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Alexander Stepanov – Spät gezündet und voll durchgestartet

© Gladys Chai von der Laage
Bei der Hallen-DM in Leipzig haben sechs Athletinnen und Athleten erstmals einen Titel auf nationaler Ebene gewonnen. Wir stellen sie vor – und beginnen heute mit 800-Meter-Läufer Alexander Stepanov (VfL Sindelfingen).
Jan-Henner Reitze

Alexander Stepanov
VfL Sindelfingen

Bestleistung: 

800 Meter: 1:48,32 sec (2023)

Erfolge:

Sechster U20-EM 2023
Deutscher Hallenmeister 2024

Vor zwölf Monaten stand seine 800-Meter-Bestzeit noch bei 1:53,67 Minuten. Größter Erfolg von Alexander Stepanov war zu diesem Zeitpunkt der fünfte Platz bei der Jugend-Hallen-DM 2023 in Dortmund. Nur ein Jahr später hat er seine Bestleistung um fünf Sekunden gesteigert, in der U20 eine Finalteilnahme auf internationaler Ebene vorzuweisen und ist bei der Hallen-DM in Leipzig an die nationale Spitze in der Männerklasse gestürmt.

„Ich bin ein Spätzünder“, erklärt der 20-Jährige seinen rasanten Aufstieg. Bis in die Altersklasse U18 hinein war er im Vergleich zu seiner gleichaltrigen Konkurrenz körperlich im Nachteil, dann bremste ihn ein Wachstumsschub aus.

Seine leistungssportlichen Ziele verlor er dennoch nicht aus den Augen, stellte für die Leichtathletik sogar seine weitere sportliche Leidenschaft, den Fußball, hinten an. Die Idee, einmal professionell Sport zu betreiben, gehörte für den Athleten des VfL Sindelfingen schon immer dazu. Seine Eltern haben ihm das vorgelebt. Vater und Trainer Oleg war ebenfalls 800-Meter-Läufer mit einer Bestzeit von 1:46,29 Minuten und für Russland unter anderem Zweiter der Universiade 1993.

Der sportlichen Entwicklung Zeit gegeben

So kam es, dass Alexander Stepanov schon in frühester Kindheit in Stuttgart häufig auf dem Sportplatz war. „Meine Eltern haben mich immer mitgenommen.“ Zum ersten Mal zum Leichtathletik-Training ging er bei der SKG Botnang, wo sein Vater damals für das Nachwuchstraining zuständig war. Außerdem spielte der heutige 800-Meter-Läufer auch bis zur A-Jugend beim ASV Botnang Fußball.

In der Leichtathletik trat der Schüler lange in allen Disziplinen an – immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass der Sport mehr werden soll als ein Hobby. „Zuerst wollte ich Sprinter werden.“ Aber auch die 800 Meter waren schon immer eine Stärke. Vater und Trainer Oleg gab seinem Sohn Zeit, sich auszuprobieren. Über den 2021 verstorbenen langjährigen Läufer und Trainer Harald Olbrich bestand Kontakt zum VfL Sindelfingen und Ende 2017 erfolgte der Vereinswechsel dorthin.

Dem damaligen M14-Athleten gelang es 2018, sich in 2:07,27 Minuten über 800 Meter auf Rang elf erstmal in der DLV-Bestenliste zu platzieren. Aber auch in Sprint- und Sprungdisziplinen trat er noch bei Wettkämpfen an. In den folgenden Jahren rückte die Mittelstrecke immer mehr in den Mittelpunkt und die Zwei-Minuten-Marke über 800 Meter immer näher. Der Durchbruch in die nationale Spitze seiner Altersklasse blieb aber noch aus.

Im zweiten U18-Jahr gelang 2021 mit der deutlichen Steigerung auf 1:55,63 Minuten erstmals die Qualifikation für die erste Deutsche Jugendmeisterschaft in Rostock, wo es in einem taktischen Vorlauf allerdings nicht für den Finaleinzug reichte. Zu erklären war dieser Leistungsschub auch mit einem einsetzenden Wachstumsschub.

