Es war ein intensives Jahr für die Leichtathletik. Weltmeisterschaften in den USA. Europameisterschaften im eigenen Land. Und auch der Nachwuchs war international gefordert. Was bleibt in Erinnerung? Wir werfen einen Blick zurück auf dieses besondere Jahr 2022. Heute: Kugelstoß der Frauen.
Das ist passiert in 2022
Das Jahr 2022 war noch ganz jung, als eine Athletin für die wohl größte Überraschung in dieser Disziplin, auch über das ganze Jahr hinweg gesehen, sorgte: Christina Schwanitz, Deutschlands Vorzeige-Kugelstoßerin der vergangenen Jahre, geschätzt und geliebt für ihre Leistungen und auch ihre Persönlichkeit, verkündete bei der Deutschen Hallen-DM in Leipzig ihr überraschendes Karriereende. Mit Tränen in den Augen sagte die 36-Jährige, die in ihrer sportlichen Karriere elf internationale Medaillen bei den Aktiven gewinnen konnte und gerade auch für die Mütter im Leistungssport ihre Stimme erhoben hatte, ihrer Herzenssportart "Auf Wiedersehen" – und auf den Zuschauerrängen wurde mit geweint.
Ihr Rücktritt schmerzt bis heute, denn auch wenn das deutsche Kugelstoßen auch nach Christina Schwanitz großartige Athletinnen hat und weiterhin hervorbringt - an die Leistungen der Grande Dame aus dem Erzgebirge konnten sie bislang nicht anknüpfen. So war auch die Deutsche Hallen- und Freiluftmeisterin Sara Gambetta (SV Halle) unzufrieden mit ihrem Jahr 2022: "Es ist nicht so gelaufen, wie ich es mir erhofft hatte", sagte die 29-Jährige. In der Halle konnte sie ihre Bestleistung noch auf 19,05 Meter steigern. Eine Leistung, die Mut machte für den Sommer, sollte da doch auch endlich die 19-Meter-Marke fallen, am besten bei der EM im eigenen Land und dort in Edelmetall umgemünzt werden.
Doch im Sommer lief es nicht nach Wunsch für Sara Gambetta. Mit 18,88 Metern stellte sie zwar ihre bisherige Bestleistung ein, aber weiter sollte die Kugel nicht fliegen. Die WM verpasste sie aufgrund einer Corona-Infektion. Bei der EM stimmte zwar die Kraft, aber der Glaube in die eigenen Fähigkeiten – er war verflogen. Platz fünf. Der Traum von der Medaille war zerplatzt.
Die Konsequenz gab sie nun vor wenigen Tagen bekannt. Ab sofort trainiert sie nun unter Bundestrainer Sven Lang, dem Mann, der schon Christina Schwanitz zu einer Weltklasse-Athletin formte und neben Kugelstoß-Technik ihr auch den Glauben in ihr eigenen Vermögen zurückgeben soll. Die Zuversicht kehrt zurück und das Jahr 2022 wird trotz der verpassten Medaille in schönster Erinnerung bleiben, ist es doch das Jahr ihrer Hochzeit: Sara Gambetta gab ihrer langjährigen Lebenspartnerin Josephine Terlecki das Ja-Wort.
Grund zum Strahlen hatte in München die Wattenscheiderin Julia Ritter. Direkt im ersten Versuch in ihrem ersten großen Finale wuchtete die 24-Jährige die Kugel auf 18,29 Meter - Platz sechs. Weniger zufrieden war Katharina Maisch (LV 90 Erzgebirge), die sich ähnlich wie Gambetta mehr erhofft hatte. In der Qualifikation hatte sie noch mit 18,65 Metern die drittbeste Weite erzielt, im Finale musste sie zittern und kam nicht über den achten Platz hinaus.
Großes Potenzial steckt auch in den heranwachsenden Kugelstoßerinnen, von denen einige in diesem Sommer auch erstmals internationale Wettkampfluft atmen durften. Bei der U20-WM landete die Potsdamerin Jaqueline Gippner auf Platz neun. Bei der U18-EM jubelte Chantal Rimke (LC Jena) über Silber und überraschte sich damit selbst. Auf Platz fünf landete in Jerusalem trotz Schmerzen im Ellbogen Jolina Lange (LV 90 Erzgebirge).
