Das Publikum und die Fachjury haben Wurf-Allrounderin Eva Nohl zur "Masters-Leichtathletin des Jahres" gewählt. Die W75-Athletin, die im tschechischen Chabařovice geboren wurde, hat mittlerweile ihre private und sportliche Heimat in Mittelfranken gefunden. Welche Faktoren dazu beitragen, dass sie ihren Sport mit so viel Freude und Erfolg ausübt, und wie Training in der Küche seinen Teil dazu beitragen kann, verrät Eva Nohl in unserem Interview.
Herzlichen Glückwunsch, Eva Nohl: Von den Internetusern auf leichtathletik.de und schließlich von einer DLV-Jury wurden Sie ausgezeichnet als „Masters-Leichtathletin des Jahres“ 2024.
Eva Nohl:
Das ist Wahnsinn! „Masters-Leichtathletin des Jahres“ in ganz Deutschland – das war ich noch nie. Dass ich das als Werferin noch erleben darf! Vor allem, wenn man sich einmal anschaut, welche andere starke Frauen noch zur Wahl standen.
Im zurückliegenden März wurden Sie in Torun Doppel-Europameisterin in den Winterwurf-Disziplinen Hammer- und Gewichtwurf und im Sommer in Göteborg sogar zweifache Weltmeisterin, mit dem Hammer und Speer. Doch was machte die Sparkassen-Wurffünfkampf-Challenge im württembergischen Essingen am 20. Juli vergangenen Jahres so besonders?
Eva Nohl:
In Essingen hatten es mein Hammer- und mein Gewichtwurf in sich. Mit dem Zwei-Kilogramm-Hammer schaffte ich 40,83 Meter im Hammerwurf und mit dem Vier-Kilogramm-Gerät 16,03 Meter. „Leute, das ist ja Weltrekord“, rief ich nach meinem zweiten Versuch im Gewichtwurf. Weltrekord – für einen Tag! Weil meine stärkste Mitkonkurrentin, die US-Amerikanerin Myrle Mensey, tags darauf doch tatsächlich in Sacramento 16,24 Meter warf, also 21 Zentimeter weiter als ich.
Einerseits bescherten Sie sich damit selbst zwei neue Europarekorde, andererseits mussten Sie sich im Fernduell geschlagen geben. Also eher mit weniger guten Erinnerungen?
Eva Nohl:
Aber nein. Diese Wurfchallenge in fünf Teilen in Essingen vergesse ich nicht. Sogar meine ungeliebte Kugel flog auf 8,81 Meter, für mich PB (Persönliche Bestleistung). Von Anfang an war es dort richtig lustig. An der Seite meiner Trainingskollegen und meiner Freundin Rica [Wüllscheidt; W45, TSV 1860 Scheinfeld; Anm. d. Red.], und auch mit den anderen Teilnehmerinnen war ich richtig locker. Das war ein stimmungsvoller und familiärer Mehrkampf, bei dem ich entspannen konnte und zwischen den Wettbewerben die nötige Lockerheit hatte, so dass ich mich dann bei den meisten Würfen völlig auf mich konzentrieren konnte.
Beeindruckend zu sehen, wie gewandt und geschmeidig, leichtfüßig und ja fast tänzerisch Sie sich im Ring um die eigene Achse bewegen. Wie schafft man das im Alter von 75 Jahren?
Eva Nohl:
Ich muss echt trainieren, trainieren und am Ball bleiben. Einen Tag ohne Training – das gibts bei mir nicht. Zweimal in der Woche sieht mich der Fitnessraum. Dazu mache ich zweimal 30 Minuten Kraftgymnastik in Zirkelform. Und wenn es das Wetter erlaubt, trainiere ich zwei- bis dreimal auf dem Platz. Mal in der Gruppe, mal allein, wo ich dann 30 bis 40 Würfe absolviere. Gut trainieren heißt bei mir auch, im Fitnessstudio Muskeln halten oder aufbauen, vor allem die im Oberschenkel sowie Rücken und Bauch. Zum Standard gehören Beinpresse, Kniebeuge und Bankdrücken…
… bei dem Sie welches Gewicht auflegen?
Eva Nohl:
Will ich drei Wiederholungen machen, lege ich oft 40 Kilogramm auf. Testweise hatte ich auch mal 47,5 Kilogramm geschafft – mit einer Wiederholung. Und dann übe ich täglich zuhause.