Fußbruch bremst Fortschritte aus

Nachdem das Jahr 2022 in der Halle mit der ersten 400-Meter-Zeit unter 50 Sekunden (49,52 sec) und der Steigerung auf 1:53,67 Minuten über 800 Meter vielversprechend begann, behinderten Hüftprobleme mehr und mehr das Training. „Das hing wohl auch damit zusammen, dass ich plötzlich so schnell gewachsen bin“, erzählt Alexander Stepanov, der dennoch alles gab, um sich weiter zu steigern. „Ich wollte unbedingt zur U20-WM nach Cali.“

Nach dem Trainingslager zur Vorbereitung auf den Sommer machte auch noch der Fuß große Probleme. Dennoch startete der Mittelstreckler Anfang Juni in Regensburg und kam nach 1:54,88 Minuten ins Ziel. Danach musste er eingestehen, dass sein Körper Ruhe brauchte. Die Schmerzen im Fuß stellten sich als Bruch des Mittelfußknochens heraus. Danach war erst einmal Geduld gefragt.

„Es hat lange gedauert, bis ich wieder mit dem Training anfangen konnte. Das hat mich viel Kraft und Motivation gekostet. So etwas wünsche ich niemandem.“ Um die Gefahr einer erneuten Verletzung zu verringern, hörte der Sindelfinger auf, bei Vereinsspielen im Fußball auf dem Platz zu stehen. „Das ist mir sehr schwer gefallen. Zum Spaß spiele ich heute immer noch bei meinen Freunden vom ASV Botnang mit.“

Keine Medaille bei Jugend-DM, aber Finale bei U20-EM

Die Rückkehr ins Lauftraining gelang, und das zweite U20-Jahr brachte endlich den Anschluss an die nationale Nachwuchs-Spitze und sogar eine bärenstarke Premiere auf internationaler Ebene. Schon in der Halle deutete Alexander Stepanov sein gesteigertes Potenzial mit seinem ersten Einzug ins Finale einer Jugend-DM in Dortmund und dem fünften Platz dort an. Im Sommer in Pfungstadt knackte er dann in 1:50,11 Minuten die Norm für die U20-EM in Jerusalem (Israel) und belegte bei der U23-DM in Göttingen den vierten Platz (1:50,82 min). Wieder ein deutlicher Leistungssprung.

Bei der Jugend-DM in Rostock lief es dann allerdings mit dem fünften Platz (1:53,34 min) nicht so gut. „Ich war nicht ganz fit, hatte wohl vorher Training überzogen und bin im Finale taktisch schlecht gelaufen“, erinnert sich der Aufsteiger, der dennoch für die U20-EM nominiert wurde.

Dort überraschte er im Vorlauf mit der Steigerung auf 1:48,32 Minuten und dem direkten Einzug ins Finale, den die beiden anderen DLV-Starter Malik Skupin-Alfa (LG Offenburg) und Elija Ziem (Königsteiner LV) verpassten. „Ich hatte mir nur vorgenommen, den Wettkampf zu genießen. Als ich dann im Vorlauf auf der Zielgeraden war, habe ich gemerkt, dass es fürs Finale reichen könnte, und ich hatte sogar noch Kraft für einen Endspurt.“ Im Finale bestätigte er als Sechster (1:49,03 min) sein neues Niveau. „Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen, weil ich endlich unter Beweis stellen konnte, dass ich etwas kann.“

DM-Coup trotz eingeschränkter Vorbereitung

Auf dieser Leistung konnten Alexander Stepanov und sein Vater und Trainer in der Vorbereitung auf die zurückliegende Hallensaison aufbauen. „Ich habe härter trainiert und zum Beispiel mehr Tempoläufe gemacht“, erzählt der Athlet. Beim Saisonauftakt in heimischer Halle rannte er im Alleingang zur neuen Hallen-Bestleistung von 1:48,97 Minuten und rief trotz der engen Kurven sein Niveau aus dem Sommer ab.