Internationale Erfolge
Medaille | Finalplatzierung | |
---|---|---|
Hallen-WM | – | 9. Platz Sara Gambetta; 11. Platz Katharina Maisch |
WM | – | – |
EM | – | 5. Platz Sara Gambetta; 6. Platz Julia Ritter; 8. Platz Katharina Maisch |
U20-WM | – | 9. Platz Jaqueline Gippner |
U18-EM | Silber Chantal Rimke | 5. Platz Jolinda Lange |
EYOF | – | 7. Platz Finja Dziobek |
Unser "Ass des Jahres"
Sara Gambetta (SV Halle)
Deutsche Meisterin Halle und Freiluft
5. Platz Europameisterschaften München
Unser "Talent des Jahres"
Chantal Rimke (LC Jena)
Silber U18-EM
Zweiter Platz U18-DM
Die deutschen Top Ten 2022
Weite | Name | Jahrgang | Verein |
---|---|---|---|
18,88 m | Sara Gambetta | 1993 | SV Halle 1993 |
18,80 m | Katharina Maisch | 1997 | LV 90 Erzgebirge |
18,60 m | Julia Ritter | 1998 | TV Wattenscheid 01 |
18,14 m | Yemisi Ogunleye | 1998 | MTG Mannheim |
17,63 m | Lea Riedel | 1999 | VfL Sindelfingen |
17,59 m | Sina Prüfer | 2002 | SC Neubrandenburg |
17,30 m | Annina Brandenburg | 1998 | TV Wattenscheid 01 |
17,01 m | Nina Ndubuisi | 2004 | SG Schorndorf 1846 |
16,42 m | Jule Steuer | 2000 | Sportclub Magdeburg |
16,17 m | Selina Dantzler | 2000 | LG Stadtwerke München |
Statistik – Das sagen die Zahlen
Das deutsche Top-Niveau: Kugelstoßen Frauen
Jahr | >18,00 m | Top 3 | Top 5 | Top 10 |
---|---|---|---|---|
2005 | 4 | 19,68 | 19,16 | 18,03 |
2006 | 2 | 18,80 | 18,25 | 17,26 |
2007 | 3 | 19,30 | 18,50 | 17,57 |
2008 | 5 | 19,42 | 19,06 | 17,57 |
2009 | 4 | 19,58 | 18,93 | 17,61 |
2010 | 4 | 19,28 | 18,82 | 17,63 |
2011 | 3 | 18,92 | 18,35 | 17,21 |
2012 | 4 | 19,20 | 18,67 | 17,58 |
2013 | 3 | 19,18 | 18,50 | 17,43 |
2014 | 1 | 18,60 | 18,04 | 17,02 |
2015 | 2 | 18,73 | 18,15 | 17,43 |
2016 | 2 | 18,71 | 18,32 | 17,67 |
2017 | 1 | 17,90 | 17,71 | 17,14 |
2018 | 3 | 18,90 | 17,94 | 17,59 |
2019 | 3 | 18,65 | 18,30 | 17,45 |
2020 | 1 | 17,82 | 17,36 | 16,30 |
2021 | 6 | 18,73 | 18,61 | 17,92 |
2022 | 4 | 18,76 | 18,41 | 17,65 |
Entwicklung der internationalen Jahresbestleistungen
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
---|---|---|---|---|---|
2005 | 20,06 (N. Kleinert) | 21,09 (Ostabchuk/BLR) | 1,03 | 21,09 (Ostabchuk/BLR) | 1,03 |
2006 | 19,64 (P. Lammert) | 20,56 (Ostabchuk/BLR) | 0,92 | 20,56 (Ostabchuk/BLR) | 0,92 |
2007 | 20,04 (P. Lammert) | 20,48 (Ostabchuk/BLR) | 0,44 | 20,54 (Vili/NZL) | 0,50 |
2008 | 19,89 (N. Kleinert) | 20,98 (Ostabchuk/BLR) | 1,09 | 20,98 (Ostabchuk/BLR) | 1,09 |
2009 | 20,20 (N. Kleinert) | 20,20 (N. Kleinert) | 0,00 | 21,07 (Vili/NZL) | 0,87 |
2010 | 19,64 (N. Kleinert) | 20,95 (Ostabchuk/BLR) | 1,29 | 20,95 (Ostabchuk/BLR) | 1,29 |
2011 | 19,26 (N. Kleinert) | 20,94 (Ostabchuk/BLR) | 1,68 | 21,24 (Vili/NZL) | 1,98 |
2012 | 19,67 (N. Kleinert) | 20,22 (Kolodko/RUS) | 0,62 | 21,11 (Adams/NZL) | 1,48 |
