Seit zehn Jahren hat die 4x100-Meter-Staffel der Frauen bei globalen Großereignissen stets Platz vier oder fünf belegt, in Eugene klappte es endlich mit dem ersehnten Edelmetall: Tatjana Pinto, Alexandra Burghardt, Gina Lückenkemper und Rebekka Haase gewannen in der Nacht zu Sonntag Bronze hinter den USA und Jamaika. Speerwerfer Julian Weber verpasste dagegen die erhoffte Medaille als Vierter. Der Portugiese Pedro Pichardo (Dreisprung) und der Kenianer Emmanuel Kipkurui Korir (800 Meter) ließen ihren Olympiasiegen WM-Titel folgen.
Zwei vierte und zwei fünfte Plätze bei Weltmeisterschaften, dazu ein vierter und zwei fünfte Ränge bei den Olympischen Spielen: So oft war die deutsche 4x100-Meter-Staffel in den vergangenen zehn Jahren nur denkbar knapp an einer globalen Medaille vorbeigeschrammt. Und am frühen Sonntagmorgen deutscher Zeit war es in Eugene, Oregon endlich so weit! In 42,03 Sekunden stürmten Tatjana Pinto (TV Wattenscheid 01), Alexandra Burghardt (LG Gendorf Wacker Burghausen), Gina Lückenkemper (SCC Berlin) und Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar) beim umjubelten Heimsieg des US-Quartetts (41,14 sec) zur Bronzemedaille. Silber ging in 41,18 Sekunden an die Auswahl aus Jamaika mit 100-Meter-Weltmeisterin Shelly-Ann Fraser-Pryce und 200-Meter-Siegerin Shericka Jackson.
"Es fühlt sich an wie ein Traum gerade, ich hoffe, ich wache nicht auf", sagte Pinto, die bereits seit zehn Jahren fester Bestandteil des deutschen Staffelteams ist und an fast allen starken Resultaten der vergangenen Jahre beteiligt war, danach im ZDF. In der zweiten Kurve hatte die Deutsche Meisterin Gina Lückenkemper einen deutlichen Vorsprung auf die Mannschaft aus Nigeria herausgelaufen, den Schlussläuferin Rebekka Haase schließlich behaupten konnte. Die Nigerianerinnen auf Platz vier sprinteten in 42,22 Sekunden zu einem neuen Afrikarekord. Bei den Männern musste sich die 4x100-Meter-Staffel der USA in 37,55 Sekunden Kanada (37,48 sec) geschlagen geben, Bronze holte Großbritannien (37,83 sec).
Julian Weber wieder Vierter
Gern hätte auch Speerwerfer Julian Weber (USC Mainz) eine Medaille mit nach Hause genommen. Der Deutsche Meister legte mit 86,86 Metern – anderthalb Meter weiter als bei seinem vierten Platz bei den Olympischen Spielen im Vorjahr – direkt vielversprechend los. Einzig Titelverteidiger Anderson Peters (Grenada) erzielte bereits im ersten Versuch 90,21 Meter. Doch in den nächsten Durchgängen zog die Konkurrenz mit starken Weiten nach: Erst verbesserte sich der Tscheche Jakub Vadljech über 87,23 auf 88,09 Meter. Und im vierten Versuch landete der Speer von Olympiasieger Neeraj Chopra (Indien) erst nach 88,13 Metern – Silber und Bronze für die beiden Weltklassewerfer, während der Deutsche Meister nicht mehr kontern konnte.
An der Spitze war mit einer Siegweite von 90,54 Metern und insgesamt drei 90-Meter-Würfen – etwas, das vor ihm noch keinem Speerwerfer bei Weltmeisterschaften gelungen ist – Anderson Peters eine Klasse für sich.
Pedro Pichardo kratzt an 18 Metern
Im Dreisprung bestieg Pedro Pablo Pichardo nach dem olympischen Thron im vergangenen Jahr nun auch das oberste Podest bei Weltmeisterschaften. Seine 17,95 Meter waren 40 Zentimeter weiter als der beste Sprung von Hugues Fabrice Zango aus Burkina Faso, der bei Olympia Bronze holte und nun Silber gewann. Pichardos portugiesischer Rekord steht seit den Olympischen Spielen von Tokio (Japan) bei 17,98 Metern, im Trikot Kubas übertraf er 2015 bereits die 18-Meter-Marke. Bronze ging an Yaming Zhu aus China (17,31 m). Titelverteidiger Christian Taylor war bei seiner Heim-WM in den USA verletzt nicht am Start.
