Valencia hat sich in den vergangenen Jahren zur „Lauf-Hauptstadt“ Europas gemausert. In der spanischen Stadt wurden bereits Weltrekorde auf der Bahn und auf der Straße erzielt. Am Sonntag ist der Marathon bei den Männern so gut besetzt wie nie zuvor. Besonders gespannt sind die Fans auf das Debüt von 10.000-Meter-Weltrekordler Joshua Cheptegei. Auch fünf deutsche Asse sind dabei: Richard Ringer, Haftom Welday, Melat Kejeta (Foto), Rabea Schöneborn und Laura Hottenrott wollen sich in Valencia für den Olympia-Marathon in Paris empfehlen.
Mit dem Valencia-Marathon startet am Sonntag (3. Dezember) ein Rennen, das sich in den vergangenen Jahren mit außergewöhnlich schnellen Zeiten und überraschenden Durchbrüchen in die Gruppe der schnellsten Läufe der Welt über die 42,195 Kilometer geschoben hat. Vor einem Jahr überraschte dort ein Marathon-Debütant namens Kelvin Kiptum mit einem inoffiziellen Debüt-Weltrekord von 2:01:53 Stunden. Inzwischen hat der Kenianer seinen prominenten Landsmann Eliud Kipchoge sogar als Weltrekordler abgelöst.
Die Äthiopierin Amane Shankule gewann 2023 in Valencia in sensationellen 2:14:58 Stunden, der zum damaligen Zeitpunkt drittschnellsten je gelaufenen Zeit. Beide Titelverteidiger werden am Sonntag nicht am Start sein. Doch es könnten andere Athleten für außergewöhnliche Leistungen sorgen, die im Marathon bisher entweder noch gar nicht gestartet sind oder unter ihren Möglichkeiten blieben. Allen voran gilt dies für Joshua Cheptegei. Der 5.000- und 10.000-Meter-Weltrekordler wird in Valencia sein Debüt über die klassische Distanz laufen.
Deutsches Quintett will über Valencia nach Paris
Für viele Athleten geht es in Valencia um die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris im nächsten Sommer. Darunter sind auch eine Reihe von deutschen Athleten: Richard Ringer (LC Rehlingen), Haftom Welday (Hamburger Laufladen), Melat Kejeta (Laufteam Kassel), Rabea Schöneborn (SCC Berlin) und Laura Hottenrott (PSV Grün-Weiß Kassel) wollen im nächsten Sommer in Paris dabei sein.
Das Rennen der Männern hat eine unglaubliche Breite in der Spitze: Zehn Athleten gehen mit Bestzeiten von unter 2:05:00 Stunden an den Start, insgesamt gleich 37 Läufer sind bereits unter 2:10:00 Stunden gelaufen. So dicht ist das Feld in der Spitze, dass die Positionierung an den Verpflegungsstellen eine echte Herausforderung darstellt.
Der schnellste Läufer im Feld meldete kurzfristig noch für den Valencia-Marathon: Kenenisa Bekele geht mit einer Bestzeit von 2:01:41 Stunden ins Rennen. Allerdings ist der frühere äthiopische Superstar im Alter von 41 Jahren längst über den Zenit seiner Karriere hinaus. Es wäre eine große Überraschung, wenn er sich unter den schnellsten Läufern im Ziel platzieren könnte.
Bahn-Weltrekordler Joshua Cheptegei im Fokus
Unter den Athleten mit Marathon-Erfahrung gehören Gabriel Geay (Tansania; Bestzeit: 2:03:00 h), Alexander Mutiso (Kenia; 2:03:29), Getaneh Molla (Äthiopien; 2:03:34 h) und Sisay Lemma (Äthiopien; 2:03:36 h) zu den Topfavoriten. Doch Joshua Cheptegei ist der Läufer, der vor dem Start im Mittelpunkt steht. Der 5.000-Meter-Olympiasieger aus Uganda, der im vergangenen Sommer Weltmeister über 10.000 Meter wurde, hat die schnelle Strecke in Valencia für sein Marathon-Debüt ausgewählt. Wenn es Joshua Cheptegei gelingt, seine enorme Grundschnelligkeit - seinen 10.000-Meter-Weltrekord von 26:11,00 Minuten lief er 2020 in Valencia - auf den Marathon zu übertragen, kann er auf Anhieb für Furore sorgen.
Kibiwott Kandie hofft in Valencia auf einen Durchbruch im Marathon. In der spanischen Stadt hatte er 2020 mit 57:32 Minuten einen Halbmarathon-Weltrekord aufgestellt. Der Kenianer lief dann ein Jahr später seinen ersten Marathon in New York, kam aber auf der schweren Strecke nicht über 2:13:43 Stunden hinaus.
