Auch in diesem Jahr hat Amadeus Gräber in Jerusalem Europas Zehnkampf-Thron erobert. Mit 8.209 Punkten lieferte er einen nahezu optimalen Zehnkampf ab und schob sich bereits in seinem ersten U20-Jahr auf Rang drei der ewigen U20-Weltbestenliste. In neun von zehn Disziplinen konnte er sich steigern.
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Tag 2
Amadeus Gräber macht da weiter, wo er aufgehört hat
Für Amadeus Gräber (SV Leonardo-da-Vinci Nauen) ging der Bestleistungsregen am zweiten Tag nahtlos weiter. Über 110 Meter Hürden legte er mit 14,12 Sekunden los, 15 Hundertstel schneller als je zuvor. Im Diskuswurf war, wie bereits tags zuvor im Weitsprung und Kugelstoßen, der dritte Versuch der stärkste: 44,68 Meter. In den beiden ersten Disziplinen des zweiten Tages blieb der Schweizer Andrin Huber dem U18-Europameister mit 14,14 Sekunden und 41,17 Metern noch auf den Fersen.
Doch als Amadeus Gräber im Stabhochsprung ohne Fehlversuch 5,10 Meter, eine neue Meisterschaftsbestleistung für U20-Europameisterschaften, überquerte und für Huber nur 4,30 Meter in die Ergebnisliste eingingen, war das Punkte-Plus des Brandenburgers auf 325 Zähler angewachsen. Amadeus Gräber steht vor den zwei letzten Disziplinen bei exakt 6.800 Punkten, mit ähnlichen Ergebnissen im Speerwurf und 1.500-Meter-Lauf wie in Bernhausen liegt ein Resultat im Bereich von 8.200 Punkten im Rahmen des Möglichen.
Friedrich Schulze mit dem Zehnkampf seines Lebens
Zwischen den DLV-Athleten und den Schweizer schob sich mit 6.595 Zählern noch der Österreicher Matthias Lasch, der sich im Stabhochsprung auf 4,90 Meter steigerte. Friedrich Schulze (Eintracht Frankfurt) lag als zweitbester deutscher Zehnkämpfer auf dem sechsten Rang (6.405 pt). Auch für ihn erschienen nach dem Hürdensprint (14,91 sec) und dem Diskuswurf (44,55 m) neue "PBs" auf der Anzeigetafel. Im Stabhochsprung stellte er mit 4,60 Metern seine Freiluft-PB ein, ebenso wie Emanuel Molleker (LG Filder), der sich über 4,40 Meter schwang.
Auch er hatte zuvor die 110-Meter-Hürden-Strecke mit 14,30 Sekunden schneller denn je zurückgelegt. Die Diskusscheibe schleuderte er auf 41,85 Meter, rund einen Meter weniger als in Bernhausen. Im Gesamt-Klassement rangierte er nach dem Stabhochsprung mit 6.190 Zählern auf Platz 16.
Amadeus Gräber legt überragende Punktzahl hin
Der Stabhochsprung hatte die Vorentscheidung gebracht, der Speerwurf verschaffte Amadeus Gräber noch einmal Genugtuung. Bereits im ersten Durchgang flog das Wurfgerät über die so lange angepeilte 60-Meter-Marke bis auf 60,15 Meter. Einzig der Österreicher Matthias Lasch (62,25 m) warf noch etwas weiter und legte seinerseits den Grundstein für eine Medaille. In Gruppe B beförderten Friedrich Schulze und Emanuel Molleker ihre Speere auf 53,50 Meter (Schulze) und 52,78 Meter (Molleker), für letzteren noch einmal eine Bestleistung.
Im abschließenden 1.500-Meter-Lauf war Spannung garantiert, denn Matthias Lasch musste noch den schnellen Läufer Andrin Huber aus der Schweiz im Fight um Silber beachten. Huber rannte um sein Leben und holte sich in 4:20,40 Minuten den klaren Laufsieg und mit 8.009 Punkten einen Schweizer U20-Rekord. Lasch rettete mit einer "PB" (4:34,60 min) Silber mit 8.052 Zählern. Und einige Plätze dahinter beendete Amadeus Gräber mit müden Beinen einen Zehnkampf für die Geschichtsbücher. 4:41,86 Minuten besiegelten eine Gesamtpunktzahl von 8.209 Zählern, die der Stadion-DJ mit dem Song "Rock me Amadeus" gebührend feierte.
Der neue Zehnkampf-Held ließ sich unterdessen von seinem Fanclub beglückwünschen. "Meine Mama ist dabei, mein Papa, mein kleiner Bruder, mein Trainer und die beiden Töchter von meinem Trainer. Die sind hier mitgeflogen, haben ein wenig Urlaub gemacht und zwei sehr nervenaufreibende Tage miterlebt."
