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Tristan Kaufhold: Lauf-Talent will ganz nach oben

Bei der Langstrecken-DM begeisterte Tristan Kaufhold mit einem außergewöhnlichen Spurtvermögen, das dem Nachwuchsathleten den schon verloren geglaubten Meistertitel über 5.000 Meter einbrachte. Der talentierte Läufer ist immer noch erst 16 Jahre alt. In diesem Sommer will er sein Umfeld noch weiter professionalisieren.
Uli Hörnemann

Tristan Kaufhold ist 16 Jahre jung und geht noch zur Schule. Er besucht das Franziskaner-Gymnasium in Großkrotzenburg, einer Gemeinde im Main-Kinzig-Kreis. Morgens wird gebüffelt und gepaukt, nachmittags warten die Hausaufgaben, abends wird trainiert. „Tristan ist ein großes Ausdauer-Talent“, sagt Sascha Arndt, sein Heimtrainer, und listet seine Stärken auf: „Ehrgeizig, fleißig und zielstrebig.“ Kaufhold weiß genau, wohin er will: nach ganz oben.

In seiner noch kurzen Karriere hat der talentierte Mittel- und Langstreckler mehrere nationale Titel gewonnen und drei U18-Bestleistungen auf der Straße über fünf und zehn Kilometer aufgestellt. Sein jüngster Coup: Rang eins bei den Deutschen Meisterschaften in Mittweida, wo er die 5.000 Meter der Altersklasse U20 nach einem starken Finish in 14:38,69 Minuten gewann. Mit gerade mal 34 Hundertstel Vorsprung auf den Berg-Spezialisten Lukas Ehrle (LG Brandenkopf), den er nach einer Aufholjagd auf der Schlussgeraden überholt hatte.

Mit neun auf Hanauer Marktplatz entdeckt

Es war am 21. Mai 2015, als das Lauftalent von Tristan Kaufhold zum ersten Mal auffiel. „Auf dem Marktplatz, mitten in der City, wurden die 16. Hanauer Meisterschaften ausgetragen“, erzählt Sascha Arndt und kramt die leicht verblichene Urkunde hervor, „Tristan wurde Erster über 1.000 Meter in 3:55,6 Minuten, obwohl er erst neun war.“ Als Preis gab es ein beitragsfreies Jahr beim SSC Hanau-Rodenbach, jenem Schulsportclub, den der 2022 verstorbene Pädagoge Harry A. Arndt anno 1975 gegründet und in dessen Satzung er geschrieben hatte, dass die Integration ausländischer Kinder und Jugendlicher ein verbindliches Ziel sei.

Carsten und Sascha, seine beiden Söhne, die früher selbst aktiv waren, führen das Erbe ihres Vaters fort. „Carsten war deutlich talentierter als ich“, gibt Sascha ehrlich zu, „mit ihm konnte ich nie mithalten.“ Sascha ist aktuell 1. Vorsitzender, Pressewart und erfolgreicher Trainer, der die 11.000 Einwohner zählende Gemeinde, die aus den Ortsteilen Niederrodenbach und Oberrodenbach besteht, mit seinen engagierten Klubkollegen und -kolleginnen zu einer Lauf-Hochburg ausgebaut hat. Carsten passt auf die Finanzen auf, er ist der Schatzmeister und Mama Sigrid die Geschäftsführerin.

Sascha Arndt kann es kaum fassen, dass sein Schützling in Mittweida über 5.000 Meter Gold erobert hat. „Vier Wochen vorher hatte er sich eine Knochenhautentzündung zugezogen“, nennt er die Verletzung beim Namen, „deshalb musste Tristan die Belastung drosseln. Tempoläufe hat er in diesem Zeitraum kaum gemacht, dafür alternative Einheiten.“ Das geschah in Absprache mit Benjamin Stalf, U20-Bundestrainer Mittelstrecke beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) und Cheftrainer Lauf beim Hessischen Leichtathletik-Verband (HLV).