Auch über 800 Meter triumphierte der Olympiasieger von Tokio: Emmanuel Kipkurui Korir ließ in 1:43,71 Minuten die Kontrahenten im Finale hinter sich. Silber errang in 1:44,14 Minuten Algeriens Djamel Sedjati 14 Hundertstel vor Marco Arop aus Kanada. Weltrekordlerin Letesenbet Gidey (Äthiopien) und Olympiasiegerin Sifan Hassan (Niederlande) konnten über 5.000 Meter nicht in den Medaillenkampf eingreifen und belegten beim Sieg der Olympia-Dritten Gudaf Tsegay (Äthiopien; 14:46,29 min) die Plätze fünf und sechs. Silber und Bronze wurden an Beatrice Chebet aus Kenia (14:46,75 min) und Dawit Seyaum, ebenfalls aus Äthiopien (14:47,36 min), vergeben.
Mihambo souverän, Kaul auf Kurs
Am Samstag (Ortszeit) traten auch die beiden deutschen Weltmeister von Doha (Katar) 2019 in Eugene erstmals in Aktion. Für Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) wurde es ein Kurzauftritt: Mit viel Luft am Brett flog sie direkt im ersten Versuch auf 6,84 Meter und damit über die direkte Qualifikationsmarke von 6,75 Meter. Hallen-Weltmeisterin Ivana Vuleta (Serbien) schaffte es als Elfte gerade so ins Finale. Der zweiten deutschen Starterin Merle Homeier gelang das leider nicht. Die Göttingerin kämpfte mit den wechselnden Winden und musste nach dem Auftakt (6,09 m) zwei ungültige Sprünge hinnehmen.
Fast genau auf dem Kurs von Doha befindet sich nach dem ersten Zehnkampf-Tag Niklas Kaul (USC Mainz). Mit 4.147 Punkten rangiert er auf Position 16 – an seinem bekannt starken zweiten Tag möchte der 24-Jährige, der vor allem im Hochsprung (2,05 m) und über 400 Meter (48,39 sec) überzeugte, wieder eine Aufholjagd starten. Bester Deutscher ist nach Tag eins WM-Debütant Leo Neugebauer (LG Leinfelden-Echterdingen; 4.298 Pkt) auf Platz neun, Routinier Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) liegt mit 4.165 Zählern auf Rang 15. Tim Nowak (SSV Ulm 1846) musste einige Enttäuschungen hinnehmen – Platz 20 (3.989 Pkt). Olympiasieger Damian Warner aus Kanada schied über 400 Meter verletzt aus.
4x400-Meter-Finals ohne deutsche Staffeln
Die deutschen 4x400-Meter-Staffeln haben die Finals klar verpasst. Weder die Frauen noch die Männer waren schnell genug für die beiden letzten Medaillenentscheidungen der Titelkämpfe in den USA in der Nacht zum Montag. Bei den Frauen war die US-Staffel um WM-Rekordmedaillengewinnerin Allyson Felix am schnellsten und brauchte im Vorlauf 3:23,38 Minuten. Felix hatte nur acht Tage nach ihrem vermeintlich letzten großen Rennen noch einmal die Spikes angezogen und war für die USA als zweite Läuferin gerannt. Das deutsche Quartett mit Corinna Schwab (LAC Erdgas Chemnitz), Elisa Lechleitner (LAZ Ludwigsburg), Judith Franzen (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Alica Schmidt (SCC Berlin) lief am Finale mit 3:30,48 Minuten klar vorbei.
Bei den Männern kamen Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz), Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund), Marc Koch (LG Nord Berlin) und Patrick Schneider (TV Wattenscheid) mit 3:04,21 Minuten auf Rang elf aller Teams und konnten sich damit zumindest im Vergleich zur Meldeliste, in der sie auf Platz 16 gelegen hatten, ein wenig steigern.