Die Ataköy Arena im Westen Istanbuls bereitet im Jahr 2023 die Bühne für Europas beste Leichtathleten: Bei der Hallen-EM werden vom 2. bis zum 5. März in insgesamt 26 Wettbewerben die neuen Hallen-Europameister und -Europameisterinnen gesucht. Wir blicken voraus auf die Entscheidungen der Frauen, in denen auch 15 DLV-Athletinnen an den Start gehen.
60 METER
Eine Frage der Nerven
Hallen-Weltmeisterin Mujinga Kambundji gegen die EM-Titelträgerin von 2019 Ewa Swoboda und die bis auf 7,05 Sekunden verbesserte Daryll Neita. Schweiz gegen Polen gegen Großbritannien lautet der Dreikampf, der sich um Gold abzeichnet. Mit der Britin Dina Asher-Smith verzichtet eine Titelkandidatin auf die Meisterschaft. Wer behält im Finale die Nerven? Nach den Eindrücken der Saison hat Mujinga Kambundji die besten Voraussetzungen.
Als Vierte und Fünfte standen Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar) und Alexandra Burghardt (LG Gendorf Wacker Burghausen) schon 2017 in einem Hallen-EM-Finale. Sechs Jahre später können sie das wieder schaffen und damit eine Hallensaison abschließen, auf der sie aufbauen wollen.
Jahresbeste: Mujinga Kambundji (Schweiz; 7,03 sec); Dina Asher-Smith (Großbritannien; 7,03 sec)
Titelverteidigerin: Ajla del Ponte (Schweiz; 7,03 sec)
DLV-Starterinnen: Alexandra Burghardt (LG Gendorf Wacker Burghausen; 7,22 sec), Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar; 7,22 sec)
400 METER
Superlativ Femke Bol
Auf Weltebene hat Femke Bol fast ein bisschen Pech, dass mit der US-Amerikanerin Sydney McLaughlin-Levrone eine Athletin die Grenzen über 400 Meter Hürden noch weiter verschiebt als die Niederländerin. In Europa ist die 23-Jährige aber unangefochten und mit ihrem Weltrekord über die zwei Hallenrunden hat die Titelverteidigerin auch global neue Maßstäbe gesetzt. Wie nah kann sie ihren 49,26 Sekunden in einem Meisterschaftsrennen noch einmal kommen?
Mit Lieke Klaver könnte eine weitere Niederländerin aufs Podest stürmen. Wie schon vor zwei Jahren Anspruch auf Bronze, meldet die Polin Anna Kiełbasińska an. Auch die Tschechin Lada Vondrova und die Irin Sharlene Mawdsley sind in der laufenden Saison schon unter 52 Sekunden geblieben.
Jahresbeste: Femke Bol (Niederlande; 49,26 sec WR)
Titelverteidigerin: Femke Bol (Niederlande; 50,63 sec)
DLV-Starterinnen: keine
800 METER
Gegen die Uhr
Ihren eigenen britischen Rekord hat Keely Hodgkinson (Großbritannien) in diesem Winter schon erfolgreich gejagt und auf 1:57,18 Minuten gesteigert. In ihren drei bisherigen Rennen des Winters blieb die Titelverteidigerin immer unter 1:58,00 Minuten. In diesem Bereich kann ihr in Europa im Moment niemand folgen. Die Olympia-Zweite kann ihr eigenes Rennen von vorn laufen, um die Konkurrenz frühzeitig abzuschütteln.
Hoffnung auf Silber kann sich die Slowenin Anita Horvat machen, genauso die erst 18-Jährige Audrey Werro aus der Schweiz, die sich in diesem Winter schon auf 2:00,57 Minuten verbessert hat. Majtie Kolberg (LG Kreis Ahrweiler) möchte international weiter Anschluss gewinnen und sich gegen möglichst viele Konkurrentinnen durchsetzen.
Jahresbeste: Keely Hodgkinson (Großbritannien; 1:57,18 min)
Titelverteidigerin: Keely Hodgkinson (Großbritannien; 2:03,88 min)
DLV-Starterinnen: Majtie Kolberg (LG Kreis Ahrweiler; 2:02,09 min)
1.500 METER
Laura Muir greift nach fünftem Titel
Wie über 800 Meter kommt auch über 1.500 Meter die große Favoritin aus Großbritannien. Laura Muir ist ihren überragenden Bestzeiten in diesem Winter zwar noch nicht ganz nahe gekommen. Ihren Gegnerinnen ist die 29-Jährige dennoch ein Stück voraus. Und alles spricht dafür, dass ein fünfter Hallen-EM-Titel zur Medaillen-Sammlung dazukommt.