2013 | 20,41 (C. Schwanitz) | 20,41 (C. Schwanitz) | 0,00 | 20,90 (Adams/NZL) | 0,49 |
2014 | 20,22 (C. Schwanitz) | 20,22 (C. Schwanitz) | 0,00 | 20,59 (Adams/NZL) | 0,37 |
2015 | 20,77 (C. Schwanitz) | 20,77 (C. Schwanitz) | 0,00 | 20,77 (C. Schwanitz) | 0,00 |
2016 | 20,17 (C. Schwanitz) | 20,17 (C. Schwanitz) | 0,00 | 20,63 (Carter/USA) | 0,46 |
2017 | 18,46 (S. Gambetta) | 19,63 (Marton/HUN) | 1,17 | 20,11 (Gong/CHN) | 1,65 |
2018 | 20,06 (Schwanitz) | 20,06 (Schwanitz) | 0,00 | 20,38 (Gong/CHN) | 0,32 |
2019 | 19,37 (Schwanitz) | 19,37 (Schwanitz) | 0,00 | 20,31 (Gong/CHN) | 0,94 |
2020 | 18,14 (Ritter) | 19,53 (Dongmo/POR) | 1,39 | 19,53 (Dongmo/POR) | 1,39 |
2021 | 18,88 (Gambetta) | 19,75 (Dongmo/POR) | 0,97 | 20,58 (Gong/CHN) | 1,70 |
2022 | 18,88 (Gambetta) | 20,24 (Schilder/NED) | 1,36 | 20,51 (Ealey/USA) | 1,63 |
Das fällt auf:
- Sara Gambatta stieß im Freien exakt die gleiche Weite wie ein Jahr zuvor. Im kommenden Jahr soll es mit neuem Trainer und neuen Impulsen auch im Sommer über die 19-Meter-Marke gehen.
- Ihre neue Trainingspartnerin ist nun Katharina Maisch, mit der sie weitentechnisch schon in diesem Sommer auf einem Niveau war. Nur acht Zentimeter trennen die Beiden, die sich abseits des Wettkampfs auch gut verstehen. "Wir sind freundschaftlich verbunden", sagt Sara Gambetta über Katharina Maisch. Im europäischen Vergleich finden sich sie sich auf Platz sechs und sieben wieder.
- Eine gute Entwicklung nahm in diesem Jahr Julia Ritter. Sowohl in der Halle als auch unter freiem Himmel stellte die 24-Jährige Bestleistungen auf und sammelte mit Platz sechs bei der EM Selbstvertrauen.
- Auf europäischer Ebene sehen wir erstmals seit 2018 wieder eine Weite über 20 Meter. Die Niederländerin Jessica Schilder, Europameisterin und WM-Dritte, verbesserte den Landesrekord in diesem Jahr allein siebenmal - mit dem Höhepunkt bei der EM in München. Eine Weite von mehr als 20 Metern von einer Europäerin war zuletzt Christina Schwanitz im Jahr 2018 gelungen.
- Um auf Weltniveau vorn ein Wörtchen mitzureden, sind Weiten jenseits der 20 Meter erforderlich. Fünf Athletinnen konnten weltweit diese Weite anbieten. Die Schere geht jedoch ab da weit auseinander. Im Finale der WM reichten 17,60 Meter für Platz zwölf. Um in dieses einzuziehen, waren 18,57 Meter gefordert.
leichtathletik.TV-Clips
Die Disziplin-Analysen im Überblick:
Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer
Hürdensprint Frauen
Hürdensprint Männer
Langhürden Frauen
Langhürden Männer
Mittelstrecke Frauen
Mittelstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Hindernis Frauen
Hindernis Männer
Gehen Frauen
Gehen Männer
Hochsprung Frauen
Hochsprung Männer
Weitsprung Frauen
Weitsprung Männer
Dreisprung Frauen
Dreisprung Männer
Stabhochsprung Frauen
Stabhochsprung Männer
* als Referenzwert dient die WM-Norm des Jahres 2017