Wechsel ins Sportinternat steht an

Am Stützpunkt in Frankfurt, Otto-Fleck-Schneise, hat Benjamin Stalf eine schlagkräftige Garde um sich geschart. Dazu zählen unter anderem Sven Wagner (Königsteiner LV) und Christoph Schrick (ASC Darmstadt), zwei 1.500-Meter-Spezialisten mit Meisterehren, sowie Jana Marie Becker (Königsteiner LV), U18-Vize-Europameisterin über 800 Meter – und bald auch Tristan Kaufhold. „Nach den Sommerferien werde ich in die Oberstufe aufrücken und zum Sportinternat Frankfurt wechseln“, kündigt er an, „ich bin allerdings noch unschlüssig, was nach dem Abi kommen wird.“

Vielleicht Polizei oder Bundeswehr, fügt Kaufhold hinzu, um den Hochleistungssport weiter betreiben zu können. „Oder ich studiere in den USA.“ Tristan Kaufhold bewegt sich jedoch im Hier und Jetzt. „Der 5.000-er in Mittweida war der härteste Lauf meines Lebens“, berichtet er, „der Sieg war mir wichtig, die Zeit war egal. Mir wäre ein Bummelrennen lieber gewesen.“

Kaufhold ahnte, dass Lukas Ehrle aufs Tempo drücken würde. „Zwei Wochen vorher wurde er bereits Baden-Württembergischer Landesmeister in 14:47 Minuten und anschließend auch noch Berglaufmeister. Da wusste ich: Lukas ist in Topform!“ So kam, was kommen musste: Ehrle eilte auf und davon, als wolle er seinen Widersachern gleich zu Beginn den Nerv ziehen. Kaufhold wollte sofort hinterher und die Lücke schließen. Arndt intervenierte gestenreich: „Bleib‘ cool“, rief er ihm zu, „nicht überziehen!“ Kaufhold hörte er auf den Rat und lief sein Tempo, was sich als richtig herausstellte.

Im Spurt zum deutschen Meistertitel

Das war auch ein Geknautsche! „Meine Güte“, stöhnt Tristan Kaufhold im Nachgang, „Lukas hat sofort Vollgas gegeben.“ Drum habe er Mühe gehabt, den Kontakt zu halten. „Zwischenzeitlich hatte ich alles abgeschrieben“, beschreibt Kaufhold seine Gefühlslage, „nach der Hälfte war ich schon kaputt.“

Dass er den mutigen Ausreißer noch eingeholt und auf der Zielgeraden überholt hat, konnte auch Sascha Arndt kaum fassen. „Das zeigt, welch unbändigen Willen er hat“, staunt der SSC-Coach über Ehrgeiz und Kampfgeist seines Schützlings, „Tristan hat nicht nachgelassen und wurde belohnt!“ Dabei sei er längst nicht mehr in der Verfassung gewesen wie bei seinem deutschen U18-Rekord beim 10-Kilometer-Straßenlauf im März in Leverkusen, wo ihm mit 30:03 Minuten ein vorzügliches Ergebnis gelungen war.

Nach seinem Wahnsinnsspurt im Stadion am Schwanenteich lag er minutenlang auf der Bahn. „Das Laktat war volle Kanne hochgeschossen“, erinnert sich Tristan Kaufhold an die schweren Beine, die in diesem Moment nicht sein einziges Problem waren: „Ich hatte Brechreiz, Schwindel und Übelkeit.“ Saft- und kraftlos war er, aber unendlich glücklich über den Titelgewinn. Ob es nun der achte ist, wie Sascha Arndt meint, oder nur der siebte, ist ihm im Grunde genommen wurscht. 

Deutschen U20-Rekord bereits anvisiert

Die Norm (14:27,50 min) für die U20-Europameisterschaften in Jerusalem (Israel) verfehlte er zwar. Aber: „Die hol‘ ich mir noch“, verspricht Tristan Kaufhold voller Optimismus. „Vielleicht pack‘ ich sogar den deutschen U20-Rekord über Meter.“ Der ist uralt, wird vom ehemaligen DDR-Athleten Hansjörg Kunze (SC Empor Rostock), 1988 Olympia-Dritter über 5.000 Meter, seit fast einem halben Jahrhundert gehalten. Am 8. August 1975 lief er 14:20,2 Minuten in Banská Bystrica (Slowakei). O-Ton Kaufhold: „Das ist ein Brett!"

