Es war die Krönung einer langjährigen und engen Zusammenarbeit: Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye holte bei den Olympischen Spielen in Paris die Goldmedaille. Seit zehn Jahren ist ihre Trainerin Iris Manke-Reimers an ihrer Seite, die vom DLV als "Trainerin des Jahres" ausgezeichnet wurde – und selbst eine lange Reise von ihrer aktiven Karriere bis zur Gold-Trainerin hinter sich hat.
Es war das Jahr, in dem alles zusammenpasste. In dem sich die harte Arbeit bezahlt machte. Und es war der Höhepunkt einer langen Reise, die für das Trainerin-Athletin-Duo Iris Manke-Reimers und Yemisi Ogunleye (MTG Mannheim) bis auf den Olymp führte. Seit zehn Jahren sind die Kugelstoßerin und ihre Heimtrainerin, eine einstige Mehrkämpferin, ein Team. Jeder Erfolg bis hin zum olympischen Gold in Paris (Frankreich) – gemeinsam hart erarbeitet und erkämpft. Und so ist es auch nur passend, dass zum Ende der Saison sowohl Trainerin als auch Athletin für ihre Arbeit ausgezeichnet werden.
Am Montagabend wurde Yemisi Ogunleye in Mannheim mit dem Sport-Award Rhein-Neckar geehrt. Ihre Trainerin erhielt den Preis als „Top-Trainerin“, zuvor war sie bereits vom Deutschen Leichtathletik-Verband als „Trainerin des Jahres“ gewürdigt worden. „Für mich sind diese Auszeichnungen etwas Neues, aber natürlich auch etwas sehr Schönes“, sagt Iris Manke-Reimers. „Sie zeigen mir, dass meine Arbeit Anerkennung findet.“
Zehn gemeinsame Jahre
Vor mehr als zehn Jahren hatte sie die Betreuung der damals 15-Jährigen übernommen – unter denkbar ungünstigen Bedingungen: Nach einem Kreuzbandriss ging die junge Athletin an Krücken. Der damalige Bundestrainer Klaus Schneider stellte den Kontakt her und empfahl Iris Manke-Reimers, sich der Teenagerin anzunehmen.
„Ich habe mir lange überlegt, ob ich das machen will“, blickt die Trainerin zurück. Auch im Wissen, wie jung ihr neuer Schützling noch war und wie lang sie die Karriere begleiten würde. Immerhin hatte sie mit Shanice Craft (SV Halle) bereits eine Top-Athletin unter ihren Fittichen. „Ich habe mit Yemi noch mal neu angefangen. Und so ist aus einer schwierigen Zeit etwas Gutes gewachsen. Wir haben viel zusammen geweint und viel zusammen gelacht.“
Von der sprungstarken Siebenkämpferin zur Wurf-Trainerin
Dass sie einmal zwei Athletinnen aus dem Wurfbereich in die Weltspitze führen würde, hätte sich die aus Singen im Landkreis Konstanz stammende Iris Manke-Reimers während ihrer eigenen sportlichen Karriere wohl nicht vorstellen können. Unter ihrem Mädchennamen Künstner feierte sie im Mehrkampf einige Erfolge, holte 1977 U20-EM-Silber im Fünfkampf, stellte in der Jugend badische Hochsprung-Rekorde der W15 und U18 auf und zählte in den frühen 80er-Jahren zu den besten deutschen Siebenkämpferinnen.
Ihre Stärken hatte sie neben dem Hochsprung (PB: 1,89 m) vor allem im Weitsprung, in dieser Disziplin erreichte sie 6,32 Meter. 1984 verfehlte die damals 24-Jährige, deren Siebenkampf-Bestleistung bei 6.194 Punkten steht, als viertbeste Deutsche nur knapp das Olympia-Ticket nach Los Angeles (USA). Ihre eigene sportliche Karriere setzte sie anschließend nicht fort, blieb aber der Leichtathletik weiter verbunden. 1988 heiratete sie den ehemaligen Sprinter Michael Manke-Reimers. Das Paar engagierte sich fortan gemeinsam in der Leichtathletik und übernahm bei der MTG Mannheim eine Schülergruppe, die rasch anwuchs.