Eine Woche später folgte ein Dämpfer. Im 400-Meter-Rennen bei den baden-württembergischen Hallenmeisterschaften stürzte der Mittelstrecken-Spezialist kurz vor dem Ziel und brach sich das Handgelenk an, was das Training und die Vorbereitung auf die Hallen-DM behinderte. In Leipzig war der 20-Jährige dennoch auf den Punkt fit.

Nach einem Sieg im Vorlauf hatte er im Finale keine Schwierigkeiten, das Tempo mitzugehen, das Marvin Heinrich (Eintracht Frankfurt) an der Spitze anschlug. Zum Schluss konnte Alexander Stepanov eine sich auftuende Lücke nutzen und mit einem starken Spurt und in neuer Hallen-Bestzeit von 1:48,75 Minuten zu seinem ersten DM-Titel laufen. „Das war ein toller Moment, über den ich mich sehr gefreut habe, auf dem ich mich aber nicht ausruhen möchte“, erzählt der neue Deutsche Meister.

Erstmal Abitur, dann weitersehen

Sein nächstes Ziel ist kein sportliches. Alexander Stepanov steckt mitten in den Vorbereitungen auf die Abiturprüfungen. Deshalb hat er sich über die bevorstehende Sommersaison auf der Laufbahn bisher keine großen Gedanken gemacht, zumal auch keine U23-EM ansteht. „Die Schule erfolgreich abzuschließen ist mir sehr wichtig, denn ich werde ja nicht mein ganzes Leben lang Sport machen.“ Pläne für die Zeit nach der Schule sind ebenfalls noch nicht konkret, ein Studium ist möglich oder auch ein freiwilliges soziales Jahr. Offen ist auch noch, ob sich Wohn- und Trainingsort ändern.

Für seine sportliche Zukunft wünscht sich der Überraschungssieger von Leipzig weitere Erfolgsmomente, wie er sie bei der U20-EM oder der Hallen-DM erlebt hat. „Um das zu verwirklichen, ist es das Wichtigste, gesund zu bleiben“, sagt er. Auch die Bestzeit seines Vaters anzugreifen, reizt ihn natürlich.

Video-Interview: Alexander Stepanov: "Medaille war das Ziel, der Sieg ist ein Traum"
Video: Alexander Stepanov überrascht als Deutscher Hallenmeister

Das sagt Bundestrainer Georg Schmidt:

Alex hat im letzten Jahr einen Leistungssprung in die nationale U20-Spitze gemacht und ist bei der Jugend-Hallen-DM ins Finale gelaufen. Dort hat er sich als Fünfter unter Wert verkauft. Durch leichte Verletzungen und Krankheiten war seine Sommersaison nicht so beständig. In einigen Rennen hat er angedeutet, was er drauf hat. Richtig stark war Alex bei der U20-EM mit zwei tollen Rennen und der Steigerung seiner Bestzeit um zwei Sekunden.

Bei der Hallen-DM hat er im Finale taktisch die beste Leistung gezeigt, eine Lücke genutzt und einen starken Spurt hingelegt. Er hat eine starke Leistungsentwicklung gezeigt und sich auch körperlich deutlich weiterentwickelt. Mit seinem Vater als Trainer hat er von Anfang an eine Verbindung zum Leistungssport gehabt und das nötige Mindset mitbekommen. Er weiß, wofür er trainiert.

Als Nächstes steht für ihn erst einmal das Abitur an. Sportlich traue ich ihm eine deutliche Steigerung seiner Bestzeit zu. Es gilt auch, weitere Erfahrungen zu sammeln. Die EM-Norm mit 1:45,20 Minuten ist allerdings für dieses Jahr wohl noch ein Stück zu weit entfernt.

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