Sie ist der Shooting-Star der deutschen Hindernis-Garde: Olivia Gürth stieß 2023 in den Kreis der Weltbesten vor. Nun wurde sie als „Leichtathletin des Jahres“ ausgezeichnet. Im Interview ordnet sie ihre Saison und diese Auszeichnung ein und verrät, wo sie sich 2024 sieht.
Olivia Gürth, Sie sind Deutschlands „Leichtathletin des Jahres“ 2023 – haben Sie das selbst bereits realisiert?
Olivia Gürth:
Noch nicht so ganz, denn tatsächlich kam das Ganze ziemlich überraschend. Erst die Nachricht, es unter die Top Drei der Finalisten geschafft zu haben, und dann jetzt hier im Trainingslager mitgeteilt zu bekommen, dass ich es tatsächlich geschafft habe. Das gibt mir ein sehr gutes Gefühl und ist als Wertschätzung für meine Saison 2023 das i-Tüpfelchen.
Die Auszeichnung ging in den vergangenen Jahren stets an große Namen des Sports. Zuletzt vier Mal in Folge an Weitspringerin Malaika Mihambo, zuvor etwa an Gina Lückenkemper und Ihre Hindernis-Kollegin Gesa Krause. Mit all diesen Athletinnen stehen Sie nun in einer Reihe, das scheint eine große Zukunft für Sie zu versprechen, oder?
Olivia Gürth:
Ich kenne natürlich die Namen von den Sportlern, welche die Auszeichnung vor mir gewonnen haben. Das macht es für mich auch umso besonderer, dass ich mich jetzt ebenfalls in diese Liste einreihen darf. Hoffentlich kann ich in den nächsten Jahren an die Ergebnisse aus der Vorsaison anknüpfen und dorthin kommen, wo die Namen vor mir schon waren.
In Ihrer noch jungen sportlichen Vergangenheit lief es für Sie aber ja bereits ziemlich gut, speziell im letzten Jahr: Ein zweiter Platz bei den Deutschen Meisterschaften, Gold bei der U23-EM und dann auch noch Ihre erste WM-Teilnahme, die Sie mit neuer Bestzeit, einem 14. Platz und der Qualifikation für Olympia abgeschlossen haben. Wie haben Sie die vergangene Saison erlebt?
Olivia Gürth:
Das letzte Jahr war für mich rückblickend sehr, sehr ereignisreich. Denn es gab nicht nur einen Höhepunkt, sondern gleich mehrere. Am Anfang der Saison war lediglich die U23-EM als klares Ziel definiert. Und es bedeutet mir auch sehr viel, mich dort im Rennen durchgesetzt zu haben. Dann obendrauf das ganze Erlebnis Weltmeisterschaft, in einem großen Stadion, mit toller Atmosphäre – das war einfach eine Aneinanderreihung an Höhepunkten, die mir sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben werden.
Im Herbst 2022 haben Sie sich der Frankfurter Trainingsgrupe von Wolfgang Heinig angeschlossen. Was zeichnet die Zusammenarbeit aus?
Olivia Gürth:
Zum einen natürlich seine sehr große Erfahrung, die er durch die vielen Jahre und – als aktuelles Beispiel – die Zusammenarbeit mit Gesa Krause besitzt. Und sein Know-how etwa in Sachen Höhentraining. Das ist etwas, das ich vor dem Wechsel zu der Gruppe noch gar nicht gemacht hatte. Ansonsten ist es auch die Trainingsgruppe: Im vergangen Jahr habe ich hauptsächlich mit der slowenischen Hindernisläuferin Marusa Mismas trainiert, nun ist auch Gesa wieder voll eingestiegen. Wir Drei können davon profitieren, dass wir uns gegenseitig haben. Ich als junge Athletin kann mich zudem bei ihnen in die Programme reinhängen.
Seit Jahresbeginn stehen Sie beim Silvesterlauf Trier unter Vertrag, was waren die ausschlaggebenden Gründe für diesen Wechsel?
Olivia Gürth:
Mein alter Verein, der Diezer TSK Oranien, war ja auch ein rheinländischer Verein. Von daher bin ich schon öfter in Trier auf diversen Wettkämpfen von ihnen gestartet. Da war es dann naheliegend, in einem rheinländischen Verein bleiben zu wollen, um dem Landesverband treu zu bleiben. Deshalb war ich sehr froh, dass sich diese Möglichkeit auch für mich ergeben hat, so wie bei Gesa.
Aktuell sind Sie abermals im Trainingslager in Südafrika. Worauf liegt der Schwerpunkt in Potchefstroom, und wie fühlen Sie sich so kurz vor dem Beginn Ihrer ersten Hallen-Saison?
Olivia Gürth:
Wir sind hier im Trainingslager auf 1.400 Metern Höhe, also in mittlerer Höhe. Hier geht es hauptsächlich um schnellere Bahnprogramme, besonders in Vorbereitung auf meine Hallen-Premiere. Im November und Dezember waren wir in Kenia, da waren wir deutlich höher unterwegs. Und dort lag der Fokus auch noch mehr auf Grundlagentraining. Jetzt sind die Programme intensiver. Wenn ich meine Form mit Anfang letzten Jahres vergleiche, würde ich sagen, dass ich einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht habe.
Inwiefern hat sich der Mensch Olivia Gürth im vergangenen Jahr weiterentwickelt?
Olivia Gürth:
Ich habe einfach mehr Selbstvertrauen bekommen, und der Glaube an mich selbst ist stärker geworden. Das zeigt sich auch im Alltag. Ich bin vor Kurzem umgezogen und habe meine erste eigene Wohnung. Es sind also einige Schritte passiert in diesem Jahr, hin zum – ich will jetzt nicht sagen Erwachsenwerden – nächsten Lebensabschnitt.
In diesem Sommer stehen nun mit der EM und Olympia zwei große Highlights an. Mit welchen Zielen fahren Sie nach Rom beziehungsweise Paris?
Olivia Gürth:
Ich war in Budapest im Finale und habe erlebt, wie sich so was anfühlt. Das würde ich natürlich gerne wieder erleben. Was die EM betrifft, muss ich natürlich die ersten Wettkämpfe abwarten, aber mein Ziel ist es, je nach Wettkampfverlauf, eine Top-Fünf-Platzierung anzupeilen. Rom ist in diesem Jahr für mich sehr wichtig, da ich es bei meinem aktuellen Entwicklungsstand im europäischen Vergleich schon etwas einfacher habe als direkt bei einer Weltmeisterschaft. Und das Ziel für Paris ist, die Saison mit dem Olympia-Finale zu beenden.
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