Der Spitzensport diskutiert darüber, wie das Geld fair und richtig verteilt wird. Im Kern der Kritik steht das Potenzialanalysesystem.
Seit sechs Jahren bewertet die Potas-Kommission die Verbände und Perspektiven ihrer Athleten und Athletinnen in den olympischen Disziplinen. Seitdem wird dieses System kritisch beäugt, weil die Analyse mit über die Verteilung der Fördergelder entscheidet. Wie konnten Deutschlands Basketballer als Letzter im Potas-Ranking Weltmeister werden und die Leichtathleten mit den besten Noten zuletzt medaillenlos bei der WM bleiben? Die Diskussion gipfelt in der Frage: Braucht man Potas überhaupt noch?
"Dass es keine universelle Formel für sportlichen Erfolg gibt, sollten wir nach diesem Sommer endgültig verstanden haben", sagt Andreas Michelmann, Sprecher Teamsport Deutschland. Eine Bewertung müsse nach sportartgerechten Kriterien erfolgen, die Unterscheidung zwischen Mannschafts- und Individualsport sei nur eine von vielen Notwendigkeiten. Auch Ingo Weiss, Präsident des Deutschen Basketball-Bundes (DBB), hatte das System zuletzt kritisiert.
Dem widerspricht Potas-Chef Urs Granacher. "Was Herr Weiss macht, ist eine weit reduzierte Darstellung der Tatsachen", sagt der Leiter der Professur für Trainings- und Bewegungswissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. "Ich freue mich auch über den Erfolg. Doch es ist nicht zielführend, was er tut, weil er eben auch maßgeblich an dem System beteiligt war."
Sport ist nicht berechenbar
Die letzte Sportreform inklusive Potas-Systematik war 2016 von der DOSB-Mitgliederversammlung mit 98,6 Prozent Zustimmung angenommen worden. "Der Kern des Systems hat sich seitdem nicht verändert. Das ist also nicht auf dem Mist der Kommission entstanden, sondern die Spitzenverbände waren daran wesentlich beteiligt", betont Granacher.
Es werde im Spitzensport immer zu Ergebnissen kommen, die nicht unmittelbar erklärbar seien. Dabei verweist er auch auf die Fußball-Nationalmannschaft: 2014 wurde sie Weltmeister, 2018 und 2022 schied sie in der Vorrunde aus: "Wir werden nie ein optimales System finden. Ich glaube aber, dass Potas ein gutes System ist." Sportlicher Erfolg sei nicht mit einer Trefferquote von 100 Prozent voraussagbar. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) will an Potas festhalten. "Es ist etwas zu einfach, zu sagen, wir haben zwei schlechte Ergebnisse, und nun ist alles ad absurdum geführt", sagt DOSB-Leistungssportchef Olaf Tabor.
Idriss Gonschinska: "System muss differenzierter werden"
Potas soll im Zuge der Spitzensportreform in überarbeiteter Form in die neue Sportagentur integriert werden. "Das System muss differenzierter und sportartspezifischer werden und nicht mehr im Sinne einer Einheitsgrößen-Lösung angewandt werden", erklärt der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) Idriss Gonschinska. "Zielführend wäre es zudem, verstärkt auf den direkten Austausch mit den Verbänden zu setzen."
Auch ein rein auf Medaillen ausgerichteter Fokus sei in der Sportförderung sicher nicht das Heilmittel. "Es sollte neben den Medaillen auch aus gesellschaftspolitischer Sicht die Relevanz einer Sportart stärker reflektiert werden, was die Anzahl der Mitglieder anbetrifft und das Potenzial einer Sportart, die Menschen zu einem aktiveren Lebensstil zu motivieren", sagt Gonschinska. Grundsätzlich ist der Sport in Deutschland aus Sicht des DLV unterfinanziert, wenn man den internationalen Vergleich in Betracht zieht. Aktuell erhält der Spitzensport mehr als 300 Millionen Euro Fördergeld.
Mit Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa)