Yemisi Ogunleye hat sich am Freitagabend in Paris zur Olympiasiegerin im Kugelstoßen gekrönt. Lange auf dem Silberrang liegend, beförderte sie im letzten Durchgang ihre Kugel auf genau 20 Meter – Freiluft-Bestleistung. Die zuvor führende Neuseeländerin Maddison-Lee Wesche konnte nicht mehr kontern.
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Zum Kreise der Mitfavoritinnen hatte Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye (MTG Mannheim) bei den Olympischen Spielen in Paris (Frankreich) durchaus gezählt. Immerhin hatte sie erst kurz vor den Spielen ihre Freiluft-Bestleistung in Schönebeck auf 19,53 Meter geschraubt. Auch bei den Hallen-Weltmeisterschaften in Glasgow (Großbritannien) im zurückliegenden März sowie bei der EM in Rom (Italien), wo sie Silber beziehungsweise Bronze holte, hatte sie bewiesen, dass sie in der Lage ist, bei Großereignissen Bestform abzurufen.
Doch den ganz großen Coup, der ihr am Freitag im Stade de France von Paris gelang, hätten wohl die Wenigsten erwartet. Im ersten Versuch rutschte die Mannheimerin im regennassen Ring noch weg. Doch im zweiten Durchgang lieferte sie direkt ab und wuchtete ihre Kugel auf 19,55 Meter. Schon das war Freiluft-Bestleistung, zunächst Rang zwei hinter der Neuseeländerin Maddison-Lee Wesche. Einzig Titelverteidigerin Lijiao Gong (China) und Jaida Ross (USA) erzielten in den ersten drei Versuchen ebenfalls Weiten jenseits der 19 Meter, diese waren aber deutlich kürzer hinter den Ergebnissen der Top Zwei.
Gold-Stoß im letzten Versuch
In Runde vier schob sich die zweite Chinesin Jiayuan Song mit 19,32 Metern auf den Bronzerang. Und auch im Kampf um Gold war das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn Yemisi Ogunleye katapultierte ihre Kugel im fünften Durchgang auf 19,73 Meter und übernahm damit die Führung! Wesche legte nach und holte sich mit 19,86 Metern Rang eins zurück. Doch eine allerletzte Chance gab es noch. Im letzten Versuch trat Yemisi Ogunleye hochkonzentriert in den Ring, drehte sich gewohnt leichtfüßig und ließ die Kugel fliegen. Mit bloßem Auge zu sehen: Die Kugel schlug auf der 20-Meter-Marke ein!
Kurz musste die Mannheimerin noch bangen, dann erschien die Weite auf der Anzeigetafel: Exakt 20 Meter! Das Warten begann. Denn immerhin absolvierte auch Maddison-Lee Wesche noch einen Versuch, der ebenfalls weit aussah. Aber "nur" mit 19,68 Metern gemessen wurde! Und so fiel Yemisi Ogunleye ihrer Teamkollegin Alina Kenzel (VfB Stuttgart) überglücklich in die Arme. Danach herzte sie ihre Trainerin Iris Manke-Reimers, die sie auf ihrem Weg zu Gold seit vielen Jahren begleitet hat und mit der sie einst den Umstieg auf die Drehstoßtechnik begann – der sich nun als Glücksgriff für die Athletin entpuppte.
Auf den Spuren von Astrid Kumbernuss
Auf das fünfte Olympia-Gold musste die deutsche Kugelstoß-Szene lange warten: 1996 hatte Astrid Kumbernuss sich zur Olympiasiegerin gekrönt. Die letzte deutsche Medaille gewann Nadine Kleinert im Jahr 2004. Maddison-Lee Wesche schickt sich mit ihrer Silbermedaille ihrerseits an, in die Fußstapfen der neuseeländischen Kugelstoß-Ikone Valerie Adams zu treten.
Mit ihrer Teamkollegin freute sich Alina Kenzel. Für die Stuttgarterin war nach einer langwierigen Post-Covid-Erkrankung bereits die Teilnahme an den Olympischen Spielen ein Erfolg, und die Final-Teilnahme das Sahnehäubchen. Mit 18,29 Metern ging's am Freitag ein wenig weiter als in der Qualifikation, als Neunte verpasste die EM-Vierte den Endkampf nur um zwölf Zentimeter. Die Hallen-Weltmeisterin und Beste der Qualifikation Sarah Mitton (Kanada) wurde mit 17,48 Metern überraschend nur Zwölfte.
Stimmen zum Wettbewerb:
Yemisi Ogunleye (MTG Mannheim):
Es ist voll schwer, die Worte dafür zu finden. Ich bin so dankbar, das heute umgesetzt bekommen zu haben. Ich bin so voller Dankbarkeit für alle, die mich auf diesem Weg unterstützt haben: Meine Trainerin, mein Trainerteam, meine Familie, meine Kirchengemeinde. Das ist einfach unglaublich. Meine Familie saß in der ersten Reihe, es war so schön, dass sie das miterlebt haben, ich habe sie einfach nur in den Arm genommen und mit ihnen geweint. Vor dem letzten Versuch habe ich gebetet – das ist der Klassiker, das sage ich immer wieder. In dem Moment habe ich so eine Ruhe verspürt, und so einen Glauben. Und ich stand im Ring und wusste: Es wird jetzt passieren. Als ich gesehen habe, dass die Kugel bei der 20-Meter-Linie gelandet ist, war ich schockiert und habe gedacht: Gott, du hast es einfach getan! Im ersten Versuch bin ich gestürzt und auf mein Knie gefallen, der Regen hat also definitiv gestört. Ich stand vor der Entscheidung: Gebe ich jetzt auf, oder mache ich weiter? Da habe ich mich relativ schnell entschieden: Yemi. Du bist hier bei Olympischen Spielen, du kannst nicht einfach aufgeben. Ich bin gefallen und wieder aufgestanden.
Alina Kenzel (VfB Stuttgart):
Ich bin unglaublich froh und dankbar, dass ich die Chance bekommen habe hier zu starten, ich habe wirklich alles gegeben. Schade um meinen zweiten Stoß, dem trauere ich gerade ein bisschen hinterher. Aber im Großen und Ganzen: Die Atmosphäre hier miterleben zu dürfen, den Sieg von Yemi miterleben zu dürfen, das übertrumpft natürlich alles. Ich kann es selbst grad nicht fassen, Yemi und ich sind langjährige gute Freunde, das ist unglaublich. Man steht hintendran und fiebert mit, ich war nervöser für sie als für mich im letzten Stoß. Unglaublich!