In dem außergewöhnlich starken Feld sortiert sich Richard Ringer in der nach Bestzeiten sortierten Startliste lediglich auf Rang 24 ein. Doch für den Europameister, der sich in Hamburg im April auf 2:08:08 Stunden verbesserte und damit die Olympianorm hauchdünn um zwei Sekunden unterboten hatte, geht es in Valencia vor allem um die Zeit und nicht um eine Platzierung.
Erneutes Duell zwischen Richard Ringer und Haftom Welday
Denn ob die 2:08:08 Stunden reichen würden, um im Rennen um die olympischen Startplätze unter den drei schnellsten Deutschen zu sein, ist nicht sicher. Zuletzt lief Richard Ringer bei der Halbmarathon-WM am 1. Oktober ein Rennen. Dabei konnte er mit Rang 38 in 62:47 Minuten nicht sein volles Potenzial zeigen. Allerdings stand natürlich die Vorbereitung auf den Marathon im Mittelpunkt.
Es kommt in Valencia auch zu einem neuen deutsch-deutschen Duell zwischen Richard Ringer und Haftom Welday. Zuletzt trafen die beiden in Hamburg aufeinander, wo Welday nach einem zu forschen Anfangstempo einbrach, sodass ihn Ringer überholte. Für den Hamburger geht es nach einem überzeugenden 15. Platz beim WM-Marathon in Budapest nun darum, die Olympia-Norm von 2:08:10 Stunden erstmals zu unterbieten - und das so deutlich wie möglich. Wer mit Norm in diesem Duell vorne ist, dürfte das Ticket nach Paris so gut wie sicher haben.
Noch ohne Norm steht auch Melat Kejeta da. Allerdings zeigte die Marathon-Olympia-Sechste von 2021 nach ihrer Babypause zuletzt stark verbesserte Form. Einem elften Platz beim WM-Marathon in Budpest folgte vor gut einem Monat ein sechster Platz beim Valencia-Halbmarathon mit guten 66:25 Minuten.
Schlägt Melat Kejeta Rekord-Tempo an?
Mit einer solchen Leistung könnte für Melat Kejeta sogar eine Marathon-Zeit von unter 2:20 Stunden möglich sein. Es ist durchaus denkbar, dass sie am Sonntag versuchen wird, den deutschen Rekord von Irina Mikitenko (2:19:19 h; 2008 in Berlin) zu brechen. Geht sie gesund an den Start, sollte die Olympia-Qualifikation nur eine Formsache für Melat Kejeta sein.
Nach langer Verletzungspause und einem abgebrochenen Berlin-Marathon will Rabea Schöneborn nun in Valencia einen neuen Anlauf in Richtung Olympia-Qualifikation unternehmen. Davon ausgehend, dass Melat Kejeta sich qualifizieren wird und die Berliner Zeit von Domenika Mayer (LG Telis Finanz Regensburg; 2:23:47 h) ausreichen könnte für Olympia, ginge es für Rabea Schöneborn darum, zumindest schneller zu laufen als Fabienne Königstein (MTG Mannheim) in Hamburg (2:25:48 h). Das will die Berlinerin offenbar versuchen.
Laura Hottenrotts zweiter Marathon in zehn Wochen
Fabienne Königstein stand zwischenzeitlich auf der Startliste in Valencia, jedoch fehlt ihr Name in der finalen Version. Sie hatte Ende Oktober verletzungsbedingt auf den Frankfurt-Marathon verzichten müssen. Nachdem sie in Berlin Ende September 2:29:38 gelaufen war, will auch Laura Hottenrott trotz des extrem kurzen Zeitabstandes noch einen Olympia-Qualifikationsversuch starten. Es wäre allerdings eine Überraschung, sollte sie den Sprung nach Paris schaffen.
Das Elitefeld der Frauen ist im Vergleich zu den Männern weniger spektakulär besetzt. Auf der finalen Startliste fehlt zudem jene Läuferin, die mit der schnellsten persönlichen Bestzeit ins Rennen gehen sollte: Die Äthiopierin Tsehay Gemechu (2:16:56 h) musste offenbar passen. Ihre Landsfrau Almaz Ayana, die 2016 bei Olympia in Rio das 10.000-Meter-Rennen mit einer Weltrekordzeit gewonnen hatte, führt nun die Liste mit 2:17:20 Stunden an.
Worknesh Degefa (Äthiopien; 2:17:41 h) ist ebenfalls schon unter 2:18:00 gelaufen. Zu beachten sein wird auch eine Debütantin: Bosena Mulatie (Äthiopien) erreichte im Halbmarathon bereits schnelle 65:46 Minuten.