| Interview der Woche

Max Heß: „Der Schlüssel zum Erfolg war das Gesundbleiben“

© Stefan Mayer
Acht Jahre hat es gedauert, bis Dreispringer Max Heß (LAC Erdgas Chemnitz) seine Freiluft-Bestleistung auf 17,38 Meter steigern konnte. Er belegte damit in Paris den siebten Platz in seinem ersten olympischen Finale. Im Interview spricht er über die neu gewonnene Konstanz, die Rückkehr in die Weltspitze und seine Ziele für die kommenden Jahre.
Jane Sichting

Max Heß, mit dem zweiten Platz beim Diamond-League-Finale in Brüssel haben Sie nach einer langen Sommersaison einen erfolgreichen Schlussakzent gesetzt. Hatten Sie in Ihrem Urlaub schon Gelegenheit, diese Revue passiere zu lassen?

Max Heß:
Ja, ich habe viel mit meiner Freundin darüber gesprochen und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es fast eine perfekte Saison war. Zwar hätte ich bei der EM ein bisschen mehr rausholen können, aber all in all stehen am Ende eine neue Bestleistung und Platz sieben bei Olympia. Das hätten mir im Vorfeld sicherlich nicht so viele zugetraut. Umso schöner, dass ich gezeigt habe, dass ich auch nach acht Jahren noch die Möglichkeit habe, meine Bestleistung zu steigern und noch nicht fertig bin mit dem, was ich angefangen habe.

Sie sprechen es bereits an – im Vorfeld war es für Sie auch aufgrund von Verletzungen in den letzten Jahren nicht immer einfach. Woran machen Sie es fest, dass der Knoten dieses Jahr endlich wieder geplatzt ist?

Max Heß:
Direkt verändert haben wir nichts. Der Trainingsplan hat im Zeitraum von 2016 und 2017 sehr gut funktioniert. Daran haben wir wenig verändert und das Grundkonzept ist gleich geblieben. Anders ist, dass wir jetzt ein Training abbrechen in den Momenten, in denen ich merke, dass der Körper zu sehr in die Ermüdung geht, oder wenn die Einheit nicht so gut läuft. Dann machen wir ein oder zwei Tage später eine gute Einheit – wir versuchen einfach, mehr auf den Körper zu hören. Lieber verzichten wir auf eine Einheit, als dann zwei Wochen wieder verletzt hinterherzulaufen. Insgesamt war das Gesundbleiben diese Saison der Schlüssel zum Erfolg.

Welche Rolle hat der Saisonverlauf in der Trainingssteuerung gespielt? Die Saison war sehr lang und hatte gleich mehrere Höhepunkte. Wie sind Sie das angegangen?

Max Heß:
Wir hatten das ein bisschen aufgesplittet. Einmal haben wir die Europameisterschaften als Highlight herausgestellt und voll darauf hintrainiert. Die Deutschen Meisterschaften hingegen haben wir aus dem vollen Training heraus gemacht, da wir zu diesem Zeitpunkt bereits im Aufbau zu Olympia hin waren. Paris war entsprechen das zweite Highlight. Danach haben wir es ein bisschen ausrollen lassen. Dass es bei den zwei Wettkämpfen danach in Rom und Brüssel trotzdem noch so gut gelaufen ist, zeigt, dass der Körper auch in einer Ruhephase mehr geben kann, als er auf dem Peak gibt. Insgesamt waren der Trainingsaufbau und die Phasen, die wir gewählt haben, ganz gut gelegen und es hat alles optimal gepasst.

Als Dreispringer ist die Belastung für den Körper besonders hoch. Haben Sie aufgrund der vielen Verletzungen in den letzten Jahren auch mal in Erwägung gezogen, die Disziplin zu wechseln? Zum Beispiel zum Weitsprung, wo Sie ebenfalls gute Leistungen in den Sand bringen?

Max Heß:
Nein. Denn auf der einen Seite bin ich noch nicht fertig und wollte auch die Bestleistung aus 2016 nicht stehen lassen. Im Training habe ich gemerkt, dass die Leistung da ist und noch mehr in mir schlummert. Und auf der anderen Seite ist die deutsche Konkurrenz im Weitsprung auch wieder sehr gut – da genieße ich es dann doch lieber, national vorneweg zu springen und wie in diesem Jahr auch mal eine Deutsche Meisterschaft etwas entspannter anzugehen, ohne spezifisch darauf hin zu trainieren.

Neben der körperlichen Belastung war es sicherlich auch mental eine Herausforderung, jedes Jahr aufs Neue Rückschläge zu erfahren und von Verletzungen ausgebremst zu werden. Wie haben Sie es geschafft, dennoch zuversichtlich und motiviert zu bleiben?

Max Heß:
Das war tatsächlich nicht so einfach, sich die letzten acht Jahre immer wieder neu zu motivieren und ins Training zu gehen, ohne zu wissen wofür. Ich habe teils Saisons mit Weiten von nicht einmal 16,50 Metern abgeschlossen – das sind Werte, mit denen ich definitiv nicht zufrieden bin. Was mich dennoch dabei gehalten hat, waren die Leistungen im Training, die trotzdem kamen und für viel mehr gesprochen haben. Irgendwann wollte ich dann auch die Lorbeeren ernten, für die ich mich die ganze Zeit quäle.

Sie trainieren seit der Kindheit in Chemnitz, seit mehr als einem Jahrzehnt an der Seite von Harry Marusch. Haben Sie in schwierigen Phasen je an einen Trainer- oder Standort-Wechsel gedacht? Hat Sie nie etwas Neues gereizt?

