| Neue Meisterin

Lea Wipper – Mit neuem Trainer kontinuierliche Entwicklung fortsetzen

Ein Jahr mit vielen Leichtathletik-Höhepunkten neigt sich seinem Ende entgegen. Auf nationaler Ebene waren die Deutschen Meisterschaften in Berlin das Highlight des Sommers, bei denen acht Athletinnen und Athleten erstmals in ihrer Karriere ganz oben standen. Wir stellen sie vor. Heute: Speerwerferin Lea Wipper (SC Magdeburg).
Jan-Henner Reitze

Lea Wipper
SC Magdeburg

Bestleistung:

Speerwurf: 60,98 m (2022)

Erfolge:

Vierte U18-EM 2018
Achte Olympische Jugendspiele 2018
Neunte U18-WM 2017
Deutsche Meisterin 2022

Die aktuell beste DLV-Speerwerferin Christin Hussong (LAZ Zweibrücken) musste ihre Sommersaison 2022 aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig beenden. Annika Marie Fuchs (SC Potsdam) zog zwar bei WM und EM jeweils ins Finale ein, konnte ihre Leistungsfähigkeit dort aber nicht auf den Punkt bringen. Das gelang ihr nach einem vielversprechenden, aber ungültigen, ersten Versuch auch nicht bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin.

Doch es gibt eine DLV-Speerwerferin, die zufrieden auf die Saison zurückblickt: Nachwuchsathletin Lea Wipper. Die 20-Jährige schickt sich an, den Anschluss an die internationale Spitze herzustellen. National hat sie im Kampf um den deutschen Meistertitel schon überraschend die Pole Position erobert. Bei der DM übertraf die Magdeburgerin erstmals die 60-Meter-Marke (60,98 m) und sicherte sich damit unverhofft den Titel.

„Es war insgesamt das beste Jahr in meiner Karriere“, so die Speerwerferin, die ihre vier bisher besten Wettkampf-Ergebnisse alle in diesem Sommer erzielte. Neben den 60,98 Metern beim DM-Titel auch noch 59,60 Meter in Linz (Österreich), 59,40 Meter in Schönebeck und 58,80 Meter beim Werfertag in Thum. „Dass ich auch noch mit zur EM durfte und meinen ersten Einsatz in der A-Nationalmannschaft hatte, war die Krönung.“

EM als erste Erfahrung auf ganz großer Bühne

Bei der EM in München reichten 55,07 Meter in der Qualifikation nicht für das Finale. Das erreichte die Ungarin Réka Szilágyi als Zwölfte mit 57,40 Metern, allzu groß war der Abstand dorthin also nicht. Vor allem sammelte Lea Wipper wertvolle Erfahrung, von der sie bei kommenden Großereignissen profitieren möchte.

„Meine Saison war auf die Deutschen Meisterschaften als Jahreshöhepunkt ausgerichtet, da es keine internationale Meisterschaft in der U23 gab“, so die Bundeswehr-Soldatin. „Danach war es eine Aufgabe, die Leistung bis zur EM aufrechtzuerhalten. Im kommenden Jahr wird die Planung sicherlich anders aussehen.“

Speerwurf beste Disziplin im Siebenkampf

Leichtathletik ist schon seit ihrer Kindheit ein Teil des Lebens gewesen. „Mein Papa war früher Trainer. Er hat mich mitgenommen. Mit fünf, sechs Jahren habe ich zum ersten Mal beim Training mitgemacht und bin damit aufgewachsen“, erinnert sich Lea Wipper an ihre Anfänge beim SV Lindenau in ihrer Heimat Leipzig. Zunächst standen alle Disziplinen auf dem Programm. Die junge Athletin startete unter anderem im Siebenkampf, und das durchaus erfolgreich.

In der Altersklasse W14 belegte die damals 13-Jährige im Jahr 2015 Rang vier bei den Deutschen Mehrkampfmeisterschaften in Lage mit 3.721 Punkten. Schon bei diesem Wettkampf brachte das Speerwerfen mit 43,77 Metern die deutlich meisten Punkte. Das Talent für diese Disziplin bestätigte im folgenden Jahr Rang zwei bei der U16-DM in Bremen in der Altersklasse W15 (45,19 m), in dem sie auch erstmals im Trikot des SC DHfK Leipzig startete.