Friedrich Schulze starker Fünfter
Der Champion klärte anschließend in der Mixed Zone alle Umstehenden auf, dass er sich damit nun auf Rang drei der ewigen U20-Weltbestenliste im Zehnkampf katapultiert hatte – hinter dem amtierenden Europameister Niklas Kaul (USC Mainz), der 2017 als bislang letzter Deutscher den U20-EM-Titel errungen hatte, mit U20-Weltrekord von 8.435 Punkten. Seine Bestpunktzahl erzielte er allerdings in seinem zweiten U20-Jahr, ebenso wie der Norweger Markus Rooth, jüngst zum U23-Europameister gekrönt, der im Jahr 2020 8.238 Zähler gesammelt hatte.
Wie bereits im vergangenen Jahr bei der U18-EM belegte Friedrich Schulze Rang fünf. Der Frankfurter, der nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Nils Kremling aus Regensburg erst vor drei Wochen ins deutsche Team nachgerutscht war, verbesserte sich nach 4:44,88 Minuten um mehr als 300 Punkte auf 7.696 Zähler. Emanuel Molleker belegte nach einem harten 1.500-Meter-Lauf (5:02,35 min) im Gesamt-Klassement Platz 15 (7.366 pt) bei seiner ersten großen Meisterschaft.
Die Zehnkämpfer genossen die zwei Tage mit der "Mehrkampf-Familie". "Man trifft sich hier zum ersten Mal und ist direkt befreundet. Wir gehen zusammen durch Höhen und Tiefen", sagte Friedrich Schulze, der sehr stolz auf die Entwicklung war, die er seit dem vergangenen Jahr durchlaufen hatte. Amadeus Gräber freute sich vor allem darüber, dass er Niklas Kaul im Fern-Vergleich des jeweils ersten U20-Jahres schlagen konnte. "Letztes Jahr in der U18 hat das noch nicht geklappt. Dieses Jahr aber schon. Und ich habe noch ein U20-Jahr vor mir, da kann ja noch was kommen."
STIMMEN ZUM WETTKAMPF
Amadeus Gräber (SV Leonardo-da-Vinci Nauen)
Ich habe mich dem perfekten Zehnkampf so nah angenähert, wie es möglich war. Unter den Bedingungen, in der Hitze. Das Polster, das ich mir im Stabhochsprung geholt habe, war auf jeden Fall auch noch mal ausschlaggebend dafür, dass ich lockerer an den letzten Lauf rangehen konnte und keinen Krampf im Kopf hatte. Es war ein harter Wettkampf. Dass man mir das nicht angemerkt hat, gehörte auch irgendwie zur Taktik: Keine Schwäche zeigen. Immer stark bleiben. Im Stabhochsprung haben mich die neuen Stäbe extrem weitergebracht. Ich hatte auch noch zwei andere dabei, die ich aus Leverkusen bekommen habe. Die habe ich dann aber gar nicht mehr genutzt, sondern mir die Kraft lieber für den Speerwurf aufgespart. Wenn ich jetzt wirklich erzähle, wann ich angefangen habe zu rechnen, kriege ich Ärger von Lars [Albert; Bundesnachwuchstrainer]: Nach der ersten Disziplin. Ich habe versprochen, das nicht zu machen, aber ich kann's nicht lassen. Die 1.500 Meter waren sehr hart. Zwei Runden vor Schluss hatte ich das Gefühl, meine Beine wollen nicht mehr. Ich wäre gerne unter 4:40 gelaufen für Platz zwei der Allzeit-Liste.
Friedrich Schulze (Eintracht Frankfurt)
Ich habe noch meine Schwächen, aber das war ein wirklich sehr guter Wettkampf! Es fing mit Weitsprung an, dieser krassen PB. Am zweiten Tag war mein Highlight, dass ich 44,50 Meter im Diskus geworfen habe. Das habe ich bislang nur im Training geschafft. Das jetzt auch im Wettkampf abzurufen, war schon toll. Mir ist beim Stabhochsprung ein Stab gebrochen, das hat erst mal richtig wehgetan. Im Versuch danach hatte ich Tränen in den Augen, weil es so wehgetan hat. Aber ich hab's durchgezogen! Und ich bin am Ende 4,60 Meter gesprungen. Ich bin richtig glücklich mit meiner Punktzahl. Schade ist nur, dass vier Punkte zu 7.700 fehlen. Die Leistung gibt mir viel Selbstvertrauen und viel Motivation, nächstes Jahr ist eine WM. Ich hoffe, ich bin fit.
