Am Donnerstagabend ist in Zweibrücken eine erfolgreiche Stabhochsprung-Karriere zu Ende gegangen. Raphael Holzdeppe, der Weltmeister von 2013, verabschiedete sich bei seinem Heimmeeting vom Leistungssport.
Für seinen Abschiedswettkampf hatte sich Raphael Holzdeppe sein "Wohnzimmer" in Zweibrücken ausgesucht, wo er während seiner Karriere meist trainierte. Beim Wettkampf "Sky's the Limit" nahm der 34-Jährige am Donnerstag ein letztes Mal Anlauf. Die fünf Meter meisterte er im dritten Versuch, 5,20 Meter waren dann zu hoch (zum Video auf SWR.de). Wichtiger als das Ergebnis jedoch: der stimmungsvolle Abschied, begleitet von zahlreichen Freunden und Weggefährten.
"Ich habe so viele Wegbegleiter heute gesehen – ob sie mitgesprungen sind oder als Zuschauer hier waren. Auch Überraschungsbesuche und Leute, mit denen ich hier in Zweibrücken Abitur gemacht habe, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Es war einfach ein wunderschöner Tag für mich, also genauso, wie ich es mit ausgemalt habe", schwärmte der einstige Weltmeister im Video-Interview beim Südwestrundfunk (SWR). Auch der Olympiasieger von 2012, Renaud Lavillenie (Frankreich), war angereist und belegte mit 5,70 Metern Rang zwei hinter seinem Landsmann Robin Emig, der mit 5,80 Metern siegte.
"Vor ein paar Wochen habe ich Renaud angeschrieben und gefragt, ob er am 15. August schon was vorhat", berichtete Raphael Holzdeppe. Und obwohl der Franzose erst einen Tag zuvor in St. Wendel zum Stab gegriffen hatte, wollte er auch beim Abschiedsspringen seines langjährigen Kontrahenten mit dabei sein. Bei allen vier internationalen Medaillen im Erwachsenenbereich teilte Holzdeppe das Podium mit Lavillenie, bei den Olympischen Spielen und Europameisterschaften 2012 lag der Franzose jeweils als Sieger vorn, bei den Weltmeisterschaften 2013 und 2015 schnitt der DLV-Athlet mit Gold und Silber besser ab.
Vom U20-Weltrekordler zum Weltmeister
Die ersten Wettkampf-Resultate von Raphael Holzdeppe verzeichnen internationale Datenbanken aus dem Jahr 2005. Damals schied der noch nicht ganz 16-Jährige bei der U18-WM in Marrakesch (Marokko) ohne gültigen Versuch aus. Eine Randnotiz in einer später großartigen Karriere. Nur ein Jahr später sprang Holzdeppe als U18-Athlet bei der U20-WM in Peking (China)auf Rang fünf, 2008 krönte er sich in Bydgoszcz (Polen) zum U20-Weltmeister.
Kurz zuvor hatte er in Biberach 5,80 Meter überquert, den immer noch aktuellen deutschen U20-Rekord und damaligen U20-Weltrekord, den erst der heutige Weltrekordler und Olympiasieger "Mondo" Duplantis (Schweden) übertreffen konnte. Sein Erfolgsjahr 2008 krönte er mit Rang acht bei den Olympischen Spielen in Peking, der später durch eine Doping-Disqualifikation zu Platz sieben korrigiert wurde. 2009 wurde er in Kaunas (Litauen) mit 19 Jahren U23-Europameister, 2010 folgte dann das EM-Debüt bei den "Großen" in Barcelona – Rang neun.
Der große Durchbruch gelang dem Zweibrücker im Jahr 2012. Bei den Europameisterschaften in Helsinki (Finnland) gewann er hinter Renaud Lavillenie und seinem DLV-Teamkollegen Björn Otto Bronze. Und anschließend machte das Trio in einem denkwürdigen Wettkampf in London (Großbritannien) auch die Olympia-Medaillen unter sich aus, Raphael Holzdeppe steigerte auf dem Weg zu Bronze seinen Hausrekord um neun Zentimeter auf 5,91 Meter. 5,89 Meter bescherten ihm ein Jahr später seinen größten Titel: WM-Gold in Moskau (Russland), wo er Lavillenie und Otto diesmal hinter sich lassen konnte.
Letzte DM-Medaille in diesem Februar
Nach einem Verletzungsjahr 2014 war Raphael Holzdeppe 2015 wieder mittendrin in der Weltspitze. Bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg schraubte er seine Bestmarke auf 5,94 Meter, wo sie bis heute steht. Anschließend holte er bei der WM in Peking (China) mit Silber seine nächste internationale Medaille.
In den darauffolgenden Jahren bremsten ihn immer wieder Verletzungen aus, ein Weltklasse-Ergebnis erreichte er aber noch bei der WM in Doha (Katar) 2019, wo er Sechster wurde. Es sollte sein letzter internationaler Auftritt gewesen sein. Auch danach mischte der Pfälzer noch in der deutschen Spitze mit, sprang zuletzt bei der Hallen-DM in diesem Jahr in Leipzig auf den Silberrang. Seine Saison-Bestmarke aus seinem letzten Leistungssportjahr: 5,55 Meter, erzielt beim ISTAF Indoor in Düsseldorf.
"Besser als erträumt"
Begleitet wurde Deutschlands "Leichtathlet des Jahres" von 2008 und 2013 viele Jahre vom heutigen Bundestrainer Andrei Tivontchik, an den er nach seinem Abschiedswettkampf einen besonderen Dank richtete. Seit 20 Jahren ist das Duo eng verbunden, zwischenzeitlich verbrachte Holzdeppe zwei Jahre in München unter den Fittichen des Südafrikaners Chauncey Johnson, bevor er Ende 2014 nach Zweibrücken zurückkehrte, wo seine Karriere am Donnerstag auch zu Ende ging. "Hier hat 1999 alles begonnen – und es hat heute einfach superviel Spaß gemacht", sagte der 34-Jährige dem Pfälzischen Merkur.
Er blicke hochzufrieden auf seine lange und erfolgreiche Karriere: "All die Jahre waren so viel besser, als ich es mir je hätte erträumen können." Neue Herausforderungen sucht er nun im beruflichen Bereich, möchte zunächst sein Studium im Bereich Sport- und Bewegungstherapie abschließen und anschließend in diesem Bereich arbeiten. Auch für Hobbys bleibt ab sofort mehr Zeit: "Seit über zehn Jahren habe ich Skier im Keller stehen. Die habe ich jedes Jahr angeschaut und gedacht: 'Lieber nicht, so ein Knie ist ja doch schnell verdreht.' Aber jetzt habe ich keine Ausreden mehr."
Foto: Raphael Holzdeppe setzt bei der Hallen-DM in Leipzig zu seinem letzten Sprung aufs DM-Podest an.