Ein knappes Jahr ist es her, dass Johanna Martin in der Hallensaison 2024 die deutsche 400-Meter-Szene aufwirbelte. Mit 17 Jahren wurde sie Deutsche Hallenmeisterin. Nach der erfolgreichen Teilnahme an den World Relays und Rang vier bei der U20-WM steht nun fest: Mit ihren Erfolgen hat sich die junge Langsprinterin den Titel „Jugend-Leichtathletin des Jahres“ 2024 gesichert.
Die Nachricht, dass sie Deutschlands „Jugend-Leichtathletin des Jahres“ 2024 geworden ist, kommt für Johanna Martin (1. LAV Rostock) unerwartet. „Damit habe ich gar nicht gerechnet“, staunt die 18-Jährige. Dabei hat sich die Langsprinterin im abgelaufenen Jahr über die U20-Altersklasse hinaus einen Namen gemacht. Drei Erfolge stechen heraus – erzielt in völlig unterschiedlichem Setting.
Es war Mitte Februar, als der Name Johanna Martin in Leipzig einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Die damals erst 17-Jährige ging nach ihrer starken Bestzeit von 52,76 Sekunden bei der Hallen-DM als Favoritin an den Start. Nach einer Steigerung auf 52,55 Sekunden im Vorlauf holte sie im Finale den Titel.
Dieser Erfolg überraschte die Langsprinterin. „Es ist eine Sache, schnell zu laufen, aber eine andere, mit Druck umzugehen“, blickt sie zurück. „Ich habe eine Weile gebraucht, um zu verstehen, dass ich das wirklich geschafft habe.“
Von Leipzig nach Nassau und Lima
Nach dem ersten Highlight unter dem Hallendach folgte Anfang Mai das nächste – in der Karibik. Gemeinsam mit den 400-Meter-Kolleginnen und -Kollegen, die sie einige Monate zuvor nur aus dem Fernsehen gekannt hatte, machte Johanna Martin auf den Bahamas die Olympia-Qualifikation mit der 4x400-Meter-Mixed-Staffel klar. Als Schlussläuferin trug die U20-Athletin in der zweiten Qualifikationsrunde den Stab als Erste über die Ziellinie.
„Ein unbeschreibliches Gefühl“, erinnert sie sich. Der erste Einsatz bei den Erwachsenen war „der schönste Moment der Saison für mich“. Als Jüngste im Team wurde die U18-EM-Finalistin von 2022 von den erfahreneren Athletinnen und Athleten herzlich willkommen geheißen. „Wir haben super harmoniert. Das war der Schlüssel, warum wir so gut performt haben.“ Neben den Wettkämpfen und gemeinsamem Training schweißten Erkundungstouren auf der Insel und ein Schnorchel-Ausflug am Tag nach dem Rennen die Gruppe zusammen.
Wieder auf den amerikanischen Kontinent führte die Reise Ende August, zur U20-WM in Lima (Peru). Der südamerikanische Winter ebenso eine Herausforderung wie die drei Rennen gegen die Weltelite. „Ich kannte es bis dahin nur, dass es beim Höhepunkt warm ist, mit guten Bedingungen.“ Mit Bestleistung (52,49 sec) rannte Johanna Martin dennoch auf Rang vier – als zweitbeste Europäerin und schnellste Athletin des Jahrgangs 2006.
Schon jetzt ein professionelles Umfeld
Die vielen Reisen durch den Sport sind möglich, weil Johanna Martin bereits jetzt auf ein professionelles sportliches Umfeld zählen kann. Seit vier Jahren besucht sie den Sportzweig der Rostocker Christophorusschule. Dank Schulzeitstreckung steht das Abitur erst 2026 an. Acht Trainingseinheiten in der Woche werden gekonnt mit dem Stundenplan vereint, am Wochenende ist trainingsfrei. Das Training ist vielfältig und mehrkampforientiert.
Coach Birger Voigt betreut in Rostock eine Gruppe von Nachwuchs-Athletinnen und Athleten mit viel internationaler Erfahrung. Hürdensprinterin Lia Flotow gewann 2023 U20-EM-Bronze, Medaillen in derselben Farbe hängten sich bei der U18-EM 2024 Maria Schnemilich (Siebenkampf) und Pauline Richter (200 Meter) um. Zehnkämpfer Anton Steffen (alle 1. LAV Rostock) wurde Fünfter. Die Talente sind nicht nur sportlich eng verbunden.
Mit der besten Freundin zur U20-WM
„Pauline ist meine beste Freundin“, sagt Johanna Martin. „Bei der Jugend-DM in Koblenz habe ich mich fast noch mehr als über meinen Sieg darüber gefreut, dass wir zusammen nach Lima fliegen und gemeinsam Staffel laufen dürfen.“ Im Training ergänzen sich Unterdistanzstärke (Richter) und Stehvermögen (Martin) bestens.
Rückschläge, weiß Johanna Martin schon jetzt, gehören zum Sportlerleben dazu. So musste die Langsprinterin ihre EM-Teilnahme in Rom (Italien), für die sie bereits nominiert war, wegen einer Verletzung absagen, die sie auch die mögliche Olympia-Nominierung kostete.
„Das Jahr hatte krasse Höhen und Tiefen“, sagt sie. „Das ist schon ein Dämpfer gewesen und ich war wirklich traurig.“ Sie glaubt jedoch, dass es sie gestärkt hat, diese Erfahrung bereits im jungen Alter durchgemacht zu haben. Ihr Trainer, die Eltern und Freunde fingen sie auf. „Dank ihnen habe ich die Zweifel abgelegt und mein Selbstvertrauen gestärkt.“
U20-EM das Hauptziel
So kann Johanna Martin optimistisch in die Zukunft blicken. In der Hallensaison soll die deutsche U20-Hallen-Bestleistung fallen, die mit handgestoppten 52,4 Sekunden seit 1980 Dagmar Rübsam hält. Im Freien liegt der Fokus auf der U20-EM in Tampere (Finnland; 7. bis 10. August), wo der Finaleinzug über das oberste Ziel ist – und sicher auch das nächste gemeinsame Rennen mit Freundin Pauline Richter.
Im Hinblick auf die WM in Tokio (Japan; 13. bis 21. September) will die junge Athletin nichts überstürzen: „Ich laufe gern Staffel, das ist immer ein schönes Teamgefühl. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, würde ich mich freuen.“ Lust auf einen weiteren Einsatz im Konzert der Großen hat Johanna Martin auf jeden Fall.