Tag 1
Deutsches Trio erwischt starken Start
Vier 100-Meter-Läufe, drei DLV-Zehnkämpfer, dreimal das schnellste Rennen der Karriere: So gestaltete sich der Auftakt im Zehnkampf. Den Anfang machte Friedrich Schulze, erst nachträglich ins deutsche Mehrkampf-Team gerückt. Und der Frankfurter ballte nach seinem Rennen die Faust: 11,50 Sekunden leuchteten auf der Anzeigetafel auf! Seinen Hausrekord schraubte er um mehr als drei Zehntel nach unten.
Direkt danach zog Emanuel Molleker (LG Filder nach). In 11,16 Sekunden rannte auch er Bestzeit. Die schnellste Zeit ging im letzten Lauf auf das Konto des U18-Europameisters Amadeus Gräber (SV Leonardo-da-Vinci Nauen). Seine 10,69 Sekunden werden allerdings aufgrund von irregulärer Windunterstützung nicht in die Bestenlisten eingehen. Wertvolle Punkte brachten sie ihm jedoch allemal ein, bei seinem bislang besten Zehnkampf in Filderstadt-Bernhausen Ende Mai waren 10,86 Sekunden für ihn notiert worden. Schnellster Sprinter war der Spezialist Roko Farkas aus Kroatien (10,31 sec).
Im Weitsprung setzte das DLV-Trio seinen starken Kurs fort. Am stärksten präsentierte sich Friedrich Schulze, der seine Bestweite von 6,87 auf bärenstarke 7,40 Meter steigerte und damit die Disziplinwertung für sich entscheiden konnte. Auch Amadeus Gräber stieg jubelnd aus der Grube. Er verbesserte sich von Versuch zu Versuch, bis er im dritten Durchgang mit 7,16 Metern zum ersten Mal im Freien über sieben Meter flog. Emanuel Molleker hatte bei allen drei Sprüngen Windpech. Bei einem Meter pro Sekunde Gegenwind brachte er schließlich 7,14 Meter in der Grube – neun Zentimeter weniger als bei seiner Mehrkampf-Bestleistung in Bernhausen.
Zwei Disziplinsiege für Friedrich Schulze
Leider wollte ihm anschließend im Kugelstoßen kein guter Versuch gelingen. 12,26 Meter gingen in die Ergebnisliste ein. Besser machten es die Teamkollegen: Friedrich Schulze wuchtete sein Arbeitsgerät als Bester aus dem deutschen Trio auf 14,36 Meter. Amadeus Gräber machte es wie im Weitsprung und packte von Stoß zu Stoß ein paar Zentimeter drauf. Los ging’s mit 13,03 Metern, dann ließ er 13,28 Meter folgen und schließlich mit 13,35 Metern die nächste Zehnkampf-Bestmarke. In Bernhausen hatte er 13,13 Meter gestoßen.
Der Hochsprung ist die Paradedisziplin von Friedrich Schulze. Das wurde auch in Jerusalem deutlich. Mit übersprungenen 2,07 Metern holte er sich seinen zweiten Disziplinsieg und übernahm mit zwei Punkten Vorsprung auf den Kroaten Roko Farkas die Gesamtführung (3.281 pt). Amadeus Gräber wusste erneut mit einer Bestleistung zu überzeugen. 1,98 Meter überwand er direkt im ersten Anlauf, bevor er nach einem Fehlversuch bei 2,01 Metern auf weitere Versuche verzichtete. Diese Höhe überquerte auch Emanuel Molleker, eine Verbesserung seiner Saisonbestleistung um einen Zentimeter.
Über 400 Meter mussten sich die drei Athleten dann noch einmal richtig quälen. "Das brennt so sehr", stöhnte Emanuel Molleker in der Mixed Zone. In 51,61 Sekunden hatte er zum Tagesabschluss noch einmal eine "PB" auf die Bahn getrommelt. "Ich glaube, das war mein Highlight heute." In seinem Lauf rannte er damit auf Rang drei, zwei Plätze vor Friedrich Schulze, dem in 52,19 Sekunden ebenfalls nicht viel zur Saisonbestzeit (52,11 sec) fehlte.
Amadeus Gräber auf 8.000-Punkte-Kurs
Amadeus Gräber hatte das Pech, in seinem Lauf auf der Außenbahn starten zu müssen. Davon ließ sich der 18-Jährige jedoch nicht beirren. In 48,54 Sekunden stürmte er zur nächsten Bestzeit. Schnellster war mit bärenstarken 47,72 Sekunden der der Italiener Alessandro Carugati. 4.140 Zähler führen den U18-Europameister zur "Halbzeit" auf Rang zwei, einzig der Kroate Roko Farkas hat 34 Punkte mehr gesammelt. Der europäische Jahresbeste Sammy Ball (Großbritannien) ist bereits nicht mehr dabei, er beendete den Wettkampf nach dem Hochsprung.