Der talentierte Nachwuchsathlet ist Schritt für Schritt auf der Karriereleiter hochgeklettert. 2022 war seine bis dato stärkste Saison. Er wurde Deutscher Meister über 3.000 Meter, qualifizierte sich für die U18-EM, schnappte sich DM-Gold im 10-Kilometer-Straßenlauf und stellte nebenbei zwei nationale U18-Bestleistungen über 5 Kilometer (15:06 min) und 10 Kilometer (30:19 min) auf – und das alles mit 16 Jahren, wohlgemerkt!

Karl „Charly“ Eyerkaufer, Anfang der Sechziger einer der besten Mittelstreckler hierzulande, lobt die riesige Bandbreite, die Kaufhold auf der Bahn von 800 m aufwärts bis 3.000 Meter Hindernis und auf Asphalt vorweisen kann. „Das sind gute Zeiten“, so Eyerkaufer, der als Landrat a.D. im Main-Kinzig-Kreis seine sportliche Entwicklung aufmerksam verfolgt.

Großer Tatendrang

Aufgrund der Knochenhaut-Blessur absolviert Tristan Kaufhold aktuell nur ein Sparprogramm von 70 bis 80 Kilometern. Trainiert wird im Waldstadion in Rodenbach unter der Regie von Sascha Arndt, der das Talent bereits zu einem vielseitigen Läufer geformt hat. Den Weg von Großkrotzenburg, südlich von Hanau gelegen, bewältigt er mit dem Fahrrad.

Arndt hält auch noch zwei Anekdoten bereit: „2020, als wegen Corona die Sportstätten geschlossen waren, ist Tristan mal spontan 30 Kilometer am Stück gelaufen. Aus Spaß! In einem Schnitt von vier Minuten pro Kilometer, ohne dass ich ihm dazu geraten hatte.“ Arndt war baff: „Das zeigt, wie begabt der Junge ist.“ Ein anderes Mal wurde er bei einem Trainingslauf am Main von einem Kumpel per Rad begleitet. „Zwischendurch ist er die 1.500 Meter in 4:30 gerannt. Einfach so!“ Oft genug muss Arndt seinen Schützling in seinem Tatendrang bremsen.

Laufen, Fußball und Trompete

Außerdem weilt Kaufhold regelmäßig in Frankfurt, wo ihn Benjamin Stalf fördert und fordert. „Normalerweise nehme ich die Bahn nach Frankfurt“, erklärt er, „ein Weg dauert eine Stunde, mit dem Auto bloß eine halbe Stunde.“ Da Kaufhold noch keinen Führerschein hat, nimmt ihn bisweilen Vereinskameradin Constanze Paoli mit, eine U23-Hindernisläuferin, die ebenfalls dem Landeskader angehört.

Neben der Leichtathletik spielt das Lauf-Ass vom SSC Hanau-Rodenbach auch noch Fußball für den FC Germania Großkrotzenburg. „Wir sind Spitzenreiter in der 1. Kreisliga“, erzählt er stolz, „meine Position ist das zentrale Mittelfeld dank meiner Ausdauer-Qualitäten.“ Vier bis fünf Treffer hat er laut eigener Rechnung geschossen, also nicht so viele wie Randal Kolo Muani, das Sturm-Juwel vom Bundesligisten Eintracht Frankfurt, dem Kaufhold Woche für Woche als beinharter Fan die Daumen drückt.

Laufen, rennen, Tore schießen – bleibt da überhaupt noch ein wenig Freiraum für andere Hobbies? „Na klar“, antwortet Tristan Kaufhold ruck zuck, „ich spiele Trompete.“ Da braucht man viel Puste, und die hat er ja. In seiner Schule hat er einen festen Platz in der Big Band – und auf der Kunststoffbahn bläst er seinen Konkurrenten den Marsch.

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