Auch in ihren U18 Jahren entpuppte sich der Speerwurf mehr und mehr als stärkste Disziplin der Mehrkämpferin, unter anderem mit zwei weiteren Silbermedaillen bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Ulm (49,73 m) und Rostock (49,78 m). Außerdem gelang 2017 die Qualifikation für die U18-WM in Nairobi (Kenia), wo mit 52,75 Metern der Finaleinzug glückte. Dort bedeuteten 50,68 Meter Rang neun. „Die Reise insgesamt war sehr aufregend. Das Stadion war voll, die Stimmung riesig. Ich hatte Gänsehaut und mir wurde bewusst: Das Training zahlt sich aus. So etwas möchte ich wieder erleben.“

Im Nachwuchsbereich klappte das schon 2018 mit Rang vier bei der U18-EM in Györ (Ungarn; 54,79 m; PB 500-g-Gerät) und Rang neun bei den Olympischen Jugendspielen in Buenos Aires (Argentinien; 49,18 m; 50,54 m).

Umzug nach Magdeburg und Spezialisierung

Auch diese ersten Erfolge brachten den Entschluss, die sportlichen Ambitionen gezielter zu verfolgen und mehr auf den Speerwurf zu setzen. Deshalb entschloss sich die damalige Zehntklässlerin, für den Besuch der Oberstufe nach Magdeburg umzuziehen, zuerst ins Internat und später in eine eigene Wohnung, um sich dort der Gruppe von Wurftrainer Ralf Wollbrück anzuschließen. Damit wurden die Weichen in Richtung einer möglichen Karriere im Leistungssport gestellt. Ihrem Verein, dem SC DHfK Leipzig, blieb die U20-Athletin trotz des Standortwechsels erst einmal noch erhalten.

Auch der 600-Gramm-Speer flog 2019 gleich deutlich über die 50-Meter-Marke. Die Bestleistung von 54,08 Meter machten schon im ersten U20-Jahr die erste Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften in der Frauenklasse möglich. Bei der Jugend-DM in Ulm dagegen flog der Speer nicht wie gewünscht und es reichte nur zu Rang vier (49,64 m),

Einem Jahr des Aufstiegs folgt ein Jahr voller Verletzungsprobleme

Der erste Corona-Sommer 2020, in dem viele Athletinnen und Athleten wegen der schwierigen Umstände zu kämpfen hatten, brachte für Lea Wipper einen großen Leistungssprung. Bei sechs Wettkämpfen flog ihr Speer 55 Meter weit oder darüber hinaus. „Nach einem Jahr des Kennenlernens begann sich das Speerwurf-spezifische Training auszuzahlen“, stellt sie fest. Das unterstrichen auch die Erfolge: Bronze als erste Medaille bei der DM bei den Frauen in Braunschweig (55,72 m), Bestleistung von 57,03 Metern in Thum sowie Gold bei der Jugend-DM in Heilbronn (55,72 m) als Abschluss in der U20-Klasse.

So erfolgreich das Jahr 2020 für Lea Wipper verlief, so schwierig war das Jahr 2021. Verschiedene Verletzungsprobleme etwa mit dem Ellenbogen, der Schultersehne oder dem Rücken verhinderten weitere Steigerungen. Auf der Habenseite konnte sie immerhin erneut DM-Bronze in Braunschweig (51,06 m) verbuchen sowie Silber bei der U23-DM in Koblenz (53,90 m). Zur Norm (55,00 m) für die U23-EM in Tallinn (Estland) reichte es aber nicht.