Zuhause?
Eva Nohl:
In der Küche. Ich drehe auch in der Küche täglich so meine Runden, mache da jeweils zwei bis drei Drehungen. Zehn- bis zwölfmal pro Tag, dann natürlich ohne Gerät. In dicken Socken, die drehfreudig und schnell noch dazu sind. Wenn es in der Küche gut funktioniert – bis jetzt ist gottlob alles heilgeblieben –, klappt die Technik auch im Ring und mit Gerät.
Ob Hammer- oder Gewichtwurf, ob mit der Kugel, dem Diskus oder dem Speer – wie sind Sie zur Wurf-Allrounderin geworden?
Eva Nohl:
Im Masters-Alter war ich zunächst als Skilangläuferin, Triathletin und Mittelstrecklerin aktiv. Das ganze Werfen begann 1995 mit dem Interesse für den Hammerwurf. Unmittelbar nach einem frustrierenden 800-Meter-Lauf schweifte mein Blick zum hinteren Teil einer Sportanlage. Ich war neugierig und folgte dem Treiben an diesem Wurfkäfig. Unmittelbar nach Wettkampfende gab Jutta Schöppe mir einen Hammer in die Hand: „Jetzt schwingst du mal an, und wirfst ab.“
Was offenbar bestens klappte.
Eva Nohl:
Und wie. Diese Drehwürfe reizten mich mehr und mehr. Ich war lernfähig und lernte schnell bei den Drehungen hinzu, hatte aber niemanden, der mir das beibringen konnte. „Hier hast du einen Hammer und das passende Buch dazu“, sagte mein damaliger Trainer Leonhard, „Loni“ Dürschinger im April des darauffolgenden Jahres. Das Leichtathletik-Werk von Gerhard Schmolinsky aus Leipzig war mir ab da ein ständiger Begleiter. Und so fuchste ich mich in Technik und Training ein. Auf den Wettkämpfen schaffte ich bereits im Mai 20, im Juni mit Drehung 26 und im September 29 Meter. Außerdem qualifizierte ich mich auf Anhieb für die Deutschen Meisterschaften und wurde dort sogar Vierte.
Was fasziniert Sie so am Hammerwerfen?
Eva Nohl:
Beim Hammerwerfen – ganz ähnlich auch beim Gewichtwurf – musst du schnell sein und die Achse halten. Und wenn der Hammer gefühlt von allein fliegt und das Ganze leicht von der Hand geht, macht Erfolg richtig Spaß. Alles dreht sich um den einen perfekten Wurf. Da halte ich es mit der Aussage von Barbara Špotáková, der tschechischen Speerwerferin, wonach du meist nur einen einzigen unter 1.000 Würfen hast, wo das Anstrengungsgefühl gegen Null geht und man diesen einen perfekten Wurf hat. Das will ich am liebsten noch ein bisschen häufiger erleben.
Wo absolvieren Sie Ihr Techniktraining?
Eva Nohl:
Ich habe das große Glück, dass die Stadt Langenzenn mich super unterstützt mit meinem Sport. Vormals bekam ich ein stadteigenes Gelände zugewiesen. Den Ring hatten wir, mein Ehemann Wilfried und ich, selber gebaut. Inzwischen werfen wir woanders, die Stadt hilft noch heute. Die Leute vom Bauamt sind super und helfen bei der Pflege der Anlage, beispielsweise beim Rasenmähen. Als Mensch, der lieber backt als kocht, kostet es mich da dankenswerterweise den ein oder anderen Kuchen.
Wann ist das Sportjahr 2025 für Sie ein gutes Masters-Jahr?
Eva Nohl:
Ich liebe es, weit zu werfen, ob bei kleinen Sportfesten oder großen Meisterschaften. Ich will weiter Erfolge feiern und mir die Weltrekorde zurückholen. Dazu muss ich dranbleiben und noch etwas zulegen.
Ohne Fleiß kein Preis, wie vorbildlich.
Eva Nohl:
Ich freue mich einfach über jede und jeden, die oder der einfach mal mit dem Werfen anfängt. Und wer bei uns in Langenzenn anklopft und Lust auf unsere Trainingsgruppe hat – meist sind wir so fünf oder sechs Leute – ist willkommen.