Aus praktischen Gründen wurde die Gruppe aufgeteilt, sodass sich die Wege des Ehepaares in der Zusammenarbeit trennten – und es lag auf der Hand, dass sich Michael Manke-Reimers aufgrund seiner Expertise im Sprint bevorzugt um die Sprinterinnen und Sprinter kümmerte. So fand sich seine Frau mit einer Disziplingruppe konfrontiert, die während ihrer aktiven Zeit nicht zu ihren Lieblingsaufgaben gehört hatte. „Es stimmt, dass ich nicht so stark im Wurf war. Aber es hat sich so herauskristallisiert, dass ich mich in den Wurfbereich eingearbeitet habe, weil mein Mann Sprinter war. Da blieb mir nichts anderes übrig.“
Zwei Athletinnen – beide Weltspitze
Athletinnen und Athleten aus der ursprünglichen Schülergruppe des Ehepaares schafften es bis in die deutsche und internationale Spitze. Michael Manke-Reimers betreute Sprinter Patrick Domogala (MTG Mannheim), Iris Manke-Reimers zunächst Diskuswerferin Shanice Craft, die in ihrer Jugend Medaillen bei U20-Welt- und -Europameisterschaften abräumte und als Schützling von Iris Manke-Reimers auch Bronze bei den Europameisterschaften 2014 in Zürich (Schweiz) gewann.
An die gemeinsame Zeit denkt die Trainerin gerne zurück. „Wir sind den Weg gemeinsam gegangen, bis Shanice aus persönlichen Gründen den Standort gewechselt hat, und haben heute immer noch einen sehr guten Kontakt.“ Damals machte sie sich noch keine Gedanken darüber, eine Athletin später bis zu den Olympischen Spielen zu führen. Immerhin war der Trainerjob nicht ihr Hauptberuf, wie ihr Mann Michael war Iris Manke-Reimers im Versicherungsgeschäft tätig.
„Im Grunde habe ich mit Shanice und Yemisi nur zwei aktive Athletinnen betreut“, sagt sie, „die aber beide Weltklasse geworden sind. Das macht mich schon stolz, dass ich das geschafft habe.“ Ihre Athletinnen bis zu den Olympischen Spielen zu führen, war eigentlich nie ihr Hauptziel gewesen. „Darüber habe ich mir anfangs gar keine Gedanken gemacht. Man hat Athleten und die entwickeln sich. Es war für mich nie so, dass ich eine Athletin zu den Olympischen Spielen bringen wollte. Das macht ja der Athlet selber. Klar gehört auch der Trainer dazu. Das Ziel hat sich so entwickelt, wie sich ein Athlet entwickelt.“
Akribische Arbeiterin mit großem Engagement
Mit ihren Athletinnen hat sich auch Iris Manke-Reimers stets fortgebildet. Anfangs prägten sie vor allem die Erfahrungen mit ihren eigenen Trainern – Fred Glöck, der sie zu Beginn ihrer Karriere betreute, und Bernd Knut, langjähriger Cheftrainer in Leverkusen. Später kamen noch weitere Wegbegleiter hinzu. Um Yemisi Ogunleye herum hat sich in den vergangenen Jahren ein Trainerteam mit Iris Manke-Reimers an der Spitze gebildet. Ausschlaggebend dafür war die Umstellung auf die Drehstoßtechnik (hier lesen Sie mehr).
„Ich habe mir damals sehr viele Videos angeguckt, alles analysiert“, erinnert sich Iris Manke-Reimers, die damals mit der Drehstoßtechnik noch keine Berührungspunkte gehabt hatte. So holte sie sich Unterstützer ins Boot. Die ersten gemeinsamen Schritte Richtung Drehstoß machte das Duo gemeinsam mit dem Trainer Khalid Alqawati, der in Mannheim den luxemburgischen Rekordler Bob Bertemes betreute („Khalid hat damals schon gesagt, dass Yemi ein Gefühl für den Drehstoß hat“).