Mit Katie Snowden und Ellie Baker kommen zwei der stärksten Gegnerinnen aus dem eigenen britischen Team. Sogar ein Sweep erscheint nicht ausgeschlossen. Verhindern könnten das die Polin Sofia Ennaoui, die Spanierin Esther Guerrero oder die Italienerin Sintayehu Vissa.
Jahresbeste: Laura Muir (Großbritannien; 4:03,07 min)
Titelverteidigerin: Ellse Vanderelst (Belgien; 4:18,44 min)
DLV-Starterinnen: keine
3.000 METER
Zwei DLV-Athletinnen führen Meldeliste an
Gleich zweimal in diesem Winter sind Konstanze Klosterhalfen (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Hannah Klein (LAV Stadtwerke Tübingen) jeweils schon deutlich unter 8:40 Minuten gelaufen. Damit führen sie die Meldeliste an und können selbstbewusst in die zwei Runden gehen. Beide haben auch schon Erfahrungen mit Medaillen bei Hallen-Europameisterschaften. Konstanze Klosterhalfen hat 2017 Silber über 1.500 Meter und 2019 Silber über 3.000 Meter gewonnen, dazu kam im vergangenen Sommer EM-Gold über 5.000 Meter im Freien. Hanna Klein holte sich bei der Hallen-EM vor zwei Jahren Bronze über 1.500 Meter.
Die stärkste Konkurrentin dürfte wieder einmal Yasemin Can heißen. Die für die Türkei startende 10.000-Meter-Europameisterin von München hat in diesem Winter allerdings noch kein Hallenrennen absolviert. Ihr Leistungsvermögen ist im Vorfeld also schwer einzuschätzen. Zu beachten sein werden auch die Britin Melissa Courtney-Bryant und die Italienerin Nadia Battocletti.
Jahresbeste: Konstanze Klosterhalfen (8:34,89 min)
Titelverteidigerin: Amy-Eloise Markovc (Großbritannien; 8:46,43 min)
DLV-Starterinnen: Konstanze Klosterhalfen (8:34,89 min), Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen; 8:36,42 min)
60 METER HÜRDEN
Pfeilschnelles Quartett
Das Niveau im Hürdensprint der Frauen in Europa ist in diesem Winter außergewöhnlich hoch. In Istanbul gehen vier Athletinnen an den Start, die in diesem Winter schon 7,85 Sekunden oder schneller gelaufen sind. Und dabei musste die Jahresschnellste, Freiluft-Europameisterin Pia Skrzyszowska aus Polen, ihre Hallensaison schon vorzeitig beenden. Im EM-Feld mit den meisten pfeilschnellen Zeiten überzeugt und überrascht hat Reetta Hurske. Die Finnin gewann auch in Landesrekord von 7,79 Sekunden die EM-Generalprobe in Madrid (Spanien) vor der Französin Cyrena Samba-Mayela und Titelverteidigerin Nadine Visser aus den Niederlanden. Das Quartett der Gold-Kandidatinnen komplettiert die Schweizerin Ditaji Kambundji.
Monika Zapalska (TV Wattenscheid 01) hat sich mit ihrer Steigerung auf 8,10 Sekunden und ihrem ersten deutschen Meistertitel bei der Hallen-DM selbst belohnt. Bei der Hallen-WM im vergangenen Jahr bewies die 28-Jährige schon, dass sie auch bei einer internationalen Meisterschaft in den Bereich ihrer Bestzeit laufen kann.
Jahresbeste: Pia Skrzyszowska (Polen; 7,78 sec)
Titelverteidigerin: Nadine Visser (Niederlande; 7,77 sec)
DLV-Starterin: Monika Zapalska (TV Wattenscheid 01; 8,10 sec)
HOCHSPRUNG
Ukrainische Überfliegerin
Erst 21 Jahre alt und schon Titelverteidigerin. Yaroslava Mahuchikh ist auch in diesem Winter wieder in Zwei-Meter-Form und ungeschlagen. Gold ist ihr kaum zu nehmen. Ein spannender Kampf deutet sich um die weiteren Podiumsplätze an. Mit 1,99 Meter als zweitbester Vorleistung tritt die Britin Morgan Lake an. Die 25-jährige frühere Mehrkämpferin konnte nach durchwachsenen Jahren endlich wieder eine Bestleistung aufstellen. Die Bestätigung dieses neuen Niveaus steht allerdings noch aus. Ähnliches gilt für Christina Honsel (TV Wattenscheid 01), die sich in Weinheim bis auf 1,98 Meter steigern konnte. Damit zeigte die 25-Jährige, was in ihr steckt, wenn sie verletzungsfrei angreifen kann.
