahrtszeiten hatten, beim Warm-Up dabei waren und die Mädels so gut es ging unterstützt haben. Am Callroom haben wir uns dann verabschiedet und Lisa-Maria Kwayie und ich sind dann in den Athletenblock ins Stadion gegangen, um zu schreien, was das Zeug hält. (lacht)

Wir saßen dann genau auf Höhe des letzten Wechsels und haben uns von dort aus das Spektakel angeguckt. Dabei war ich aufgeregter als im Vorlauf. Denn in dem Moment hatte ich es nicht mehr selbst in der Hand, sondern musste die Kontrolle abgeben und auf die Mädels vertrauen. Und dann haben sie im strömenden Regen von Paris Bronze gewonnen. Ich war völlig perplex, weil ich wusste, dass ich auch eine Medaille bekommen werde. Dann ging alles sehr schnell: Wir haben unser Siegerehrungs-Dress angezogen, uns noch mal die Nase gepudert und dann ging es auch schon aufs Treppchen.

In den Wochen nach den Spielen folgten viele Termine und unter anderem auch die Gala zur Wahl der Sportler des Jahres. All das durften Sie ebenfalls als Team genießen – sehen Sie das als Vorteil? Sonst sind Sie eher Einzelkämpferin.

Sophia Junk:
Wir verstehen uns alle super, daher ist es immer schön, die Mädels wiederzusehen und solche Erlebnisse zu teilen. Da wir den magischen Moment in Paris zusammen teilen durften, verbindet uns einfach etwas. Zudem gibt es auch ein bisschen Sicherheit, wenn du so erfahrene Frauen dabeihast und dich da dranhängen kannst. Ich genieße so was dann gern etwas aus dem Hintergrund, da ich generell eine bin, die nicht immer im Mittelpunkt stehen muss.

Kommen wir zurück auf die Bahn und zur aktuellen Hallensaison. Wie sieht hier Ihre Planung aus, welche Wettkämpfe werden Sie noch im Winter bestreiten?

Sophia Junk:
Nächste Woche bin ich in Erfurt, dann kommen Karlsruhe und das ISTAF Indoor in Düsseldorf, danach ist eine Woche Pause und dann sind die Deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund. Danach müssen wir gucken, was der Zahlenwert sagt und ob ich es zur Hallen-EM schaffe. Das ist ein Ziel, das ich gemeinsam mit meinem Trainer angepeilt habe, aber dafür müsste ich auch persönliche Bestleistung laufen – die liegt aktuell bei 7,22 Sekunden, die Hallen-EM-Norm bei 7,20 Sekunden. Das ist zwar ein hohes Ziel, aber die muss man sich setzen, um sich verbessern zu können.

Werden wir Sie in der Halle auch über 200 Meter sehen?

Sophia Junk:
Die werde ich erst im Sommer angreifen, dafür haben wir im August 2023 auch schon mit dem Aufbau angefangen. 2024 hatte es zeitlich leider nicht gepasst, auch noch 200 Meter zu laufen. Daher sammle ich im Sommer dann möglichst viel Rennerfahrung, um auch in Hinblick auf die Europameisterschaften 2026 richtig angreifen zu können. Ich denke, dass es ein realistisches Ziel ist, dort dann auch im Finale zu stehen. Die 200 Meter sind auch eher meine Favoritenstrecke – aber vielleicht ändert sich das auch noch. (lacht)

Wenn Sie bereits auf 2026 blicken, spielen da auch schon die nächsten Olympischen Spiele 2028 eine Rolle in Ihrem Hinterkopf?

Sophia Junk:
Ich denke lieber in kleinen Abständen. Der Leistungssport ist für den Körper hochanspruchsvoll. Zudem weiß ich jetzt noch nicht, ob ich in zwei Jahren vielleicht beruflich oder privat andere Ziele habe, die mit dem Leistungssport nicht mehr vereinbar sind. Ich möchte mich auf keinen Fall limitieren und höre einfach auf meine innere Stimme und meinen Körper. Aktuell habe ich große Lust auf das Training, den Sport und schnelle Zeiten. Es macht mir wahnsinnig Spaß und ich habe das Gefühl, dass da noch Zeiten in mir schlummern, die ich gern noch zeigen will.

Gern dürfen Sie dies schon in den kommenden Rennen unter dem Hallendach. Wenngleich zur körperlichen Topform auch immer eine mentale Stärke gehört: Arbeiten Sie hier mit einem Coach zusammen oder haben feste Einheiten?

Sophia Junk:
Durch die jahrelange Zusammenarbeit mit Experten habe ich mittlerweile einen Rucksack an Strategien und Tools, die ich in mentalen Situationen, in denen man struggelt, anwenden kann – also Hilfe zur Selbsthilfe. Im letzten Jahr habe ich aber gemerkt, dass mir das Mentaltraining nicht weiterhilft, und habe mit einem Sportpsychologen zusammengearbeitet, den ich über den Olympiastützpunkt Hessen gefunden habe und mit dem es auch auf der persönlichen Ebene gut passt. Wir haben keine regelmäßigen Termine, aber falls ich mal wieder Hilfe brauche, habe ich einen Ansprechpartner.

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