| Doppel-Interview

Clemens Prüfer & Henrik Janssen: "Mal sehen, wer in Rom die Nase vorn hat"

© Iris Hensel
Erst die Olympia-Normen in Neubrandenburg. Und dann bei den Halleschen Werfertagen 66,35 und 65,02 Meter: Die Diskuswerfer Henrik Janssen (SC Magdeburg) und Clemens Prüfer (SC Potsdam) haben sich mit Top-Weiten für die EM in Rom (7. bis 12. Juni) in eine gute Position gebracht. Nach ihren starken Auftritten haben wir mit den Trainingspartnern über ihre bisherige Saison, die Dynamik in der Trainingsgruppe sowie ihre EM-Ziele gesprochen.
Sandra Arm

Henrik Janssen, herzlichen Glückwunsch zum Premierensieg bei den Halleschen Werfertagen. Wie groß ist die Erleichterung?

Henrik Janssen:
Ich bin extrem happy, dass ich in diesem Feld mit dem Jamaikaner Fedrick Dacres und Denny Mathew aus Australien gewinnen konnte. Matthew Denny war nicht so gut drauf und bereits nach den ersten drei Versuchen aus dem Wettkampf rausgeflogen. Aber auch sonst waren ziemlich stabile Werfer dabei.

Clemens Prüfer, hier in Halle/Saale segelte ihr Diskus auf 65,02 Meter, Rang drei. Man hat Ihnen angesehen: Sie wollten mehr. Nehmen Sie die Glückwünsche zur heutigen Leistung trotzdem an?

Clemens Prüfer:
Die Glückwünsche nehme ich schon an. Ich habe mich nicht optimal gefühlt. Die Würfen waren nicht so sauber, technisch nicht so gut. Deswegen bin ich mit der Weite eigentlich unzufrieden. Aber wenn das jetzt mein Grundniveau ist, 65 Meter, dann kann ich mich nach den letzten Jahren wirklich nicht beschweren.

Wenige Tage zuvor haben Sie sich in Neubrandenburg mit 69,09 Metern an die deutsche Spitze gesetzt. Wie überraschend kam für Sie dieser Ausreißer?

Clemens Prüfer:
Ich wusste nach der Vorbereitung, dass ich was drauf habe. Ich war mir sicher, dass ich in den Bereich von 67 Metern werfen kann. Die 69 Meter waren jetzt nochmal ein kleines Stückchen weiter. Was da am Mittwoch im letzten Wurf passiert ist, da hat so ziemlich alles zusammengepasst. Auch mit den Bedingungen. Das muss man jetzt erstmal verkraften können.

Henrik Janssen, bei Ihnen lief es einige Jahre nicht so rund. 2023 kam der Durchbruch, auch mit Platz acht bei der WM. Jetzt ist die Olympia-Norm abgehakt. Was läuft anders?

Henrik Janssen:
Damals hatte ein paar Probleme, beim Wechsel aus der Jugend in den Männerbereich mit dem neuen Gewicht an die Leistungen anzuknüpfen. Das hat die vergangenen Jahre immer besser funktioniert. Ich denke, das war ein guter Prozess. Ich bin gerade dabei, mich von Jahr zu Jahr besser reinzufinden, und kann dann noch konstanter die Leistungen bringen. Aber daran arbeiten wir auch Tag für Tag.

Mit Ihrem Trainer Jörg Schulte. Welchen Anteil trägt er daran?

Henrik Janssen:
Der Trainer ist dabei am Ende immer eine wichtige Konstante. Wir arbeiten an der Technik, der Kraft – das beides zu kombinieren, daran trägt er einen großen Anteil. Ich bin seit August 2022 bei ihm. Im vergangenen Jahr konnte ich schon gut anknüpfen. Davor war ich bei Jürgen Schult, bei dem es auch super funktioniert hat.

Clemens Prüfer, Sie mussten in den vergangenen Jahren auch einige Durststrecken überstehen. Wie sehr befriedigt es Sie, dass es jetzt im Olympia-Jahr wieder richtig gut funktioniert?