„Es war ein verhextes Jahr. Allerdings gehört es im Sport eben dazu, sich einmal durchbeißen zu müssen“, so die 20-Jährige. „Umso schöner ist es, dass es in diesem Jahr so gut vorangegangen ist.“ Einen Anteil daran hat auch der frühere Kugelstoßer und Osteopath Dennis Lewke, bei dem die Speerwerferin seit diesem Jahr regelmäßig in Behandlung ist. „Dennis hat schon erkannt, wo möglicherweise Verletzungen entstehen könnten, und wir haben daran gearbeitet.“

Nach ihrem Abitur ermöglicht seit dem vergangenen Herbst die Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr die weitere Konzentration aufs Training. Außerdem nahm die Nachwuchsathletin ein Fernstudium in Psychologie auf und wechselte zum SC Magdeburg.

Björn Lange übernimmt Training von Ralf Wollbrück

Nach der bisher besten Saison der Karriere ist der Blick von Lea Wipper inzwischen wieder nach vorn gerichtet. Die Vorbereitung auf das kommende Jahr läuft gerade an. Nach vier Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit mit Ralf Wollbrück übernimmt Björn Lange das Trainig, U23-Europameister von 2001 (PB: 85,21 m) und in Magdeburg bisher offiziell für die Altersklasse U16 zuständig.

„Herr Wollbrück geht in Rente“, erzählt Lea Wipper. „Björn Lange kenne ich aber auch schon sehr gut. Ich bin guter Dinge, dass es ein reibungsloser Übergang wird. Björn hat ja selbst lange bei Herrn Wollbrück trainiert.“

Der eingeschlagene Weg soll weiterverfolgt werden. Die U23-EM in Espoo (Finnland; 13. bis 16. Juli) ist ein großes Ziel. „Ich liebäugele auch mit einem Start bei der WM“, so die Aufsteigerin. Diese wird im kommenden Jahr in Budapest (Ungarn; 19. bis 27. August) ausgetragen. Außerdem soll der Speer wieder über die 60 Meter fliegen, und das so oft wie möglich.

Video: Lea Wipper mit Bestleistung zum ersten Titel
Video-Interview: Lea Wipper: "Top Tag, Top Wettkampf"
 

Das sagt Bundestrainer Mark Frank:

Lea hat sich in diesem Jahr sehr positiv weiterentwickelt. Auch im vergangenen Jahr hatten wir schon darauf gehofft, aus gesundheitlichen Gründen war es aber nicht möglich. Ihr großes Potential ist unbestritten. In diesem Jahr konnte sie den nächsten Schritt gehen, auch in der Breite, mit mehreren Ergebnissen über 58 Meter. Sie hat sich gefestigt und es war nicht nur ein Ausrutscher nach oben dabei.

Lea hat eine super Anlage für das Speerwerfen. Sie hat eine tolle Länge im Wurfarm, den Spannungsaufbau über die Brust beherrscht sie wunderbar. Sie wirft nicht nur aus dem Arm. Das ist ein echtes Pfund. Sie ist in der Lage, viel von ihrem physischen Vermögen auf den Speer zu transferieren, und genau das ist das Ziel. Das ist ein riesiges Plus. Reserven hat Lea im Kraftbereich, technisch kann sie an der Beinarbeit feilen. Außerdem verliert sie auf den letzten drei Schritten den Speer manchmal ein wenig und schaut zu sehr in den Himmel statt in Wurfrichtung. Das sind Reserven, an denen sie arbeiten kann.

Lea ist fokussiert, weiß was sie tut und was ihre Ziele sind. Sie ist eine selbstständige Athletin und auf der anderen Seite umgänglich und offen für neue Ansätze. Lea ist eine absolute Perspektivathletin. Wir hoffen, dass ihr Entwicklung kontinuierlich weitergeht, wohlwissend, dass es im Leistungssport auch immer mal zu Störungen kommen kann. Im nächsten Jahr haben wir eine Weltmeisterschaft, und wenn Lea gesund bleibt, sehe ich sie als eine Kandidatin für einen Startplatz. Ob über die direkte Norm, 63,80 Meter sind gefordert, oder über das Ranking, muss man sehen. Ein weiterer internationaler Höhepunkt sind die U23-Europameisterschaften im finnischen Espoo. Da sollte sie um eine Medaille mitwerfen können. Für 2024 sind die Olympischen Spiele in Paris das klare Ziel.

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