Die erst 19-jährige Britt Weerman aus den Niederlanden hat ihren Landesrekord von 1,96 Metern in diesem Winter schon zweimal überquert. Und auch die weiteren Ukrainerinnen Yuliya Levchenko und Kateryna Tabashnyk wollen in den Medaillen-Kampf eingreifen.
Jahresbeste: Yaroslava Mahuchikh (Ukraine; 2,02 m)
Titelverteidigerin: Yaroslava Mahuchikh (Ukraine; 2,00 m)
DLV-Starterinnen: Christina Honsel (TV Wattenscheid 01; 1,98 m)
STABHOCHSPRUNG
Sechster Anlauf mit besten Chancen
Konstant hat Tina Sutej in den vergangenen Wochen Höhen von 4,70 Metern und mehr überwunden. Mit 34 Jahren ist die Slowenin in der Form ihres Lebens. Bei ihrer sechsten Teilnahme an Hallen-Europameisterschaften könnte es ganz nach oben gehen, nach Silber vor zwei Jahren. Etwas dagegen hat die finnische Freiluft-Europameisterin Wilma Murto, deren Leistungskurve nach ihrem Landesrekord zum Jahresauftakt von 4,75 Meter aber nach unten zeigte.
Immer noch für eine Medaille gut ist die Olympiasiegerin von 2016 Ekaterini Stefanidi aus Griechenland, die aber nicht mehr ganz das Niveau ihrer besten Jahre hat. Anjuli Knäsche (LG Leinfelden-Echterdingen) ist mit ihrer Saisonbestmarke von 4,50 Metern mitten drin im Kampf um den Finaleinzig.
Jahresbeste: Tina Šutej (Slowenien; 4,82 m)
Titelverteidigerin: Angelica Moser (Schweiz; 4,75 m)
DLV-Starterin: Anjuli Knäsche (LG Leinfelden-Echterdingen; 4,50 m)
WEITSPRUNG
Hallen-Gold fehlt noch
Im Freien hat Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) schon sämtliche Titel abgeräumt, in der Halle stand die Olympiasiegerin und zweimalige Weltmeisterin aber noch nie ganz oben bei einer internationalen Meisterschaft. Die stärkste Konkurrenz kommt aus Serbien, neben Freiluft-Europameisterin Ivana Vuleta auch von Milica Gardašević, die mit der besten Saisonweite von 6,90 Metern anreist. Beim ISTAF Indoor konnte die DLV-Athletin diese beiden Athletinnen besiegen, genauso wie Jazmin Sawyers (Großbritannien) und Larissa Iapichino (Italien). Diese bringen ebenfalls Potential fürs Podest mit.
Für die beiden weiteren deutschen Starterinnen Mikaelle Assani (SCL Heel Baden-Baden) und Maryse Luzolo (Königsteiner LV) gilt es, in der Qualifikation einen Versuch zu treffen. Dann ist das Finale möglich.
Jahresbeste: Milisa Gardasevic (Serbien; 6,90 m)
Titelverteidigerin: Maryna Bekh-Romanchuk (Ukraine; 6,92 m)
DLV-Starterinnen: Mikaelle Assani (SC Heel Baden-Baden; 6,70 m); Maryse Luzolo (Königsteiner LV; 6,62 m), Malaika Mihambo (LG Kurpfalz; 6,83 m)
DREISPRUNG
Titelverteidigerin hat wieder Gold im Visier
Das komplette Podium der Freiluft-EM angeführt von der Ukrainerin Maryna Bekh-Romanchuk ist in Istanbul nicht am Start, ebenso fehlt die Viertplatzierte von München Neele Eckhardt-Noack (LG Göttingen). Die erfahrene Patricia Mamona aus Portugal hat damit freie Bahn für eine erfolgreiche Titelverteidigung. Mit ihrer Saisonbestleistung von 14,41 Metern führt die 34-Jährige die Meldeliste an. Die Italienerinnen Dariya Derkach und Ottavia Cestonaro springen mit ums Podest.
Mit Weiten über 14 Meter aus diesem Winter reisen nur insgesamt sechs Athletinnen an. Eine davon ist Kira Wittmann (LG Göttingen), dank ihres ersten 14-Meter-Sprungs der Karriere bei der Hallen-DM. Gelingt ein Sprung in diesen Bereich, ist für die 22-Jährige bei ihrer ersten großen Meisterschaft in der Frauenklasse das Finale der besten Acht drin.