Heute zählen der Stuttgarter Bundesstützpunkttrainer Artur Hoppe und Mareike Rittweg, Athletiktrainerin am Olympiastützpunkt, zum Team. Wenngleich die wöchentlichen Fahrten nach Stuttgart aufwendig sind, betrachtet Iris Manke-Reimers die Zusammenarbeit als großen Gewinn. Ihr Schützling absolviert gemeinsame Einheiten mit der Gruppe von Artur Hoppe, die Trainerin gibt den Schützlingen des Bundesstützpunkttrainers, darunter U23-Europameister Tizian Lauria, der Deutsche Meister Eric Maihöfer (beide VfL Sindelfingen) und der Deutsche Hallenmeister Silas Ristl (LAC Essingen), Input.
Wenn alles zusammenkommt
Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis alle feinen Rädchen ineinandergreifen würden. Denn was in ihrem Schützling steckt, hatte Iris Manke-Reimers längst gesehen. „Im Winter hat sich schon gezeigt, dass Yemi 20 Meter stoßen kann“, berichtet sie. Silber bei der Hallen-WM in Glasgow (Großbritannien) – ein erster Fingerzeig. Bronze bei der EM in Rom (Italien) trotz Knieproblemen – eine mentale Meisterleistung. „Das sind alles Mosaiksteine, die sie immer stärker gemacht haben.“
Das nächste Steinchen fiel bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig: „Wir hatten uns gewünscht, dass es irgendwann bei einem Wettkampf richtig regnet, damit Yemisi das auch mal durchmachen kann. Der Wunsch hat sich bei den Deutschen Meisterschaften erfüllt. So hatte sie alles, was sie sich gewünscht hat.“
Eine optimale Vorbereitung auf die Olympischen Spiele, bei denen das Kugelstoß-Finale ebenfalls im Regen stattfand. Bei ihrem ersten Versuch stürzte Yemisi Ogunleye im Ring. „Sie ist in ihrem Leben noch nicht so schnell wieder aufgestanden!“, erinnert sich Iris Manke-Reimers. „Sie war so in sich gekehrt, hat alles ausgeblendet.“ Die Ansage der Trainerin vor dem letzten Durchgang: „Du kannst es jetzt schaffen. Hau das Ding einfach raus!“
Die Krönung des gemeinsamen Weges
Der Olympiasieg – die Krönung eines gemeinsamen Weges, der nicht immer einfach war. Das Ehepaar Manke-Reimers ist auch über den Sport hinaus eng mit Yemisi Ogunleye zusammengewachsen. Anfangs musste Yemisi Ogunleye, die im rheinland-pfälzischen Bellheim aufgewachsen ist, noch jeden Tag 30 Kilometer bis zum Training zurücklegen. „Da hat sie auch ab und zu bei uns übernachtet. Wir sind wie eine Familie für sie geworden.“
Mittlerweile hat Iris Manke-Reimers ihren Bürojob aufgegeben und kann sich voll und ganz auf die Betreuung ihrer Top-Athletin konzentrieren. Michael Manke-Reimers unterstützt die Kugelstoßerin und deren Management bei der Beantwortung von Medienanfragen – denn davon gibt es seit dem Olympiasieg einige. „Wir sind beide froh, dass mein Mann uns den Rücken freihält und Vieles auffängt.“ Und so ist sich auch Yemisi Ogunleye bewusst, welch großen Anteil ihr Team am Erfolg hat. Nach ihrem Triumph in Paris jubelte sie im Fernseh-Interview: „Wir sind Olympiasieger!“
Zehn Jahre dauert die gemeinsame Reise von Yemisi Ogunleye und Iris Manke-Reimers nun schon an – und soll noch viele Jahre weitergehen. „Man weiß ja nie genau, was noch kommt. Aber wir haben es bis hierher geschafft und schaffen es auch weiter. Wir haben noch so viel zusammen vor.“ In vier Jahren stehen die Olympischen Spiele in Los Angeles an. In jener Stadt, in der sie auch 1984 stattgefunden hatten, als Iris Künstner knapp an einem Start vorbeischrammte. Und so könnte sich 2028 in Kalifornien der Kreis schließen.