Die letzte Entscheidung der Europameisterschaften in München brachte am Sonntagabend einen goldenen Abschluss für die deutsche Mannschaft: Alexandra Burghardt, Lisa Mayer, Gina Lückenkemper und Rebekka Haase holten über 4x100 Meter den siebten EM-Titel für Deutschland. In 42,34 Sekunden war das DLV-Quartett nicht zu schlagen.
Ohrenbetäubender Jubel begleitete Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar) am Sonntagabend auf die Zielgerade im Münchner Olympiastadion. Die Schlussläuferin der deutschen 4x100-Meter-Staffel hatte soeben im Finale der Europameisterschaften das Staffelholz von 100-Meter-Europameisterin Gina Lückenkemper (SCC Berlin) übernommen – und das in Führung liegend! Und die 29-Jährige brachte den Vorsprung sicher ins Ziel und durfte gemeinsam mit Alexandra Burghardt (LG Gendorf Wacker Burghausen), die das deutsche Quartett ins Rennen gebracht hatte, Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar) und Gina Lückenkemper über den EM-Titel jubeln.
In 42,34 Sekunden lag die DLV-Staffel am Ende klar vor den Polinnen, die in 42,61 Sekunden Landesrekord liefen. Bronze ging in 42,84 Sekunden an Italien. Die Mitfavoritinnen aus Großbritannien ereilte das gleiche Schicksal wie zuvor die DLV-Männer: Sie verpatzten gleich den ersten Wechsel. Auch die Französinnen beendeten das Rennen nicht.
Goldenes Jahr für deutschen Sprint
Nach WM-Bronze in Eugene (USA) ist der EM-Titel nun bereits der zweite ganz große Erfolg der 4x100-Meter-Staffel in diesem Jahr – und zudem der verdiente Lohn für viele Jahre harter Arbeit, in denen sie auf globaler Ebene knapp an Edelmetall sowie in der europäischen Konkurrenz knapp am Gold vorbeigeschrammt waren. 2012 in Helsinki (Finnland) hatte zuletzt eine deutsche 4x100-Meter-Staffel EM-Gold geholt, damals unter anderem mit der Europameisterin von 2010 Verena Sailer.
Zehn Jahre später war es Gina Lückenkemper, die sich mit ihrem zweiten Titel bei diesen Europameisterschaften zur Sprint-Königin von München krönte. Dazwischen hatte die DLV-Auswahl 2016 und 2018 zweimal EM-Bronze gewonnen. Die deutsche Sprintstaffel bewies in München, dass sie in verschiedenen Besetzungen gegen die internationale Konkurrenz bestehen kann: Tatjana Pinto (TV Wattenscheid 01), in Eugene Startläuferin des deutschen Quartetts, kam bei der EM nicht zum Einsatz, sie hatte bereits im Saisonverlauf immer wieder mit muskulären Problemen zu kämpfen.
Große Auswahl an starken Staffelsprinterinnen
Für sie rückte Lisa Mayer ins Aufgebot, die nach jahrelangen Verletzungssorgen in diesem Jahr das deutsche Team wieder verstärken konnte. Alexandra Burghardt bewies Flexibilität und übernahm die Rolle der Startläuferin, nachdem sie bei der WM noch an Position zwei gelaufen war.
Nicht vergessen werden darf auch Jessica-Bianca Wessolly (MTG Mannheim), die im Vorlauf Gina Lückenkemper ersetzte. Die Europameisterin hatte sich im 100-Meter-Finale eine Wunde zugezogen, die genäht werden musste, und war erst im Finale wieder einsatzfähig. Auch Wessolly, die gar binnen kurzer Zeit der 4x100- und 4x400-Meter-Staffel zum Finaleinzug verhalf, trug somit maßgeblich dazu bei, dass ihre Kolleginnen im Finale das ersehnte Gold einheimsten.
Stimmen zum Wettbewerb
Alexandra Burghardt (LG Gendorf Wacker Burghausen)
„Es war eine einzigartige Stimmung hier in München. Das erlebt man nicht alle Tage, so eine Heim-EM. Ich glaube, man muss da jede Sekunde genießen. Ich glaube auch, dass das die beste Werbung für unsere Sportart war, die wir als gesamtes Team machen konnten. Es sind so viele tolle Leistungen und tolle Medaillen entstanden. Ich hoffe, dass wir nicht nur München ein bisschen anstecken konnten, sondern ganz Sportdeutschland. Wir sind alle mittlerweile schon ein bisschen erfahren mit den Wechseln. Teilweise laufen wir seit 2015 so zusammen. Deswegen glaube ich, ist es der große Vorteil, dass wir sehr individuell und auch sehr flexibel agieren können. Wir wissen, worauf es ankommt, und dann ist es auch kein Hexenwerk. Darüber, was im letzten Jahr alles bei mir geschehen ist, könnte man ein Buch schreiben. Ich bin super dankbar, dass ich das erleben durfte. Drei internationale Medaillen in einem Jahr, das ist fantastisch. Jetzt ist mein Medaillensatz voll.“
Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar)
„Tatjana [Pinto] konnte leider verletzungsbedingt nicht laufen. Ich habe im Vorlauf schon das Vertrauen bekommen, darüber habe ich mich riesig gefreut. Vor vier Wochen habe ich es nicht mal für möglich gehalten, bei dieser Meisterschaft dabei zu sein, weil diese Saison wirklich nicht einfach war. Jetzt im Finale auch noch mal das Vertrauen geschenkt zu bekommen, ist schon ganz besonders. Tatjana tut mir natürlich sehr, sehr leid, wir sind für sie heute auch mitgelaufen. Für mich ist das einfach unbegreiflich, was in den letzten drei Tagen passiert ist. Ich muss das erst mal verarbeiten, das wird noch ein bisschen dauern.“
Gina Lückenkemper (SCC Berlin)
„Ich habe alles dafür gegeben, hier mit den Mädels gemeinsam auf der Bahn zu stehen. Unser Ärzteteam hat einen hervorragenden Job gemacht, anders wäre das Ganze nicht möglich gewesen. Der Vorlauf war schon sehr, sehr geil bei den Mädels. Da musste ich leider draußen stehen und mir das Ganze von außen anschauen. Ich wollte unbedingt mit dabei sein, ich wollte das unbedingt mit den Mädels noch mal gemeinsam erleben. Ich bin so unfassbar dankbar, dass das heute möglich war. Für mich war es eine Belohnung, mich hier noch mal auf die Bahn stellen und rennen zu dürfen. Ich habe es mit jeder Sekunde genossen. Es war total geil, jeder Schritt, den ich auf der Bahn gemacht habe, wurde von den Menschen auf den Rängen gefeiert. Das pusht mich unfassbar, dann habe ich richtig Bock auf Rennen, und ich denke, das hat man auch gespürt.“