Der Doppelsieg über 3.000 Meter zählte zu den deutschen Sternstunden bei der Hallen-EM am zurückliegenden Wochenende in Istanbul (Türkei). Im Interview berichtet die neue Hallen-Europameisterin Hanna Klein von ihrer Renntaktik, ihrem überraschenden Coup gegen Favoritin Konstanze Klosterhalfen und warum sie sowohl in Istanbul als auch zuhause das Teamgefühl besonders pusht.
Hanna Klein, Gold über 3.000 Meter – war das von Beginn an ein Rennen, wie Sie es sich im Vorfeld gewünscht hätten?
Hanna Klein:
Isabelle [Trainerin Isabelle Baumann] und ich haben heute Morgen darüber geredet und sind davon ausgegangen, dass es von Anfang an recht schnell wird. Jetzt war der erste Kilometer noch ein bisschen verschleppt, dann hat Koko die Führung übernommen. Wir haben uns gefragt: Wenn es wirklich schnell wird – gehe ich da mit? Ich weiß nicht, was bei Koko richtig, richtig schnell ist. Es hätte auch sein können, dass sie eine 2:46 angeht. Dann wäre das ordentlich schnell gewesen. Aber wir haben gesagt: Ich muss volles Risiko gehen. Ich muss mitlaufen, um mir die Chance zu bewahren, weit vorne zu landen. Dann kam der Moment, in dem hinter Konstanze und Yasemin Can eine kleine Lücke entstand. Die habe ich geschlossen und mir gesagt: Jetzt lauf da mit!
Die Türkin Yasemin Can musste bald abreißen lassen und ist dann sogar ausgestiegen. Sie waren weiter auf den Fersen von Konstanze Klosterhalfen. Wie haben Sie das Rennen ab diesem Moment erlebt?
Hanna Klein:
Ich war sehr konzentriert darauf, das hohe Tempo, das Konstanze hingelegt hat, mitzuhalten und dranzubleiben. Ähnlich wie bei der Cross-Europameisterschaft war ich von der Situation ein bisschen überwältigt. Ich habe gedacht: „Wie geil ist das denn, dass wir jetzt schon wieder so weit vorne landen?!“ Ich habe vom Stadionsprecher gehört, dass nur noch Melissa [Courtney-Bryant] hinter uns war. Ich hatte da schon so ein bisschen ein Teamgefühl, auch wenn wir gegeneinander gekämpft haben. Aber für mich hat die Situation super gepusht, das war schon toll.
Ab diesem Zeitpunkt war das Rennen ähnlich wie bei der Hallen-DM. Dort mussten Sie sich auf der letzten Runde noch Konstanze Klosterhalfen geschlagen geben. Was hat Sie zuversichtlich gemacht, dass Sie dieses Mal den besseren letzten Kick haben?
Hanna Klein:
Ich war ausgeruhter. Bei der DM war ich schon ein bisschen mürbe, weil ich am Mittwoch davor noch in Liévin gestartet bin. Das war im Nachhinein gut, aber es war natürlich Reisestress und etwas anderes, als wenn man schon hier vor Ort ist und die Wege kennt, hier schlafen kann. Ich habe mich über die Nacht gut regeneriert und konnte mich hier wieder pushen. Bei der DM hat es noch ein bisschen an Feuer gefehlt, hier kam das wieder. Und das hat mich auch hier über die Runden gebracht.
Nach dem Vorlauf wurde Ihnen die Frage gestellt, wie es wäre, mal Konstanze Klosterhalfen zu schlagen. Hat die besondere deutsche Konkurrenzsituation hier für Sie auch eine Rolle gespielt?
Hanna Klein:
Im Rennen gab es einen positiven Push. Ich wusste einfach, dass ich eine gute Form habe. Und die möchte ich auch zeigen. Es ist nur von Vorteil, wenn so eine Konkurrenzsituation im eigenen Land besteht, die gibt uns noch mehr Anreiz. Was für eine bessere Werbung haben wir für unsere Disziplin? Ich bin super happy, dass ich endlich zeigen konnte, was vielleicht auch schon in den letzten Jahren in mir gesteckt hat. Ich bin happy, dass Konstanze und ich das so gut durchgezogen haben – ich bin stolz auf uns beide.
Sie haben ja schon eine Hallen-EM-Medaille – Bronze über 1.500 Meter von der zurückliegenden Meisterschaft in Polen. Jetzt gab’s Gold über 3.000 Meter. Sinnbildlich für einen Trend in Ihrer künftigen Streckenwahl?
Hanna Klein:
Ich muss mich damit anfreunden. Letztes Jahr bin ich nur zweimal 5.000 Meter gelaufen, das war auch ein Grund, warum wir jetzt in der Halle auf die 3.000 Meter gesetzt haben. Ich habe auch draußen schon 15-Kilometer-Läufe gemacht. Das ist ein Learning, in diesen roten Bereich reinzugehen, das hat man über 1.500 Meter nicht in dieser Art und Weise. Natürlich ist es dann irgendwann das Ziel, dass es super 5.000 Meter gibt. Aber ich glaube trotzdem, dass ich noch sehr schnell auf den 1.500 Metern bin, das Potenzial möchte ich gerne ausschöpfen, und man sieht ja hier auch, dass es mir was bringt.
Im Training haben Sie ja mittlerweile mit Alina Reh auch eine Athletin an ihrer Seite, deren Stärke auf den längeren Strecken liegt. Können Sie sich da gegenseitig helfen?
Hanna Klein:
Auf jeden Fall! Mit Alina macht es super viel Spaß. Wir lachen so viel miteinander, und ich kann mit ihr über alles reden. Ich weiß, Alina läuft mir weg im Dauerlauf, und wenn wir einen Waldlauf machen, dann habe ich keine Chance. Auf der Bahn sieht es auf kürzeren Strecken anders aus. Das ist auch in Ordnung. Es macht einfach ganz viel Spaß zusammen, auch mit Eva Dieterich. Es ist eine super Situation, dass wir uns gegenseitig pushen und von den Stärken der anderen profitieren können. Nicht nur die Mädels, auch die Jungs – das genießen wir.
Und wer kriegt jetzt nach ihrem Gold-Rennen die erste Umarmung und den ersten Anruf?
Hanna Klein:
Die erste Umarmung: meine Trainerin Isabelle! Und dann werde ich erstmal meine Eltern anrufen.