Max Heß:
Nein, da hatte ich nie Zweifel. Für mich war immer klar, dass ich in Chemnitz bleibe. Ich habe hier alles, was ich brauche, und fühle mich sehr wohl. Nicht nur, was das Sportliche angeht, sondern auch Familie, Freunde und Bezugspersonen oder die Uni. Da kommt vieles zusammen, was hier für mich perfekt Hand in Hand greift. Entsprechend war eine Veränderung nie eine Option für mich. Zudem muss ich dazu sagen, dass die Verletzungen, die mich die letzten Jahre ausgebremst haben, nichts waren, das sich strukturell über einen langen Zeitraum aufgebaut hat oder übers Training gesteuert war. Das waren alles Verletzungen, die immer und unter jedem Trainer passieren können – etwa mein Schlüsselbeinbruch nach einem Stolpern. Das war einfach Pech.

Kommen wir auf Ihre Erfolge zurück. Während Sie national seit Jahren die Konkurrenz dominieren, konnten Sie in diesem Jahr auch endlich wieder international vorn mitspringen. Inwiefern war das für Sie selbst ein neuer Reiz?

Max Heß:
Das ist ein großartiges Gefühl, denn dafür arbeitet man jeden Tag. Man stellt sich ja nicht jeden Tag ins Gym oder auf die Anlage, um dann bei Landesmeisterschaften zwei Meter vorn weg zu springen. Umso schöner ist es, dass es dieses Jahr wieder geklappt hat und ich international bei den Meetings vorn mit dabei bin. Man mag es kaum glauben, aber ich habe nach zwölf Jahren mein erstes Olympia-Finale erreicht. Obwohl ich schon so lange dabei bin, war das noch einmal ein entscheidender Schritt und ein kleiner Traum, den ich mir erfüllt habe.

Das erste Olympia-Finale muss nicht das letzte sein – wie weit blicken Sie voraus? Sie sind jetzt 28 Jahre alt, stehen Los Angeles 2028 und Brisbane 2032 noch auf der Agenda?

Max Heß:
In LA geht es noch einmal um die Wurst (lacht). Das werde ich noch einmal voll fokussiert angehen und ernst nehmen. In Brisbane wäre ich 36 Jahre alt, das ist kein Alter, in dem man unbedingt um Gold mitspringt. Hinten raus fällt die Leistung dann doch etwas ab. Da geht es dann eher ums Dabeisein – wenngleich noch immer mit einem Leistungssportgedanken. Das Hauptziel wird für mich aber erst einmal LA sein.

Bereits in diesem Jahr gab es international einige 18-Meter-Sprünge. Sind das Bereiche, die Sie sich auch zutrauen?

Max Heß:
Prinzipiell geht es immer darum, sein Bestes zu geben. Dieses Jahr habe ich wieder gezeigt, dass mein Niveau sehr hoch ist – wir sprechen da von einer gewissen Basis. Das waren in diesem Jahr Sprünge um die 17 Meter, jetzt am Ende sogar noch ein Stückchen darüber. Aus diesem Niveau entspringen dann Leistungsschübe – auch wenn es immer so wirkt, als ob man plötzlich einen halben Meter weiter springt. Aber das deutet sich meist schon in den davor liegenden Wettkämpfen an, bei denen etwa ein ungültiger Sprung nicht im Protokoll steht, man ihn von der Belastung her aber schon einmal erfahren hat und irgendwann in einen gültigen Versuch ummünzen kann. Im Endeffekt will ich aber erst einmal eine bessere Outdoor-Bestleistung haben als Indoor 17,38 m zu 17,52 m; Anm.d.Red.]. Auch wenn jetzt erst mal wieder eine Hallensaison ansteht und ich in dieser an das anknüpfen will, was ich draußen gezeigt habe und vielleicht auch den deutschen Rekord verbessern will. Das wäre toll, wenn das funktioniert.

Eine Hallensaison ist für Sie demnach wieder geplant?

Max Heß:
Ja, vorerst planen wir mit einer kurzen und prägnanten Hallensaison mit dem LAC-Meeting in Chemnitz, den Deutschen Hallen-Meisterschaften in Dortmund und dann der Hallen-EM und der Hallen-WM.

Können Sie für diese Höhepunkte auch aus Ihren Erfahrungen aus Paris profitieren? Gab es da etwas, an das Sie sich besonders erinnern?

Max Heß:
Das ist etwas, was mit meinem eigenen Wettkampf gar nicht so viel zu tun hatte: Parallel zu diesem hatte Yemi [Yemisi Ogunleye; Anm.d.Red.) ihr Finale, das ich aus relativer Nähe beobachten konnte. Als ich gesehen habe, dass sie im letzten Versuche einen raus gehauen hat und Olympiasiegerin geworden ist, war das für mich im dritten Versuch noch einmal ein kleiner Push: „Ja, du kannst das! Gib dein Bestes!“ – was dann auch geklappt hat.

Sie sind also während Ihres Wettkampfs nicht komplett im Tunnel?

Max Heß:
Nein, ich bin niemand, der die anderthalb oder zwei Stunden nur fokussiert auf der Bank sitzt und eine technische Sache nach der anderen abrattert. Ich versuche, mich da ein bisschen abzulenken. Erst im Versuch selbst bin ich dann wieder da und voll fokussiert. Ich bin ein viel zu großer Leichtathletik-Fan, als dass ich dann nicht aus nächster Perspektive gucken würde, was sonst noch im Stadion passiert (lacht).

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