Clemens Prüfer:
Vor diesem Jahr war nicht einmal klar, wie lange ich das Diskuswerfen noch machen kann, weil ich nur im Ergänzungskader gelandet bin. Für mich war klar: Ich muss 65 Meter werfen, weil das die Norm für den Perspektivkader ist. Das habe ich, glaube ich, im fünften Wettkampf mittlerweile um vier Meter überboten, so dass es jetzt überhaupt keine Frage mehr ist. Das hat mich schon bei den Deutschen Winterwurf-Meisterschafte in Halle/Saale sehr glücklich gemacht, weil ich da schon die 65 Meter getoppt habe. Seitdem läuft es einfach.

Wie lässt sich der bisherige Erfolg dieses Jahr bei Ihnen erklären?

Clemens Prüfer:
Am meisten hat es wirklich damit zu tun, dass ich ordentlich durchtrainieren kann. Ich habe meinen Rücken in den Griff bekommen. Der hat in den letzten zwei Jahren wirklich Probleme bereitet. Ich habe extra auch mit anderen Leuten wie Physiotherapeuten und Athletiktrainern zusammengearbeitet und mir ein Stabilisationsprogramm rausgesucht oder es in diesem Team erarbeitet. Das mache ich zusätzlich zum Training, um stabil zu sein und die normale Belastung des Trainings auszuhalten.

Wie sehr pusht die Konstellation mit Ihnen beiden als Trainingspartnern?

Henrik Janssen:
Erstens ist diese Saison besonders, zweitens ist Clemens ein Trainingskamerad, mit dem ich jeden Tag trainiere, wir werfen nebeneinander, gegeneinander im Training. Das pusht natürlich beides. Ich bin absolut happy, dass ich mit ihm den besten Deutschen noch vor mir habe.

Clemens Prüfer:
Das ist schon ziemlich cool. Jede Trainingseinheit, die wir zusammen werfen, ist so ein kleines internes Battle. Da pusht man sich, das macht Spaß. Das ist einfach ein super Gefühl, wenn man noch weiß, dass die Trainingsgruppe funktioniert. Zu der gehört auch Kristin Pudenz. Sie ist ebenfalls super drauf. Das ist einfach ein cooles Gefühl, wenn die ganze Trainingstruppe einfach in diesem Jahr abliefert.

Und wie ist die Situation zwischen Ihnen im Wettkampf?

Clemens Prüfer:
Man ist trotzdem immer noch cool miteinander, befreundet und drückt immer noch mal einen Spruch, weil man sich einfach so gut versteht.

Gönnt man dem anderen auch den Sieg?

Clemens Prüfer:
Ja, natürlich.

Henrik Janssen, wie sieht Ihr Fahrplan in Richtung EM in Rom aus?

Henrik Janssen:
Wir gehen jetzt in die Vorbereitung, Wettkämpfe stehen vor der EM keine mehr an. Dann wollen wir mal schauen, wer in Rom die Nase vorn hat.

Sie werfen dort in einem Stadion. Ihre Topweiten haben Sie bisher auf „Segelwiesen“ wie Neubrandenburg und Halle/Saale erzielt. Was ist da der größte Unterschied?

Henrik Janssen:
Natürlich der Wind – die äußeren Einflüsse. Die hast du im Stadion nicht, noch dazu, wenn es ein geschlossenes Stadion ist. Bei unserem Wettkampf heute war auch kein allzu großer Wind, kein extremer Segelwind, weshalb ich tatsächlich zuversichtlich bin, dass ich auch im Stadion weit werfen kann. Im Hinblick auf Paris, wenn ich dafür nominiert werden sollte, kann ich relativ optimistisch in diese Konkurrenz reingehen, weil ich eben weiß, dass ich auch ohne extremen Riesenwind 66 Meter werfen kann. Was auch international schon gut klingt.