Jahresbeste: Maryna Bekh-Romanchuk (Ukraine; 14,41 m)
Titelverteidigerin: Patricia Mamona (Portugal; 14,53 m)
DLV-Starterinnen: Kira Wittmann (LG Göttingen; 14,08 m)
KUGELSTOSSEN
Gambetta möchte Favoritinnen nahe kommen
Die ganz großen Weiten haben die 20-Meter-Stoßerinnen Jessica Schilder und Auriol Dongmo in diesem Winter noch nicht erzielt. Aber die Freiluft-Europameisterin aus den Niederlanden und die für Portugal startberechtigte Titelverteidigerin haben schon bewiesen, dass sie sich steigern können, wenn es drauf ankommt. Ein Zweikampf der beiden um Gold ist wahrscheinlich. Die Jahresbeste Jorinde van Klinken aus den Niederlanden fehlt in Istanbul.
Erste Anwärterin auf Bronze ist die Schwedin Fanny Roos, die in diesem Winter auch schon die 19 Meter übertroffen hat. Das ist auch das Ziel von Sara Gambetta (SV Halle), die in der laufenden Saison noch auf einen Ausrutscher nach oben wartet. Wenn alles zusammenpasst, ist ein Platz auf dem Podest drin. Katharina Maisch (LV 90 Erzgebirge) hat sich nach einer Bauchmuskelverletzung erst bei der Hallen-DM zurückgemeldet, bei Julia Ritter (TV Wattenscheid 01) ist der Knoten noch nicht richtig geplatzt in diesem Winter. Das Finale ist das Ziel.
Jahresbeste: Jorinde van Klinken (Niederlande; 19,57 m)
Titelverteidigerin: Auriol Dongmo (Portugal; 19,34 m)
DLV-Starterinnen: Sara Gambetta (SV Halle; 18,57 m), Katharina Maisch (LV 90 Erzgebirge; 17,88 m), Julia Ritter (TV Wattenscheid 01; 17,95 m)
FÜNFKAMPF
Seriensiegerin testet Form nach Trainerwechsel
Acht internationale Titel hat Nafissatou Thiam schon gewonnen, jeweils zweimal Olympia-Gold, WM-Gold und EM-Gold im Freien, außerdem zwei Hallen-EM-Titel. Seit Herbst setzt die 28-Jährige nach einem Trainerwechsel zu Michael van der Plaetsen neue Impulse, zuletzt in einem Trainingslager in Südafrika. Die Seriensiegerin hatte ursprünglich ohne Hallensaison geplant, möchte jetzt aber doch wissen, wo sie steht. Auf sie warten vor allem zwei Herausforderinnen.
Die Polin Adrianna Sulek hat in diesem Winter mit 4.860 Punkten schon ihren eigenen Landesrekord verbessert und im vergangenen Jahr bei Freiluft-EM und Hallen-WM Silber geholt. Die 23-Jährige möchte nicht nur endlich Gold, sondern hält auch den Hallen-Weltrekord von 5.013 Punkten für machbar. Diese Marke hatte die Ukrainerin Nataliya Dobrynska 2012 aufgestellt, als in Istanbul Hallen-Weltmeisterschaften ausgetragen worden waren. Noor Vidts hat bei ihrem Triumph bei der vergangenen Hallen-WM mit 4.920 Punkten den belgischen Landesrekord von Nafissatou Thiam (4.904 Punkte) überboten. Ihre Vorbereitung wurde allerdings krankheitsbedingt gestört. In den Kampf um Edelmetall eingreifen könnte auch die erst 19-jährige Saga Vanninen aus Finnland.
Jahresbeste: Adrianna Sulek (Polen; 4.860 pt)
Titelverteidigerin: Nafissatou Thiam (Belgien; 4.904 pt)
DLV-Starterinnen: keine
4x400 METER
Dreikampf
Wie schon im vergangenen Sommer im Freien dürften die Staffeln aus den Niederlanden, Polen und Großbritannien den Titel unter sich ausmachen. In dieser Reihenfolge sind sie in München ins Ziel gekommen. Die Niederländerinnen haben mit Femke Bol und Lieke Klaver zwei ganz heiße Anwärterinnen auf Edelmetall im Einzelrennen in ihren Reihen. Polen und Großbritannien sind in der Breite stark aufgestellt. Beste Voraussetzungen für ein schnelles und spannendes Rennen, das die Staffeln aus der Tschechischen Republik, Irland und Italien komplettieren.
Jahresbeste: Großbritannien (3:30,38 min)
Titelverteidigerin: Niederlande (3:27,15 min)
DLV-Starterinnen: keine