Direkt hinter Amadeus Gräber lauert allerdings mit nur zwölf Punkten Abstand der starke Schweizer Andrin Huber, dessen Zehnkampf-Bestleistung nur um 18 Punkte schwächer ist als jene von Amadeus Gräber, der Ende Mai in Bernhausen 7.843 Zähler erzielt hat. Auf sein Zwischenresultat, das er dort nach fünf Disziplinen erzielt hatte, liegt er bereits jetzt mit satten 145 Punkten im Plus. Mit 3.997 Zählern nimmt Friedrich Schulze in der Gesamtwertung Platz acht ein. Er hat bereits 193 Zähler mehr auf dem Punktekonto als in Bernhausen. Als 16. hat Emanuel Molleker 3.821 Punkte gesammelt.
STIMMEN ZUM WETTKAMPF
Amadeus Gräber (SV Leonardo-da-Vinci Nauen)
Fünf PBs in fünf Disziplinen – besser hätte es nicht laufen können! Meine 100-Meter-Zeit hat mich schon ein bisschen überrascht. Ich wusste, dass ich unter 10,80 Sekunden laufen werde, aber dass gleich eine 69 rauskommt, hätte ich nicht gedacht. Aber es war auch wirklich günstig, mit Roko [Farkas] in einem Lauf zu sein. Ich habe mir vor dem Wettkampf einen Zettel geschrieben. Auf der einen Seite standen Anläufe, auf der anderen drei Dinge, an die ich denken muss. Im Weitsprung war es so, dass ich den ersten nur auf Sicherheit gemacht habe, den zweiten probiert habe, nach vorne zu ziehen. Dabei hatte ich zu viel Vorlage und bin zu früh runtergekommen. Im dritten habe ich dann genau das umgesetzt, was auf dem Zettel stand. Im Kugelstoßen war es das Gleiche in Grün. Im Hochsprung war es mir das Punkte-Kraftverlust-Verhältnis nicht wert, die beiden Versuche bei 2,01 Meter noch zu machen. Ich war mir sicher, dass es sich über 400 Meter auszahlen wird. Ich verstehe auch nicht, warum ich die Außenbahn bekommen habe. Zumal sich zwei Leute abgemeldet haben. Und da kommt man nicht auf die Idee, dass ich ein bisschen weiter nach innen gesetzt werden könnte.
Der Schweizer ist sehr stark unterwegs, das wird morgen ein harter Kampf. Ich denke, ausschlaggebend wird der Stabhochsprung sein. Ob ich da abrufen kann, was ich die letzten Male springen konnte, oder nicht, Und mich hat der Franzose [Maxime Moitie-Charnois] überrascht. Den hat man von den Vorleistungen her nicht auf dem Schirm, aber er hat eine starke Vorleistung im Hallen-Siebenkampf stehen mit über 6.000 Punkten. Der läuft sehr gut Hürde, mit dem Speer nehme ich ihm aber, wenn es gut läuft, 20 Meter ab.
Friedrich Schulze (Eintracht Frankfurt)
Das war der beste Tag, den ich je im Zehnkampf hatte! Ich habe zwei PBs aufgestellt, und die waren wirklich gut. Die 100 Meter zum Auftakt und dann im Weitsprung 40 Zentimeter! Das kam für mich relativ überraschend, im Training hatte sich das gar nicht so angedeutet. Die 400 Meter waren wirklich schlimm, meine Beine haben vorher schon sehr wehgetan. Jetzt werde ich mich ausruhen und dann bin ich morgen wieder fit. Dass ich ins EM-Team nachgerückt bin, kam sehr unerwartet. Morgen freue ich mich am meisten auf Diskus, Stab und Speer.
Emanuel Molleker (LG Filder)
Mit dem Tag bin ich ganz zufrieden, obwohl ich einen großen Ausrutscher beim Kugelstoßen hatte. Zweieinhalb Meter weniger als in Bernhausen. Das hat ganz viele Punkte gekostet. Dafür waren die Saisonbestleistung im Hochsprung und die persönliche Bestleistung über 100 Meter sehr gut! Im Weitsprung ein solides Ergebnis, die 400 jetzt auch Bestleistung. Echt guter Tag dafür, wie die Umstände hier sind. Beim Hochsprung hat man die Hitze schon sehr gespürt. Ich glaube, mein Highlight waren die 400 Meter. Als ich gerade hier ins Stadion kam, die Atmosphäre, wenn es dunkel wird und die Lichter leuchten, das ist schon etwas anderes. Morgen freue ich mich am meisten auf den Hürdensprint.
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