Mit 69,11 Metern ist Robert Harting bei der WM 2013 im Stadion von Moskau Weltmeister geworden. Es heißt, diese Weite sei höher einzuschätzen als die 69,09 Meter, die Sie nun erzielt haben. Wie bewerten Sie selbst das?

Clemens Prüfer:
Diese Leistung muss man realistisch einordnen können. Ich bin aktuell nicht in der Form, um 69 Meter im Stadion zu werfen. Das würde mich sehr, sehr überraschen. Das zu erwarten, das wäre auch zu viel. 69 Meter mit sehr guten Bedingungen zu werfen, ist das eine. Das andere, im EM- oder Olympia-Finale zu stehen und solch eine Weite zu werfen. Ich habe jetzt viel gelesen: Clemens Prüfer wandelt auf Spuren von Robert Harting. Das möchte ich selbst mir überhaupt nicht anmaßen, davon bin ich noch so weit entfernt. So eine Leistung bei einem Höhepunkt in einem Finale in einem Stadion zu werfen, das ist nochmal ein ganz, ganz anderes Niveau. Da muss ich noch wirklich viel an mir arbeiten, um da vielleicht irgendwann hinzukommen.

Sie sind jetzt 26 Jahre alt. Vor vier Jahren haben Sie nach ihrem ersten deutschen Meistertitel gesagt, das Wurfalter fängt so richtig mit 26, 27 an. Damit haben Sie nicht ganz unrecht, wenn man Ihre Leistungen in diesem Jahr sieht.

Clemens Prüfer:
Ja, natürlich. Man sagt: So zwischen 26, 27 ist das Alter, in dem man wirklich sehr weit werfen kann, wenn man sich von Grund auf langsam entwickelt und der Körper die Entwicklung gut übersteht.

Henrik Janssen, wie viel Selbstvertrauen gibt Ihnen solch ein Wettkampf wie bei den Halleschen Werfertagen auch im Hinblick auf die EM in Rom?

Henrik Janssen:
Schon eine Menge – allein schon aufgrund des Starterfelds. Es waren gute Leute dabei, starke Werfer wie Fedrick Dacres oder Mathew Denny wie auch einige Europäer. Sehr cool, dass ich mich in diesem Feld durchsetzen konnte. Ich gehe zuversichtlich in die EM-Konkurrenz.

Gibt es schon eine Zielstellung für die EM?

Henrik Janssen:
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich will dort einfach eine gute Leistung bringen. In Europa haben wir die drei „Geisteskranken“ mit Mykolas Alekna [Litauen), Daniel Ståhl [Schweden] und Kristjan Čeh [Slowenien]. Wenn mir am Ende eine Platzierung in den Top Sechs gelingt, das wäre schon sehr krass.

Clemens Prüfer:
Ich fahre mit einem sehr guten Gefühl nach Rom. Ich weiß, dass ich was drauf habe. Die Höhepunkte sind immer eine Nummer für sich, vor allem die Qualifikationen. Das heißt, die Quali ist um 9:30 Uhr morgens – das wird schon schwierig. Das erste Ziel für jeden, der mitmacht, ist zunächst die Quali zu überstehen, selbst für den Goldfavoriten. Wenn man dann im Finale steht, dann denke ich Stück für Stück weiter – erstmal Top Acht, und wenn das erreicht ist, was bei der europäischen Leistungsdichte nicht einfach ist, wäre ich mit den Top Acht wirklich zufrieden. Dann schauen wir mal, wo es noch hingehen kann

Mit welcher Weite wären Sie bei der EM in Rom zufrieden?

Clemens Prüfer:
Da ich heute 65 Meter mit nicht so guten Würfen erzielt habe, alles im Bereich von 66 Metern. Wenn ich darüber hinaus komme und das bei einem Höhepunkt, das wäre wirklich in Ordnung. Es gab Jahre, da hat man mit diesen Weiten Medaillen geholt. Das ist leider vorbei. Aber das wäre trotzdem erstmal ein Schritt, und darauf kann ich dann aufbauen.

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